Die neue Frauenquote ab Januar 2016 soll uns gleichstellen. Wird sie das wirklich – und gibt es dazu Alternativen?
Frauen in der Techbranche: Geschlechterparität ohne Quote
Ab dem 30. Januar 2016 herrscht in deutschen Großunternehmen Quotenpflicht: In den Aufsichtsräten von knapp 100 börsennotierten Unternehmen müssen künftig 30 Prozent Frauen sitzen. Prominente Befürworter wie Anne Will feiern diesen Schritt. Der CSUler Peter Ramsauer, bezeichnete die Frauenquote für Unternehmen dagegen als „unsinnig“ und der Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer nannte die Quote in Führungsgremien eine „Belastung der Wirtschaft”. Die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, irgendwo dazwischen.
Ich arbeite seit zwei Jahren bei Eventbrite. Obwohl wir ein Unternehmen in der von Männern dominierten Technologiebranche sind, sind knapp die Hälfte unserer Mitarbeiter Frauen. Und auch in unserem Führungsteam herrscht nahezu Geschlechterparität; vier der zehn Mitglieder der Unternehmensspitze sind weiblich, was für unsere Branche schon sehr ungewöhnlich ist. Erreicht haben wir das ohne eine Frauenquote.
Auf eine Quote geachtet hat eigentlich niemand
Wie es dazu gekommen ist? Schwer zu sagen, denn auf eine Quote geachtet hat eigentlich niemand; es hat sich einfach so entwickelt. Wir haben eine sehr meritokratische Unternehmenskultur. Sprich: Wenn du einen guten Eindruck machst, wirst du eingestellt. Wenn du dich beweist, steigst du auf – zumindest, wenn du das willst. Keine Rolle spielt dabei, ob du ein Mann bist oder eine Frau. Ich habe bei Eventbrite als Praktikantin angefangen und bin heute als „Senior Group Manager, Global Expansion” maßgeblich an der internationalen Expansionsstrategie des Unternehmens beteiligt. Diesen Aufstieg habe ich mir selbst erarbeitet.
Manchmal stelle ich mir vor, wie das eigentlich wäre, wenn wir Quotenfrauen hätten. Und wenn ich ehrlich bin, gefällt mit der Gedanke nicht. Am Ende kämen Kollegen noch auf die Idee, dass ich nur deswegen in meiner Position bin, weil ich eine Frau bin, reingehievt per Quote. Ich müsste also nicht nur vor der Beförderung beweisen, dass ich einen bestimmten Job verdiene, sondern mir auch danach erstmal den Respekt erarbeiten, den meine männlichen Kollegen ohne diesen Anfangsverdacht gleich von Beginn an haben.
Das soll nicht heißen, dass ich prinzipiell gegen Maßnahmen zur Gleichberechtigung in Unternehmen bin. Natürlich weiß ich, dass die Realität auch anders aussehen kann als bei uns; ich habe in meiner Karriere vor Eventbrite nämlich auch schon die Erfahrung machen müssen, dass man als Frau für den exakt gleichen Job schlechter bezahlt wird als ein Mann. Allerdings frage ich mich schon, ob gerade eine Frauenquote wirklich dazu beitragen wird, eine echte – und nicht nur oberflächliche – Gleichberechtigung herzustellen, und Frauen in Führungspositionen stattdessen vor allem dem Vorwurf aussetzen könnten, doch „nur eine Quotenfrau” zu sein.
Die Alternative: Frühe Förderung und weibliche Vorbilder
Statt Quoten zu forcieren wäre es vielleicht wichtiger, Frauen früh zu fördern und dazu zu motivieren, ihre Karrieren verstärkt auch in der Technologiebranche zu suchen, an den Finanzmärkten, in der Baubranche, an Lehrstühlen für Physik und Mathematik. Da können starke Vorbilder helfen, die vorleben, was Frauen erreichen können: Facebook-COO Sheryl Sandberg. Oder Christine Lagarde, die Chefin des IMF. Aber auch die zahllosen Gründerinnen wie Claudia Helming, die 2006 Dawanda gegründet hat, Anna Alex und Julia Bösch von Outfittery, oder Julia Kopper, die ihre Berliner Agentur muxmäuschenwild aus dem nichts aufgebaut hat.
Auch bei Eventbrite steht ein starkes weibliches Vorbild an der Spitze: Julia Hartz. Sie hat unser Unternehmen 2006 mitgegründet und wurde vor Kurzem auf die „40 under 40”-Liste des „Fortune”-Magazins gewählt. Sie ist ganz sicher ein weiterer Grund dafür, warum sich bei uns so viele Frauen bewerben und der Frauenanteil entsprechend hoch ist.
Wie wäre es also hiermit: Statt Frauen künstlich per Quote in bestimmte Positionen zu hieven, und sie dem Generalverdacht auszusetzen, Quotengewinnerinnen zu sein, sollten wir sie schon in der Schule fördern und zu einer Karriere in einer der STEM-Branchen (Science, Technology, Engineering and Math) ermutigen. Und Frauen feiern, die es aus eigenem Antrieb dorthin geschafft haben, ihre Geschichten erzählen und zum Nachahmen anregen. Mittelfristig würde sich damit die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Quoten von selbst erledigen.
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