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Lena Dunham: „Hollywood-Männer, brecht endlich euer Schweigen über sexuelle Belästigung!”

Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung um den Filmproduzenten Harvey Weinstein ziehen immer weitere Kreise. Nun fordert Lena Dunham in einem starken Essay die Männer der Filmindustrie auf, endlich Stellung zu beziehen.

 

Jahrzehntelang hat Weinstein Frauen sexuell belästigt 

Harvey Weinstein ist einer der erfolgreichsten Filmproduzenten Hollywoods. Vergangene Woche deckte die New York Times eine Reihe von Berichten auf, die zeigen, dass Weinstein in den letzten Jahrzehnten eine große Anzahl von Frauen sexuell belästigt hat. All diese Frauen waren in einer Situation, in der es keine Begegnung auf Augenhöhe sein konnte. Weinstein konnte Türöffner für ihre Karriere sein oder diese zerstören. 

So schrieb zum Beispiel die bei Weinsteins Unternehmen angestellte 28-jährige Lauren O´Connor in einem Bericht über die sexuelle Belästigung, der der New York Times vorliegt: „Ich bin eine 28-jährige Frau, die versucht genügend Geld zu verdienen und Karriere zu machen. Harvey Weinstein ist 64 Jahre alt, ein weltberühmter Mann und das hier ist seine Firma. Das Machtgefüge ist Ich: Null, Harvey Weinstein: zehn.” Ein Machtgefüge, dass sich in allen Anschuldigungen Weinstein gegenüber wiederfinden lässt. Und das vielleicht erklärt, warum so viele Frauen (mindestens acht) außergerichtliche Lösungen mit Weinstein eingegangen sind, anstatt mit ihren Vorwürfen an die Öffentlichkeit zu treten.

Lena Dunham und das Schweigen der Männer der Filmindustrie 

Es ist aber keine Erklärung dafür, warum der ganze Filmbetrieb und vor allem die Männer, die in diesem Bereich arbeiten, so lange geschwiegen haben. Das sieht auch Lena Dunham so und hat sich nun in einem Kommentar für die New York Times an diese „schweigenden Männer” gewandt. Nach den Enthüllungen fragt sie sie:

„Hollywood-Männer, wofür möchtet ihr euch entschuldigen? Was werdet ihr nicht mehr akzeptieren? Wie wollt ihr die Leerstelle füllen und die derzeitige Realität ändern?”

Warum sie diese Fragen stellt? Ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen mit altäglicher sexueller Belästigung im Filmbusiness in Hollywood, all den Erlebnissen, von denen weiblichen Kolleginnen berichten und die weitestgehend sexistische Struktur in Hollywood, beschreibt sie, dass der Fall Harvey Weinstein nur ein trauriges Beispiel mehr dafür sei, was seit jeher in Hollywood Gang und Gäbe ist und wie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz für Frauen in allen Bereichen aussieht:

„Die eigene Machtposition auszunutzen, um Frauen zu besitzen und zum Schweigen zu bringen, passiert in einem Fast-Food-Restaurant genauso wie an einem Filmset.”

Diese Beobachtung können wohl viele Frauen, die sexuelle Belästigung erlebt haben, bestätigen. Das Muster ist immer gleich, das Gefühl der Ohnmacht, die Angst, das Unwohlsein ist immer da. Umso wichtiger ist es, dass gerade in der Filmindustrie, ein Bereich, der so stark unter öffentlicher Beobachtung steht, klare Zeichen dafür gesetzt werden, dass sexuelle Belästigung nicht länger akzeptiert wird. Wie sollte Hollywood also mit den Enthüllungen um Weinstein umgehen?

Sexuelle Belästigung darf nicht leise akzeptiert werden

Dunham sieht darin eine Chance für den amerikanischen Filmbetrieb, sexuelle Belästigung endlich als das zu benennen, was es sei: ein Verhalten, dass nicht mehr akzeptiert werde. Bisher agiert die Filmindustrie, so die Schauspielerin, Produzentin und Autorin, mit einer Doppelmoral: Alle stünden gegen Trumps „locker room talk” auf, aber wenn es um einen Mann aus den eigenen Reihen gehe, würden vor allem die Männer der Industrie plötzlich ganz still werden. Als Beleg nennt sie die öffentlich bekannten Fälle von Woody Allen und Roman Polanski. Bei diesen Männern, aber auch bei vielen anderen anonymen Fällen erkennt Dunham ein wiederkehrendes Muster: das Schweigen der Männer der Industrie. 

Dabei müssten gerade die, schreibt Dunham, endlich aufhören, sexuelle Belästigung zu ignorieren und totzuschweigen. Darum richtet sie sich mit dieser Aufforderung vor allem an die Männer in Hollywood: 

„Sie haben am wenigsten zu verlieren und am meisten Macht, die Erzählung zu ändern, und haben wahrscheinlich nicht mit dem gleichen Grad an kollektiven und persönlichen Trauma rund um diese Vorwürfe zu kämpfen.” 

Ein starkes Zeichen eben dieser Männer werde dringend gebraucht, nicht nur für die Frauen, die Weinstein zu Opfern gemacht habe, sondern auch für all die Frauen, die die Filmbranche beobachteten. Bis zum Erscheinungstag ihres Artikels am 9. Oktober herrschte aber vor allem eins: großes Schweigen. Warum?

Ein gutes Netzwerk schützt vor Anschuldigungen 

Weinstein ist wahnsinnig gut vernetzt in der Filmindustrie und hat sich in der Öffentlichkeit sogar schon einige Male für Frauen eingesetzt. So hat sein Unternehmen, wie die New York Times im gleichen Enthüllungsartikel berichtet, 2015 eine Dokumentation über sexuelle Belästigung auf Universitätscampusen veröffentlicht. Dieses Jahr stellte Weinstein Malia Obama, die Tochter des ehemaligen Präsidenten als Praktikantin ein, erst kürzlich hat er dabei geholfen, an der Rutgers Universität einen Lehrstuhl im Namen von Gloria Steinem einzurichten. Im Januar 2017 lief er bei dem „Women’s March” rund um das Sundance Film Festival in Park City mit. Und 2016 veranstaltete er in seiner Wohnung eine Spendengala für Hillary Clintons Wahlkampf.

Lena Dunham nahm im gleichen Jahr an einer anderen Benefiz-Veranstaltung für Clinton teil, die von Weinsteins Firma organisiert wurde. Das tat sie, obwohl sie bereits Gerüchte zu Weinsteins sexueller Belästigung kannte. In ihrem Kommentar entschuldigt sie sich dafür und fordert das gleiche von den Männern der Industrie. Denn egal, wie vernetzt sie mit Weinstein eien, egal, ob sie sich bisher bewusst entschieden hätten zu schweigen, egal, ob sie mit ihm posiert oder ihre Organisationen finanzielle Unterstützung von ihm bekommen hätten, egal, ob er für ihre Oscar-Nominierung verantwortlich gewesen sei, egal, ob sie denken würden, dass die Enthüllungen zwar sehr traurig seien, aber einfach nicht ihr eigenes Problem – denn genau das sei es eben doch: ein Problem, dass alle in der Industrie betreffen würde. 

Und auf keinen Fall dürfe es zu dem alleinigen Problem der Frauen gemacht werden, die Angst hätten mit ihren Erfahrungen sexueller Belästigung an die Öffentlichkeit zu treten oder die eine finanzielle Einigung mit Weinstein gefunden hätten. Sexuelle Belästigung sei das Problem jeder einzelnen Person, die ein System deckt, das diese stillschweigend akzeptiert. Deswegen sei es Zeit, den Mund aufzumachen, fordert Lena Dunham:

„Wenn wir schweigen, bleiben wir auf dem Weg, der uns hierher gebracht hat. Laut zu werden heißt Veränderung zu ermöglichen. Wir erzählen Geschichten, damit sich etwas verändert. Wir wollen solche Geschichten wie diese hier nicht wieder und wieder erzählen müssen. Werdet lauter.”

Dieser vehementen Aufforderung können wir uns nur anschließen: Wir dürfen nicht mehr stillschweigend zusehen, wenn Männer ihre Machtposition ausnutzen. Wir dürfen die Opfer von sexueller Belästigung nicht alleine lassen. Wir dürfen die Verantwortung nicht mehr auf sie abwälzen. Das sind wir ihnen schlicht schuldig. 

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