Foto: Girls Season 6-Trailer | Youtube

Lena Dunhams „Girls” geht in die letzte Runde: Zeit erwachsen zu werden?

Die neue und letzte Girls-Staffel ist gestern Abend in den USA gestartet. Wir haben uns die erste Folge für euch angesehen.

 

Eine Serie wird erwachsen

Knapp fünf Jahre ist es her, dass die erste Folge der Serie „Girls” von und mit Lena Dunham ausgestrahlt wurde. Viel ist seitdem passiert, vor und hinter der Kamera. Vor der Kamera haben die vier „Girls” sich verliebt, sind betrogen worden und haben betrogen, sind verlassen worden und haben verlassen, hatten wahnsinnig schlechten, verstörenden und wahnsinnig guten, erfüllenden Sex, sie haben sich gestritten und wieder vereint. Jede für sich und alle gemeinsam sind langsam erwachsen geworden. 

In der Authentizität, in der Offenheit, in der Schonungslosigkeit, in der sie das getan haben, haben sie viel für unser Selbstverständnis, unseren Umgang mit Sexualität getan. Dabei waren sie nicht immer liebenswert, manchmal sogar geradezu nervig, ihr Egoismus und ihre Naivität haben uns das eine oder andere Mal regelrecht zur Weißglut getrieben – wäre Hannah eine meiner Freundinnen gewesen, ich weiß nicht, ob wir noch befreundet wären. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, haben diese vier Protagonistinnen viel verändert. Seit Girls geht es nicht mehr zwingend darum, dass jede weibliche Protagonistin „likeable” ist, alle vier haben ihre Fehler, treffen egoistische Entscheidungen und drehen immer wieder völlig durch. Damit haben sie das Bild, dass Frauen immer nett sein müssen, fünf Staffeln lang hinterfragt. Die Folge, in der Abtreibungen offen thematisiert werden, war und ist für amerikanisches Fernsehen mutig, wenn nicht sogar revolutionär. Sex and The City galt als sexuelle Fernseh-Revolution für Frauen. Girls hat Sex, das Leben in New York und die Probleme junger Frauen dort noch realistischer und ehrlicher gemacht. Auch, wenn es dabei nie den Mainstream-Status erreichen konnte, den Sex and the City innehatte. 

An der Kritik wachsen

Hinter der Kamera ist Lena Dunham eine wichtige Stimme im Kampf für Gleichberechtigung geworden und war eine der prominentesten Unterstützerinnen Hillary Clintons in ihrem Wahlkampf. Aber auch die anderen
Girls-Stars sind außerhalb ihrer Rollen zu Stimmen einer aufbegehrenden
Generation geworden.

Die Show musste sich aber immer wieder auch Kritik gefallen lassen: Zu viel, zu hemmungsloser Sex. Dieser Vorwurf ist wohl eher ein Zeichen dafür, wie wichtig es ist, realistische und unbeschönigte Sexszenen noch viel mehr in Serien und Filmen zu etablieren, damit dieser Vorwurf endlich als überholt gelten kann. Eine wichtige und richtige Kritik dagegen: Girls hat ein Diversitätsproblem. Wir tauchen ein in die weiße, privilegierte Welt der vier Protagonistinnen. „Wir” können uns mit ihren Lebensentwürfen, Ängsten und Träumen identifizieren – aber leider nur, weil auch „wir” in einer weißen, privilegierten Blase stecken. In den ersten fünf Staffeln Girls nehmen nicht-weiße Schauspieler kaum einmal eine wichtigere Rolle ein. Das ist eine enorme Schwäche der Serie. 

Lena Dunham sieht den Fehler mittlerweile selbst. Die Gefahr, eines Feminismus der nur aus einer weißen Perspektive agiert, ist ihr immer bewusster geworden. Im Rahmen der Promotion für die letzte Girls-Staffel im vergangenen Oktober räumte sie ein: 

„Es gibt Probleme, mit denen ,Women of colour’ sich auseinandersetzen müssen, von denen weiße Frauen keine Ahnung haben. Weiße Feministinnen haben keine besonders ruhmreiche Geschichte vorzuweisen, wenn es darum geht, ihre schwarzen Schwestern mitzunehmen und zu unterstützen.” 

Hoffentlich trägt diese Einsicht in der letzte Staffel ihre Früchte.

Hannah macht einen Surfkurs

Die erste Folge der sechsten Staffel muss diese Hoffnung erst einmal enttäuschen. Dafür hält sie viele andere Highlights bereit (Achtung, Spoiler!): Hannah hat sich mit ihrem Essay über die Liebesbeziehung zwischen ihrer besten Freundin Jessa und ihres Ex-Freundes Adam ihre erste „Modern Love”-Kolumne in der New York Times gesichert, ein Traum, den sie quasi seit der ersten Staffel verfolgt. Die Folge heißt deshalb auch sehr passend: „All I ever wanted”. Marnie steckt mitten in ihrer Scheidung und schmeißt Ray, den sie seit geraumer Zeit dated, nach intensiver Beratung mit ihrer Online-Psychologin aus ihrer Wohnung, nur um dann eifersüchtig auf Shoshanna zu sein, bei der Ray einzieht, weil seine gemeinsame Wohnung mit Adam von diesem, der immerhin eine Unterhose trägt, und einer völlig nackten, Joghurt-essenden Jessa okkupiert wurde. 

Über Shoshanna erfahren wir noch nicht viel, die meiste Zeit der ersten Folge spielt – nun folgt etwas, das ich im Zusammenhang mit Girls eigentlich nicht für möglich gehalten hätte – in einem Surfcamp in den Hamptons. Dorthin wird Hannah von einem Magazin geschickt, um über die Absurdität von frustrierten, reichen Frauen, die den Surf-Lifestyle an sich reißen und zerstören, wie sie es vorher mit Yoga gemacht haben, zu schreiben. Klingt vielversprechend, oder? 

Kann Hannah sich ändern?

In den ersten 40 Minuten der letzten Staffel sehen wir, wie weit Hannah gekommen ist. Sie ist immer noch die wehleidige, sporthassende Person, die wir 2012 kennengelernt haben. Sie führt aber auch eine vollkommen unkomplizierte Beziehung zu ihrem Körper, den sie mehr als einmal in seiner Vollkommenheit präsentiert. Sie tanzt mehrere Minuten lang völlig schambefreit und dadurch wahnsinnig ausgelassen und schön anzusehen zu Hip Hop-Musik. Sie trinkt zu viele Cocktails, die eine blaue Zunge machen und kotzt am nächsten Morgen stilsicher aus dem Stockbett des Surflehrers, Paul-Louis.

Mit dem hat sie in der Nacht davor geschlafen und verbringt im Anschluss einen romantischen Tag mit ihm, inklusive Rumknutschen im Sand – ohne dabei nicht auch zu zeigen, wie eklig und absolut unsexy Sand zwischen den Zähnen ist. Sie hört sich spirituellen Blödsinn von ihm an, der nach einem Joint aber gar nicht mehr so dumm klingt. Sie bricht eine Lanze für all die Frauen, die nicht dank täglichen Yoga-Sessions, zu Sex-Akten im Stil des Cirque de Soleil fähig sind. Sie ist selbstsicher, aber, wie man in den kleinen, ruhigen Momenten erkennen kann, auch wahnsinnig einsam. Sie kämpft weiter mit ihren Ängsten, mit der Tatsache, dass ihr Ex-Freund und ihre beste Freundin ein Paar sind und sie vergessen zu scheinen haben, sie sucht die Liebe. Sie sagt wahnsinnig kluge und wahnsinnig überhebliche, dumme Dinge. Sie ist Hannah, sie ist ein bisschen wie wir alle, auf dem unsicheren Weg ins Erwachsenenleben. Wir freuen uns sehr auf den Rest der letzten Staffel.

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