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Ich muss hier weg! Wenn jeder Arbeitstag zum Horror wird

Irgendwann ging es nicht mehr. Unsere Community-Autorin schreibt darüber wie es sich anfühlt, wenn man von unbändiger Euphorie für den neuen Job in die Frustrationsspirale gerät – und wann sie die Reißleine gezogen hat.

 

Wenn man es nicht mehr schafft, wirklich Urlaub zu machen

Ich gönnte mir Urlaub auf dem Land. So richtig idyllisch in einem Dorf, in dem noch verfallende Backsteingutshäuser standen und das Dorf von einem Blair-Witch-Wald eingeschlossen wurde. Ich wollte meinen Kopf in der Stadt lassen. Nur hatte ich die Rechnung ohne meinen Seelenfrieden gemacht, denn den hatte ich nicht. Schon in der ersten Nacht schrien die Gedanken förmlich in meinem Kopf. Ich fühlte mich wie eine dieser besessenen Kreaturen, die man aus Horrorfilmen kennt. Ich meine diese schrägen Figuren mit verzerrten Köpfen, aus denen sich Hände strecken, um nach irgendetwas Imaginärem in der Luft zu greifen.

Ich war innerlich verdreht und fühlte mich am Ende des Tages einfach nur müde. Das Kopfkarussell hielt einige Tage an und brachte mich keinen Meter an eine Lösung heran. Es war frustrierend. Ich wollte im Dorf bleiben. Ich fand es bodenständiger, Ställe auszumisten, Pflanzen zu setzen oder die Flugrouten der Bienen zu analysieren. Die Analysen zu meinem Gemütszustand türmten den inneren Mistberg, der durch meine Arbeit entstanden ist, allerdings nur noch höher auf.

Alles fing schleichend an

Ich verließ morgens das Haus, fragte mich nur kurz, ob ich nicht etwas vergessen hätte. Kotzen zum Beispiel. Das konnte ich aber auch auf der Arbeit erledigen. Die negativen Phasen kamen im Laufe der Jahre in immer kürzeren Abständen. Es fing schleichend an. In den Besprechungen amüsierte ich mich anfangs noch über die hitzigen Diskussionen, die ich manchmal mit einer einzigen Frage zum Erliegen brachte. Eine Woche später, in der nächsten Besprechung, konnten die Themen dann nochmal neu verhandelt werden.

Ich beobachtete bei den Diskussionen oft die Reaktionen der Leitung und die der Mitarbeiter. Und manchmal war ich schockiert von der Sturheit und dem unnötigen Auf-etwas-Beharren, weil es entweder schon immer so funktionierte oder aber dem Gegenüber die Neuerung nicht sinnhaft genug erschien. Ich redete mir ein, dass nicht jede Woche gleich gut oder gleich motivierend verläuft und jeder von uns seine Befindlichkeiten über den Tag mitschleppte.

Ich entwickelte Strategien gegen den Frust

Im Laufe der Monate wurde ich ruhiger. Ich beließ es nicht nur beim Beobachten, sondern überlegte mir Strategien, die mir halfen, Besprechungen und meine Arbeitstage gegenüber dem sich stetig ansteigenden Frustberg überlebbar zu machen. Ich feilte beispielsweise gedanklich minutenlang an Formulierungen, bevor ich Themen ansprach, nur um die angespannte Stimmung nicht zum Eskalieren zu bringen.

Ich igelte mich in meinem Büro ein. Aufgaben, die Absprachen verlangten, holte ich meist per Mail ein, alle anderen Aufgaben erledigte ich routiniert und professionell. Die Routine hielt mich aufrecht am Schreibtisch, gab mir Struktur. Ich zog immer öfter mein Ding durch. So umschiffte ich viele Missverständnisse, Rechtfertigungsschleifen und merkwürdige Blicke. Ich vertraute mir selbst am meisten bei dem, was ich machte. Es wird schon klappen und es klappte auch immer. Alleingänge beflügelten den Teamgeist nicht wirklich, aber das war mir in diesen Momenten oft egal.

Wenn schlechte Führung die Motivation killt

Nach einiger Zeit schlug ich für unser Team eine Mediation vor. Könnte helfen, dachte ich. Doch der Frust stapelte sich gen Stratosphäre. Zum einen, weil die Leitung nichts von Mediation hielt, zum anderen, weil Mitarbeitergespräche keine Mitarbeitergespräche waren. Sie waren Monologe darüber, welche tonnenschweren Lasten auf den Schultern der Leitung lägen, wegen der Verantwortung in allen Bereichen und dem Leben ohnehin und überhaupt sei alles eine Qual und man vermisse die Motivation. Bitte wie? Wer sollte hier wen motivieren?

Auf die märtyrerhafte Opferrolle hatte ich in diesem Theater mal so gar keinen Bock. Vorhang fällt, Abgang. Ich übte mich in Verschwiegenheit und in passiv-aggressivem Verhalten. Ich wurde sehr gut darin, Themen einfach nicht mehr anzusprechen. Ich nahm mir Freiheiten raus, auch auf die Gefahr hin, dass sie mir irgendwann auf die Füße fallen würden. Es war nur eine verzweifelte Taktik, die mir so gar nichts brachte, außer noch mehr Frust. Sie war nur eine Art Hoffnung darauf, dass mir durch die indirekte Provokation irgendjemand eine Entscheidung abnehmen würde.

Ist die Kacke noch nicht genug am dampfen?

Wenn mir Freunde von ihrem Nerv und Nöhl auf Arbeit berichteten und ich hörte, wie sie sich in Ausreden verrannten, fragte ich immer nur, wieviel sich der/diejenige noch zumuten wollte. Ich lieferte dann den Spruch, dass die Kacke noch nicht genug am Dampfen sei, um nach Alternativen zu schauen.
Und ich verharrte selbst ewig in diesem Zustand. Ich musste mir erst einmal von den Energievampiren sämtliche Kanäle aussaugen lassen. Ich musste mich erst einmal über mich selbst wundern, wenn ich an freien Tagen im Bett blieb wie fest getackert und nicht mal ansatzweise wusste, ob ich nachmittags Lust auf Kaffee und Kuchen mit meinen Mädels haben würde. Dabei ging Kaffee eigentlich immer.

Wenn sich der vierte Gang tagsüber permanent wie der erste Gang mit angezogener Handbremse anfühlte und trotz Sonne, der Tag verhagelt blieb, dann muss dringend ein neues Leben her. Mein Kopf- und Körper-Work-out bestand darin, an den kommenden Arbeitstag zu denken. Aber eigentlich war das Training umsonst. Nach zehn Minuten am Schreibtisch waren der ausgearbeitete Tagesplan obsolet und ich satt. Ich war satt im wahrsten Sinne des Wortes, denn egal ob in der Schule, Ausbildung oder im Studium, ich verlor schon von den Gedanken, was noch auf der To-Do-Liste stand, Gewicht. Appetitlosigkeit gab es gratis und nach ein paar Monaten sah ich Figur technisch immer Knaller aus. Augenringe und die aschfahle Zombiehaut verrieten natürlich, wie ich mich innerlich fühlte. Nämlich leer, Kopf leer, Bauch leer.

Ich rannte mit voller Wucht gegen die Wand

Sicher stellte ich mir Fragen dazu, wie es soweit kommen konnte. Wo ist denn nur mein Problem? Steuere ich auf eine ausgewachsene Überarbeitung zu? Gibt es Alternativen? Mit wem kann ich reden? Verrannte ich mich nicht irgendwie oder hab ich zu hohe Ansprüche? Mit Euphorie und hoch motiviert stürzte ich von einem Projekt ins nächste, lernte, was verbesserungsfähig ist, welche Optimierungen möglich waren, um noch effektiver zu arbeiten. In dem was ich tat, war ich super gut. Aber von dem, was mir die Leitung etwa nicht bot, kriegte ich das Heulen. Aus der Menge von kleinen Scheißehaufen, entwickelte sich eine Wand, gegen die ich rannte. Es stank mir gewaltig.

Und eines Morgens agierte ich aus einem Impuls heraus. Einfach so. Bevor ich neue Horrorszenarien entwerfen konnte, vielleicht wegen Körperverletzung im Affekt angezeigt oder wegen Verleumdung angeklagt werden würde, erkundigte ich mich bei entsprechenden Stellen nach Alternativen und am Abend war die Welt eine völlig andere. Innerhalb von wenigen Minuten hatte ich meine Gesundheit, mein Sonnenscheingemüt und mein Leben wieder.

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