Ist alleine Reisen der neue heiße Scheiß in der Reisewelt oder gilt nicht doch eher: geteilte Freude ist doppelte Freude? Jana Zieseniß schreibt in ihrer Reisekolumne über die Freuden und Leiden des Soloreisens.
Reist es sich ohne Begleitung besser?
Alleine Reisen – was früher eher ein No-Go war, wird heute in der Reisewelt im Netz als heiliger Gral verkauft. „Nur wer alleine reist, reist wirklich“, heißt es da, „10 Gründe warum man unbedingt alleine reisen sollte“ werden geliefert oder Tipps gegeben, wie man als Frau auch alleine ohne Angst die Welt erkunden kann. Und auch was meine Leserpost angeht, ist eine der meistgestellten Fragen:
„Sag mal, bist du eigentlich (immer) alleine unterwegs?“
Just me, myself and I?
Lange hatte auch ich so einen Artikel in meinem Entwurfsordner, denn grundsätzlich finde ich diesen Trend sehr erstrebenswert und nach zahlreichen Soloreisen habe ich durchaus die Vorteile dieser Reiseart kennenlernen dürfen.
Aber eben auch die Nachteile. Denn ja, natürlich gibt es welche, auch wenn die sehr gerne verschwiegen oder mit schlagkräftigen Argumenten heruntergespielt werden. Denn schließlich ist es ja so wie mit fast allem: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch jede Menge schöner Grautöne. Eben auch beim alleine-Reisen.
Besser alleine als gar nicht!
Vielleicht eins vorweg: Du planst eine Reise/Weltreise/Was-auch-immer und niemand kann oder möchte mit? Dann geh alleine!
Du solltest dein Glück und deine Träume niemals von jemand anderem abhängig machen.
Und das ist auch genau der Grund, warum ich die Bewegung grundsätzlich so
toll und unterstützenswert finde. Weil es eben den Unsicheren genau die Argumente liefert, die sie brauchen, um endlich auf den „Buchen“-Knopf zu drücken und zwar unabhängig davon, ob die beste Freundin nun mitkommt oder es mit ihrem Freund jetzt doch etwas Ernstes wird und sie nun doch nicht mehr mit will.
Vor allem deshalb, weil du als Alleinreisende – vielleicht mal abgesehen von dem All-Inclusive-Resort in der Türkei oder dem Honeymoon-Retreat auf Bali – nicht lange alleine bleiben wirst (wenn du es nicht willst).
Ob man das dann allerdings als Soloreisen bezeichnen kann, steht wiederum auf einem anderen Blatt.
Daneben kannst du als Alleinreisender noch weitere Vorzüge genießen:
– Du kannst den ganzen Tag nur das machen, worauf du Lust hast
– Du lernst Leute aus aller Welt kennen
– Du hast in der Regel mehr Zeit, weil du dich nur um dich kümmern musst
– Du hast Zeit, dich endlich mal mit dir selbst zu beschäftigen und was du im Leben wirklich willst
– Du kannst manche Momente intensiver erleben, weil du dich ganz auf die Reise und das Erleben konzentrieren kannst
– Und du machst deshalb auch in der Regel bessere Fotos, weil du eben mehr Zeit hast, dich auf deine Umgebung zu konzentrieren.
Und so habe ich auf meinen Soloreisen schon so wundervolle, intensive Momente erlebt, meine besten Fotos geschossen und tolle Menschen aus aller Welt kennengelernt.
Und doch vermisse ich trotz meines Blogs, auf dem ich all meine schönsten Momente mit der Welt teilen kann, dieses Gefühl, wenn man nach einer Reise sagen kann:
„Weißt du noch? Man, war das schön!“
Geteilte Freude ist doppelte Freunde
Das gilt für mich im Alltag wie auf Reisen. Ich jedenfalls für meinen Teil bin nicht für das Alleinesein gemacht, auch wenn ich es durchaus sehr genießen kann, mal ein paar Tage ganz für mich zu sein.
Dann spätestens nervt mich…
– die ständige Einsamkeit. Ich rede nun mal einfach gerne.
– das Alleine-Essen. Seien wir mal ehrlich: Gibt es etwas Nervigeres, als alleine im Restaurant zu sitzen? Ich hab das nun schon zig Male hinter mir und so richtig genießen kann ich es immer noch nicht. Essen ist für mich einfach eine gesellige Angelegenheit.
– dass nicht nur geteilte Freude doppelte Freude ist, sondern auch geteiltes Leid halbes Leid. Erlebt man unterwegs etwas Schlimmes, hat man jemanden, um die Situation zu lösen und später zu verarbeiten.
– dass geteilte Zimmer einfach mal halb so teuer sind und die Einzelzimmer, wenn es denn mal welche gibt, meist die hässlichsten im ganzen Haus.
Das alles setzt aber natürlich voraus, dass es einen Menschen gibt, mit dem man problemlos viel Zeit verbringen kann, mit dem man Interessen teilt (und zwar mehr als nur die des Reisens) und auf den man sich verlassen kann. Denn ich denke, es versteht sich von selbst, dass auch Folgendes gilt:
Besser alleine als mit irgendjemandem
Und ob eine Freundschaft wirklich eine gute ist, merkt man oft erst, wenn man mal gemeinsam auf Reisen gegangen ist. Das ist nämlich ein bisschen so wie mit den WGs: nicht selten ist eine Freundschaft daran zerbrochen. Vielleicht hier noch der Tipp: Bevor du mit jemandem auf eine längere Reise aufbrichst: Probiert es erst einmal mit einem gemeinsamen Kurztrip. Man merkt eigentlich ganz schnell, ob man auf gemeinsamen Reisen harmoniert.
Und so fällt mein Fazit genauso ambivalent aus wie dieser Artikel:
Kann ich das Alleinreisen empfehlen? Ja.
Ist es der heilige Gral? Nein, jedenfalls für mich nicht!
Dieser Artikel erschien zuerst auf Sonne & Wolken, dem Reiseblog von Jana Zieseniß. Wir freuen uns, dass sie einmal im Monat ihre Kolumne rund ums Reisen bei uns veröffentlicht.
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