Marlene Sørensen bloggt seit Jahren über Mode. Nun hat sie erstes Buch veröffentlicht, in dem sie den Stil toller Frauen porträtiert und zeigt, was man sich von ihnen abschauen kann, um den eigenen Stil zu perfektionieren.
Mode als wichtiges Kommunikationsmittel
Marlene arbeitete als Redakteurin bei Amica und Vanity Fair, heute schreibt sie als freie Autorin für Magazine wie Harper´s Bazaar, Glamour, myself und das Zeit Magazin über Mode. Auf ihrem Blog spruced geht es um Stil und Dinge, die das Leben schöner machen – und manchmal auch um ihren kleinen Sohn Arlo. Wir veröffentlichen einen Auszug aus ihrem gerade erschienen Buch:
Der Bleistiftrock – oder die Frage, für wen man sich eigentlich anzieht
Um diesen Text zu schreiben, trage ich genau genommen das Falsche, nämlich eine Jogginghose. Gegen die Jogginghose ist nichts einzuwenden. Sie ist bequem, in der Bauchregion nachgiebig, was vorteilhaft ist, da ich beim Schreiben konstant esse, und ich kann mich in ihr gemütlich mit meinem Laptop aufs Sofa brezeln. In einem Bleistiftrock ginge das nicht. Trotzdem, oder gerade deshalb, träume ich manchmal davon, nicht zuhause, sondern in einem Büro zu arbeiten, um von neun bis fünf einen pencil skirt zu tragen.
Ich behaupte immer, dass ich mich für mich selbst anziehe. Das klingt stilsicher, selbstbewusst und nach der richtigen Überzeugung für eine Frau im 21. Jahrhundert. Falls das wahr ist und man Mode als wichtiges Kommunikationsmittel versteht, muss ich mich an Tagen wie heute fragen, was ich mir eigentlich sagen will. Das Ensemble aus ausgebeulter Jogginghose, einem T-Shirt, das mal weiß war, und einem Cardigan von meinem Mann macht mich gerade etwas sprachlos.
Für den Mann habe ich dieses Outfit sicher auch nicht angezogen. Ich kleide mich allerdings auch sonst eher selten für ihn. Es ist schön, wenn er mag, was ich anhabe. Doch seine Meinung zur objektiven Scheußlichkeit von Dingen hat mich noch nie davon abgehalten, etwas zu kaufen. Spontan fällt mir zu Kleidung, die ich nicht für meinen Mann trage, ein: Birkenstocks, Haremshosen, Schluppenblusen.
Feinmachen ist eine Sache des Respekts
Für wen ziehe ich mich dann an? Meinem Sohn ist bloß wichtig, dass Mama in der Handtasche genug Platz für seine Lieblingskekse hat. Wenn meine eigene Mama zu Besuch kommt, tue ich ihr, und mir, manchmal den Gefallen, etwas Geschmacksneutrales anzuziehen. Ich finde, wir haben Wichtigeres zu bereden als wie viele Löcher bei einer Jeans zu viele sind. Für die Kollegen? Die habe ich nicht mehr, seit ich zuhause arbeite. Wenn ich allerdings mit einer modischen Freundin zum Mittagessen verabredet bin, mache ich mir den Spaß und ziehe Schuhe an, die sie sofort als „Céline, Saison FW 2012/13“ erkennt. Dann kauen wir eine Stunde lang durch, was gerade auf den Schauen/in den Stilblogs/bei Instagram los ist und sind gesättigt.
Bei einer dieser Freundinnen war ich neulich abends zum Essen in reiner Frauenrunde eingeladen. Ich finde, wenn jemand einen einlädt, bekocht und mit Wein versorgt, sollte man das mindestens damit anerkennen, dass man sich für ihn feinmacht. Es ist eine Frage von Respekt. Also kramte ich die High Heels raus und zog ein Seidenkleid an. „Das Kleid!“, rief die Freundin, als sie mir die Tür aufmachte. „Ich weiß!“, rief ich zurück und freute mich noch mal mehr, dass ich mich schick gemacht hatte. Für sie, aber vor allem: für mich.
Karl Lagerfeld hat mal gesagt: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Diese Ausschließlichkeit hat er sich mit über 80 Jahren verdient. Mir gefällt trotzdem besser, wie es die Schriftstellerin Amy Fusselman in einem Essay über ihre pragmatische Mama-Uniform ausgedrückt hat: „Ich muss mich wieder zurechtmachen – weil dem Zurechtmachen selbst eine Schönheit innewohnt.“
Ich glaube sogar, dass Anziehen ein Akt der Selbstliebe ist. Wer sich schön kleidet, signalisiert sich selbst gegenüber Wertschätzung. Er redet sich sozusagen gut zu. Außerdem macht es schlicht Laune, in ein fabelhaftes Kleid zu schlüpfen. Und das bemerken dann auch andere. Man kennt es von sich selbst und der Freude, die man an der Gesellschaft gut gekleideter Menschen hat. Doch das Gefühl, was einem ein perfekt hochgeschlagener Hemdkragen gibt, eine weich fallende Seidenhose, der Auftritt in den derbsten Doc Martens, muss man nicht mit anderen teilen, um es zu genießen. Es stimmt also doch, wenn ich sage: Ich ziehe mich für mich an.
Genial dank Bleistiftrock?
Auch an Tagen, an denen ich mir nicht gefalle. Tage, an denen ich verpenne, keine Zeit habe, mir ein Outfit zu überlegen und es überhaupt Wichtigeres zu tun gibt, als darüber nachzudenken, ob ich mich nur wegen der Jogginghose so träge und uninspiriert fühle. In einem Bleistiftrock, stelle ich mir vor, würde ich jetzt mit überschlagenen Beinen an einem Schreibtisch mit Marmorplatte sitzen, den ganzen Tag extrem bedeutende Sätze formulieren und überhaupt genial sein. Sich so anzuziehen, als hätte man alles im Griff, hilft dabei, alles im Griff zu haben. Sollte dieser Text also nicht großartig geworden sein, weiß ich, woran es liegt.
Aus: Marlene Sørensen: Stilvoll. Inspiration von Frauen, die Mode lieben. Callwey Verlag, September 2016, 176 Seiten, 29,95 Euro.
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