Ist die Sharing Economy tatsächlich ein neuer Zweig der Wirtschaft, der mehr als nur kapitalistisch getrieben ist? Oder war das am Ende nur eine romantische Idee?
Die neue Gemeinsamkeit?
„Teilen ist das neue Besitzen“ lautet das Credo der Sharing Economy, auch weQ-Community genannt. Mit ihr erreicht die digitale Revolution eine neue Stufe: Das Internet der Dinge vernetzt alles miteinander – Smartphones, Häuser, Maschinen und Menschen.
Das verändert die Gesetze des Wirtschaftens – und die Paradigmen unseres Handelns. Bestsellerautor Jeremy Rifkin prophezeit gar den Umstieg von Eigentum auf Zugang und das baldige Ableben der alten, kapitalistischen Idee samt seiner Wirtschaftsordnung, die monetären Profit und Handelsmargen als zentrale Kategorien definiert.
Paradigmenwechsel? Der Umstieg von Eigentum auf Zugang
Coworking-Spaces, Schwarmfinanzierung, Co-Creation, Community, Car-Sharing, Open Innovation: In einer vormals an Konkurrenz und Hierarchie orientierten Kultur entfalten sich seit einiger Zeit ganz neue Werte und Herangehensweisen. In der Wirtschaft als auch in der gesellschaftlichen Realität gilt: Sharing ist hip und erwirtschaftet Gewinne.
WeQ beschreibt dabei die weQuality, also die Wir-Qualitäten und damit den Trend zur Einbeziehung der Intelligenz und komplementären Fähigkeiten von vielen Menschen in Prozesse und Entscheidungen. Und Sharing ist das aktive Teilen, das diesem Trend folgt.
Gleichzeitig stellen sich einige sehr populäre Phänomene der Sharing-Bewegung gerade dem gesellschaftlichen Lackmus-Test. Dabei werden sie zum ersten Mal eher kontrovers diskutiert. Schaden muss das nicht.
Sharing Economy: Leihen ja, Verleihen nein.
Mit der Einstellung der App „Why own it“ war beispielsweise für viele klar: Die Sharing Economy funktioniert nicht. Mithilfe der App sollten sich die Menschen all das gegenseitig leihen, was sie sonst kaufen würden – so der Plan. Er ging nicht auf. Denn die Deutschen wollten sich zwar gerne vieles leihen, das Verleihen schien aber deutlich schwieriger. So kam der Warenfluss nicht in Gang.
Es geht wieder ums Geld
Nun stellt das Scheitern einer App sicher nicht den Untergang der globalen Sharing Economy dar – dennoch: Von ihrer ursprünglichen Idee ist nicht mehr viel übrig. Entstanden aus dem bewussten Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und weniger hohlem Konsum, hat sich ein großer Wirtschaftszweig entwickelt.
Portale wie Drive Now, der Übernachtungsanbieter Airbnb oder der Fahrdienst Uber basieren nicht (nur) auf der Idee des Teilens. Zimmer und Wohnungen werden nicht vermietet, weil sie leer stehen, sondern weil man damit das Zigfache seiner Miete verdienen kann. Ein Auto wird zum Privattaxi, weil man damit ohne Taxilizenz schnell und einfach Geld machen kann. Portale, die keinen wirtschaftlichen Vorteil bringen, verschwinden schnell wieder vom Markt.
Schwarmintelligenz: Nur eine Illusion?
Sharing als moderne, effiziente Form der Volkswirtschaft, bringt eine komplett neue Kategorie in die Wirtschaft und diese basiert auf dem Einverständnis mehrerer Einzelpersonen, die ihre Interessen bündeln. Aber basiert sie auch auf der Intelligenz der Vielen?
Der Publizist Gunter Dueck blickt in die Unternehmen und fragt in seinem neuen Buch „Schwarmdumm“, warum Menschen als Einzelne klug seien, aber in der Gemeinschaft dümmer würden. Er sieht die klassischen Teams in der Wirtschaft als Hochburg der ineffizienten und unkreativen Arbeit.
Und Bernd Ulrich schreibt jüngst in der Zeit über Öffentlichkeit und Medien: „Heute ähnelt die Struktur der Öffentlichkeit jener Welt, über die sie berichtet: Sie ist multipolar, anarchistisch, chaotisch, manchmal irre. Das Internet hat den alten, erkennbar verunsicherten und zugleich oft ins Gestrige versteiften Medien eine neue Schwarmintelligenz hinzugefügt, die jederzeit aber auch als Herdenblödigkeit auftreten kann.“
Schwarmintelligenz versus Herdenblödheit
Als Beraterin im Management kann ich diese Gedanken zu Wirtschaft, Medien und Gesellschaft nachvollziehen – und sehe viel kollektive „Schwarmblödheit“.
Der ehemalige IBM Cheftechnologe Dueck kommt zu dem Schluss,dass die vielzitierte Schwarmintelligenz, auf der auch das Sharing basiert, nur im Internet funktioniert.
Hier arbeiten wechselnde, sich situativ findende Leute mit Enthusiasmus an einer Sache – und danach gehen sie wieder ihrer Wege.
Im Gegensatz dazu treffen in der Unternehmensrealität nicht für jede spezielle Herausforderung die motiviertesten Experten aufeinander, sondern es geht nach dem Motto: neues Problem, alte Abteilung, eigene Agenden, die selben Zusammensetzungen, die selbe Expertise (oder nicht), Stress.
Sind Menschen nicht für eine Sharing Economy geschaffen?
Fakt ist, dass Individualität immer dann zur Entfaltung kommt, wenn unterschiedliche Menschen ihre verschiedenartigen Erfahrungen, ihr jeweiliges Wissen und Können freiwillig innerhalb von Gemeinschaften teilen und zu einer gemeinsamen Kraft zusammenführen – weil sie es wollen und an einem gemeinsamen Ziel im Sinne von weQ arbeiten.
In der IQ-fokussierten Gesellschaft und Wirtschaft, die Einzelleistung fordert und belohnt, ist dieser weQ-Sinn allerdings seit sehr langer Zeit in den Hintergrund geraten.
Wie kann man die alte Kultur der menschlichen und ökologischen Ressourcenausnutzung durch eine innovative Kultur der Potentialentfaltung ersetzen?
Wie kann eine grundlegende Veränderung unserer bisherigenHaltungen, Überzeugungen und inneren Vorstellungen – unseres Mindsets – gelingen?
Wie es anders gehen könnte, hat schon Albert Schweitzer auf den Punkt gebracht:
„Das Heil der Welt liegt nicht in neuen Maßnahmen, sondern in einer anderen Gesinnung.“
IQ ist nicht schlecht oder falsch, nur ist weQ schlicht sehr viel mehr als IQ. Eine IQ-orientierte Gesellschaft, Wirtschaft und Bildung basiert auf einem deutlich kleineren Spektrum an Haltungen und Qualitäten.
WeQ als Erweiterung des Handlungsspektrums
In Zukunft ist schnelles Lernen (überlebens-)wichtig für die Gesellschaft, für Unternehmen und für wache Menschen. Für die Zukunft der Führung, des Managements und des Lernens im digitalen Zeitalter gelten folgende Leitlinien:
• Geisteshaltung vor Fähigkeiten
• Fokus auf das, was funktioniert
• Die Prioritäten müssen sich verändern
Insofern kann man sagen, dass die Geisteshaltung mit den Möglichkeiten der Technologie noch nicht Schritt hält.
Der Trend weQ steht im Zusammenhang mit Konsum und Konsumverhalten im Kreuzfeuer – was die Werte für das digitale Zeitalter betrifft, wird weQ allerdings zum bestimmenden Parameter.
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