Foto: Instagram | allisebastianwolf

Trend-Watch 2017: Muschis, Vaginen, Klitoris

Die schönsten und schrägsten Interpretationen von Penissen begegnen uns im Alltag oft. Doch Vaginen? Fehlanzeige. Zeit für eine kleine Revolution!

 

Vagina, Scheide oder lieber Muschi?

Die witzigsten und verstörendsten Illustrationen von Penissen sind uns schon in der Schulzeit auf Tafeln, Heften und Wänden entgegengekommen. Heute können wir die künstlerischen Auswüchse der ehemaligen Klassenclowns an Toilettenwänden und in Form von Graffitis bewundern. Und auch das „Penis-Spiel“ kann sich einiger Beliebtheit rühmen: Auf Klassenfahrten, im Freibad oder beim nächtlichen Streunen durch die Stadt sagt ein Teenager nach dem anderen „Penis“ – und zwar immer etwas lauter als der Vorgänger (Harrharr …). Kurz: Penisse haben seit Generationen einen, wenn auch manchmal fragwürdigen, Kultstatus. Und Vaginen?

Um weibliche Geschlechtsteile wurde bislang weitesgehend geschwiegen. Bis vor nicht allzu langer Zeit fiel es sogar mir schwer, sie zu benennen. Allein schon die Entscheidung für ein Wort: „Vagina“, „Scheide“, „Muschi“ oder doch „Schneckchen“? Und: was wissen wir überhaupt über „da unten“? Ich erinnere mich noch gut an den Gesichtsausdruck von Charlotte in Sex and the City als sie zugibt, ihre Vagina noch nie von nahem gesehen zu haben und Samantha erwidert: 

„Schätzchen, ich schlage vor du gehst sofort nach Hause und holst das nach oder du leihst dir meine Puderdose und machst einen kleinen Abstecher in den Waschraum.“ 

Das Problem: Charlotte denkt, ihre Vagina sei hässlich. Das Bedrückende ist, diese Distanz zum eigenen Geschlecht ist nicht ungewöhnlich. Es ist nicht nur so, dass Zeichnungen oder die Erwähnung ein schelmisches Grinsen und ein kleines Erröten hervorrufen, wie Penisse es tun – sie werden nämlich meistens gar nicht erwähnt, gezeichnet oder eben in Spiele eingebunden. Viele wissen nicht mal, wie sie sie zeichnen würden, wenn eine Toilettentüre danach fragte. Doch das ändert sich.

Ein guter Schritt für die öffentliche Etablierung des Wortes „Scheide“ war das Lied der Neo-Magazin-Royale-Mitarbeiterin Giulia Becker mit dem Titel „Ich habe eine Scheide“. Und damit nicht genug: zunehmend mehr Künstlerinnen nehmen sich der öffentlichen Aufmerksamkeit des weiblichen Lustzentrums an. So etwa die „Glitoris“. Und nein, die hier liegt kein Tippfehler vor.

Feministisch, Politisch und gleichzeitig eine Zelebration

Alli Sebastian Wolf ist eine Künstlerin aus Sydney. Ihr aktuelles Kunstwerk ist ein Modell einer Klitoris am Maßstab 100:1. Sie ist komplett in gold angemalt und mit Glitzer sowie pailettenbesetzten „Nerven“ verziert. Das Kunstwerk ist entstanden, um Menschen über einen Teil des Körpers aufzuklären, der noch immer viel missverstanden wird, so die Künstlerin. Sie bezeichnet ihr Werk als feministisch, politisch und gleichzeitig ein einziges Fest. Ausgestellt wird das Kunstwerk im Artspace The Bearded Tit ( zu deutsch: Die bärtige Brust) in Sydney. 

Zur Ausstellung gehört außerdem eine Performance der „Clitorati“, die Wolf als die „mit Juwelen beschmückten Priesterinnen der Klitoris“ bezeichnet.

„Es ist ein höllisch verspielter Spaß. Doch unter der Oberfläche ist es so viel mehr. Es ist eine glorreiche, an ein Raumschiff erinnernde Kreatur mit 8.000 Nerven, die in Momenten zur dreifachen Größe anschwellen kann.“

Es ist der Traum der Künstlerin, dass eines Tages so viele ,Clits’ an Toilettentüren geschmiert werden, wie Penisse. Denn die Welt würde ein glücklicherer, gesünderer Ort sein, wenn diese Form so bekannt sei wie „old John Thomas“ – aka der Penis. Und nicht nur ihr Kunstwerk, auch der einmalige Schmuck von Emily Fitzgerald wirft ein neues, glänzendes Licht auf die Weiblichkeit:

@mullum_moonflower

Diese wunderbaren Ketten haben das geschafft, was Kim Kardashian verzweifelt versucht: „they broke the internet“ oder, besser gesagt, Etsy. Denn als Emily ihre „Yoni“-Ketten in  in ihrem Shop „Mullum Moonflower“ online stellte, war die Plattform überlastet und die Ketten innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Zu recht: die Kollektion beinhaltet alle möglichen Vaginen, von der glitzernden über die regenbogenfarbige zu realistischen und künstlerischen Interpretationen. Manche haben eine kleine Perle, die die Klitoris versinnbildlichen soll und manche haben Augen oder einen Spiegel in der Vagina. Ihre Yonis, das ist der Name für die Vagina in Sanskrit, waren zunächst gar nicht zum Verkauf gedacht. Sie postete nach längerer Überlegung ein Bild von ihnen auf Instagram und die Reaktionen waren fantastisch. In der Bildunterschrift schreibt sie, dass ihre Tochter das super peinlich fand und sie gerade deshalb allen Mädchen und Frauen zeigen wollte: 

„Yonis sind fantastisch!”

 Und das ist auch das Tolle an Emily’s Kunst: Dass alle Vaginen verschiedene Formen, Farben und Größen haben ist nicht nur Kunst, es ist auch realistisch. Zwar sind sie normalerweise nicht regenbogenfarben, mit Augen oder mit Glitzer versehen – schade eigentlich – aber sie sind tatsächlich alle einzigartig. Es ist wichtig zu lehren, dass sie in allen Formen und Größen existieren und wichtiger noch, dass sie alle normal und wunderschön sind. Vor allem in einer Welt in der uns stetig vorgehalten wird, wie unsere Körper auszusehen haben!

Noch sind die Vaginen ausverkauft, doch, wie die TeenVogue es so schön formulierte, solltet ihr mal in ihren Store schauen und „ (consensually) grab yourself a yoni.“

Damit Frauen in Zukunft nicht mehr denken, ihre Weiblichkeit sei in irgendeiner Form hässlich – in Charlottes Fall führt das nämlich zu einer depressiven Vagina.


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