Die umstrittenste familienpolitische Maßnahme der Bundesregierung ist Geschichte: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat heute verkündet, dass das Betreuungsgeld nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Das Geld muss in die Kitas
Dass Eltern ihr Kleinkind Zuhause betreuen anstatt in einer Kindertageseinrichtung, wird künftig nicht mehr mit Geld belohnt. Die Bundesrichter in Karlsruhe haben einstimmig beschlossen, dass dem Bund die Kompetenz für das Gesetz fehlte. Ein bundesweites Betreuungsgeld hat nun keine Zukunft mehr. Die Geldleistung, die Eltern bisher beantragen können, wenn sie ein Kleinkind zwischen dem 15. und 36. Lebensmonat privat betreuen, wurde erst vor knapp einem Jahr von 100 Euro monatlich auf 150 Euro erhöht. Schon 2014 kommentierten wir: Das Betreuungsgeld ist falsch.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben Eltern für über 450.000 Kinder Betreuungsgeld bezogen. 2014 wurde es nur knapp 150.000 Mal beantragt. Die Mittel, die dafür bereitgestellt werden müssen, fehlen an anderer Stelle. Das war einer der Hauptkritikpunkte von Gegnern des Betreuungsgeldes. Denn die aktuelle Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat ein klares Ziel: Den Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben. Sie will sowohl die Anzahl der Plätze erhöhen als auch die Qualität der Betreuung verbessern. Das muss sie auch. Seit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr, können Eltern klagen, wenn sie keinen Platz in einer Kita finden.
Familienpolitik widerspricht sich
Eine kleine Stichprobe in jedem Freundeskreis reicht aus, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, an welchem Punkt der Kitaausbau steht: Für viele gleicht die Suche nach einem passenden Betreuungsplatz einer Odyssee, die bizarre Formen annimmt, wie Bewerbungen für einen kleinen Mensch zu schreiben, der gerade erst krabbelt, Aufnahmegebühren für Kita-Vereine zu zahlen, ohne dass ein Platz garantiert ist, oder besser erst einmal einen Halbtagsplatz anzunehmen, als gar keinen. Und während die Betreuungsplätze nach wie vor fehlen, werden Frauen vor der „Teilzeitfalle“ gewarnt. Die Familienpolitik kann eben eines besonders gut: Widersprüche.
Das Betreuungsgeld war so ein widersprüchliches Signal: 150 Euro als „Belohnung“ dafür, dass man einen der raren Plätze einer anderen Familie überlässt. Ein Blick in die Statistik, wer das Betreuungsgeld in Anspruch nimmt, bestätigt zudem das, was immer befürchtet wurde: Zu über 90 Prozent wird das Geld von Frauen bezogen, die ihre Kinder betreuen und auf eine Erwerbsarbeit verzichten. Zudem wird es vor allem in den alten Bundesländern bezogen, in den neuen kaum. Damit stärkt das Betreuungsgeld traditionelle Familienmuster, nicht aber Gleichberechtigung und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Aber genau das ist es, was junge Eltern in Deutschland sich wünschen. Eine Anfang Juli veröffentlichte Allensbach-Studie zur Partnerschaftlichkeit in Familien hat klar bestätigt, dass vor allem Frauen ihre beruflichen Wünsche nicht realisieren können: Sie wollen arbeiten oder mehr arbeiten, doch ihr Wunsch scheitert an verschiedenen Rahmenbedingungen. Nur 15 Prozent der Mütter steigen nach der Geburt ihres Kindes wieder Vollzeit in den Beruf ein. Das Betreuungsangebot ist dabei immer eine Komponente. Für Mütter jedoch, die gern in einem Beruf arbeiten würden, aber weder Stelle noch Kita finden, die das ermöglichen, sind 150 Euro im Monat eher Hohn als Anerkennung. Auch für die Altersvorsorge tut das Betreuungsgeld nichts.
Ramona Pisal, Präsidentin des Juristinnenbunds, kommentiert zur Bedeutung der Entscheidung: „Es ist gleichstellungspolitisch ein Rückschritt, wenn der Staat eine Geldleistung an die Nichtnutzung öffentlicher Kinderbetreuungsinfrastruktur knüpft. Gerade aus Frauensicht ist es die öffentliche Kinderbetreuung, die eine Erwerbstätigkeit oder den Abschluss einer Ausbildung erst ermöglicht.“
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht nicht anhand der gesellschaftlichen Implikationen entschieden, sondern weil dem Bund die Gesetzgebungskompetenz dafür fehlte, sein Ende hat aber nun hoffentlich positive Auswirkungen für Familien in Deutschland. Ideen, was mit den freiwerdenden Mitteln gemacht werden könnte, gibt es genug.
Familien, die sich das Alleinernähermodell leisten können und für ihre Kinder keine Kita brauchen, fehlt es mit Sicherheit nicht an Geld. Das hingegen fehlt häufig Alleinenerziehenden oder den zu niedrig bezahlten Erzieherinnen und Erziehern.
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