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Endlich wieder gutes Fernsehen! Warum der Dreiteiler „Ku’damm 56“ einfach großartig ist

Der ZDF-Dreiteiler „Ku’damm 56“ überzeugt mit vielfältigen historischen Bezügen, erstklassigen schauspielerischen Leistungen und gesellschaftlich relevanten Themen, die die deutsche Fernsehlandschaft bereichern und eine Diskussion über neue Sendeformate anregen könnten. Kurz: Er ist sehr sehenswert!

 

Für so eine Serie zahle selbst ich als Studentin gerne die GEZ-Gebühren

Aufmerksam wurde ich auf den ZDF-Dreiteiler

Ku’damm 56durch ein längeres Feature in
der ZEIT, das sehr ausführlich den Entstehungs- und Produktionsprozess
dokumentiert und vor allem die Drehbuchautorin Annette Hess begleitet. Ihre
Idee, eine junge Frau in der BRD der fünfziger Jahre im Serienformat eine Art
Coming of Age-Geschichte erleben zu lassen, wobei Themen wie weibliche
Emanzipation, Selbstbestimmung, Sex usw. verhandelt werden, ließ mich
aufhorchen.

Da ich zu den fleißigen GEZ-Zahler*innen gehöre, obwohl ich
Studentin bin (aber kein Bafög bekomme und deshalb zahlen muss – danke dafür
übrigens), verfolge ich beflissen die Regungen der Öffentlich Rechtlichen, um
zu beobachten, was mit dem vielen Geld denn so alles fabriziert wird. Nachdem
die drei eineinhalbstündigen Filme in der letzten Woche schließlich im
Fernsehen liefen (und noch in der Mediathek abrufbar sind), kann ich in Bezug auf Ku’damm 56 nur sagen: bitte, bitte,
bitte mehr davon!

Doch was hat mich so überzeugt?
(Achtung – Spoiler!)

Der Plot

Wir begleiten vor allem Monika Schöllack, die besagte junge
Frau, auf ihrem Weg in ein halbwegs selbstbestimmtes Leben. Wir sehen, wie sie
von der Hauswirtschaftsschule verwiesen wird – wegen sittenwidrigen Verhaltens. Wir sehen ihre eiskalte, glatte,
stets aufrechte Mutter, Caterina, die die Tanzschule

Galant“ in Westberlin leitet und verbissen versucht alle ihre drei
Töchter zügig, aber trotzdem standesgemäß unter die Haube zu bringen. Wir sehen
das Leben in der Tanzschule und wie Helga, Monikas älteste Schwester, heiratet
und mit ihrem Wolfgang in eine bonbonfarbene Wohnung mit Kühlschrank (!) zieht.
Wir sehen, dass sich Monika gegen den Willen ihrer Mutter für Rock ‘n’ Roll
(„Negermusik“) begeistert.

Im Geflecht der Darsteller entspinnt sich ein
gewaltiges Netz aus Fäden verschiedener Nebengeschichten, die immer
wieder kunstvoll zusammengeführt werden. Plötzlich geht es um Vergewaltigungen, des

„Samenfädchens wundersame Reise“, männliche
Homosexualität
, Elektroschocktherapie, Verlust und Lust, die Shoa und die
Frage, ob man den „Wiederkehrern“ Glauben schenken will.

Dazu muss gesagt werden: Ja, Ku’damm 56 ist manchmal wie eine riesige Portion Zuckerwatte, pink
und klebrig. Seicht und bunt. Am Ende wurde mir trotzdem nicht schlecht. Es geht
um die (erste) Liebe, Sex, es geht um Monikas Schwärmerei für eine
Filmschauspielerin. Es wird melancholisch. Doch lässt man die drei Filme
nachwirken und macht sich bewusst, dass sie mit und an historischen
Bezugspunkten spielen, wird es sehr schnell ernst. Es geht um Schuld, es geht
um Bedürfnisse, es geht um Zwänge. Heute ist es nicht mehr denkbar, die
Konzentrationslager, in denen Millionen von Menschen einen grausamen Tod fanden,
als „Räuberpistole“ wie Krümel vom Mittagstisch zu wischen. Heute ist es nicht mehr
denkbar, auf die Frage seiner Tochter „Aber was ist mit mir, mit meinen
Bedürfnissen?“ zu antworten „Die haben Frauen nicht, Helgachen“. Heute ist es
denkbar, eine geschiedene Frau zu sein. Diese sind historische
Errungenschaften, die es sich immer wieder in Erinnerung zu rufen (und aktiv zu
verteidigen) gilt. Und wenn dies ein Spielfilm schafft, wenn auch nur im
Ansatz, dann ist das ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Die Schauspieler

Ich gebe zu, ich kannte Sonja Gerhardt, die die Monika
spielt, noch aus „Türkisch für Anfänger.“
Ich war zuerst skeptisch, da sie doch zu Anfang äußerlich so sehr abfällt
gegenüber ihren stark geschminkten und frisierten, eng-tailliert gekleideten
Schwestern, so dass man schreien möchte: „Jaha, ich habe verstanden. Sie ist
das hässliche Entlein“. Und auch wenn ich damit dafür plädieren möchte, dem
Zuschauer etwas mehr Eigenanteil und Spielraum in der Interpretation zu
ermöglichen, tut das der großartigen schauspielerischen Leistung Gerhardts
keinen Abbruch. Ebenso überzeugend spielt Sabin Tambrea. Er lässt seinen
Joachim Franck eine wahnsinnige Veränderung derart subtil durchmachen, dass man
ihn zu Anfang noch bewusstlos schlagen und zum Ende hin zärtlich in den Arm
nehmen möchte. Auch Claudia Michelsen, die Monikas Mutter spielt, ist so
greifbar und echt, gerade dadurch, dass sie uns – vielleicht einen Tick zu spät
– Risse in ihrer perfekt manikürten und lackierten Fassade erahnen lässt.

Der Spannungsbogen

Ich schaue viele Serien und die fünfte Staffel

House of Cards“ hat mich so sehr in ihren
Bann gezogen, dass ich eine Woche lang hauptsächlich auf meinen Laptop starrte
– und zwar nicht, um ein Essay zu schreiben. Um der Begeisterung nun also ein
wenig Einhalt zu gebieten: bei Ku’damm 56
handelt es sich nicht um diese Art der nervenaufreibenden, einen in den Schlaf
verfolgenden Spannung, mit der einen etwa der Cliffhanger am Ende der fünften
Staffel von House of Cards oder die
letzten Folge der ersten Staffel

True
Detective“ zurück lässt.

Aber Ku’damm
56 ist spannend, insbesondere deshalb, weil wir nicht ewig warten müssen
bis Themen, die offensichtlich angelegt sind, verhandelt werden. In der Szene
nachdem Monika Wolfgang, den frischangetrauten Ehemann ihrer Schwester Helga,
im Volkspark mit einem anderen Mann beim Fellatio entdeckt, sehen wir auch
schon, wie sie mit ihrer Schwester Eva darüber spricht. Kurz darauf weihen
beide Helga ein und der brüchige häusliche Frieden reißt gänzlich ein – vorerst. Denn es
geht weiter. Es wird dreckig, es wird verwirrend, sexy und blutig, aber
genauso (oder anders) kann die Realität sein. Am Ende gibt es meistens kein
Happy End, sondern wir lassen uns von unseren Zwängen, den Erwartungen, die wir
spüren, unseren Bedürfnissen und Erfahrungen leiten. Und genau das passiert
auch in Ku’damm 56. Deshalb ist diese
Serie so großartig.

Das Fazit

Hiermit möchte ich also einerseits sagen – in dem
Bewusstsein, dass dies nur meine Meinung ist: liebe Menschen, schaut diese
Filme – sie sind absolut sehenswert und zeigen unter anderem, dass die deutsche
Medienlandschaft sich verändern kann. Und andererseits:  liebes ZDF, liebe ARD, bitte produziert mehr
davon! Gebt unser Geld in solche großartigen Produktionen und quetscht nicht
Stoff, der sehr gut in zehn halbstündige Folgen passen würde, in die
vermeintlich ur-deutschen eineinhalb Vorabendstunden.

Ich zumindest bin sehr bereit für neue Sendeformate, weil ich durch die vielen tollen (US-)Serien, die ich
bisher gesehen habe, Format-technisch sowieso flexibel bin.

Girls-Folgen sind nur etwa 20 Minuten
lang und auch wunderbar. House of Cards-Folgen
dauern ungefähr eine Stunde. Auch das hat einige Vorteile. Also: egal wie,
gebt mehr kreativen Menschen wie Annette Hess die Chance, ihre Ideen in
Serienform zu gießen, gebt ihnen das Geld für eine zweite Tür im
Film-Badezimmer – es kommen so tolle Dinge dabei raus, die historisch relevante
Entwicklungen verarbeiten und gleichzeitig geniales Entertainment für die
breite Zuschauermasse sind!

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