Unsere Community-Autorin Anna brennt für ihren Job – und fragt sich: Warum wird eine Ärztin für ihre Berufung bewundert – und warum ist es regelrecht verpönt, wenn sie als Managerin ihre Arbeit liebt?
Im meinem Job passt einfach alles!
Ich arbeite täglich um die acht Stunden, sitze im Büro, schaue auf einen Bildschirm, treffe Kollegen zum Meeting im Konferenzraum, fahre morgens in unsere Tiefgarage und abends wieder hinaus. That´s it!
Meine Arbeit macht mir Spaß, meine Kollegen sind super, denn wir lachen auch viel, die Bezahlung ist Bombe. Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Klar geht es so nicht weiter bis zur Rente, denn ich bin noch jung und werde sicherlich noch das ein oder andere Unternehmen von innen sehen, aber aktuell bleibe ich dort, wo ich bin.
Folgende Situation habe ich nicht zum ersten Mal erlebt: Ich sitze abends mit Freunden zusammen, alle in verschiedenen Jobs tätig. Jeder erzählt etwas aus seinem Alltag. Nehmen wir mal Ansgar, ein guter Freund von mir, Arzt, hat eine Praxis mit noch zwei zusätzlichen Ärztinnen und einigen Angestellten. Das Wartezimmer ist immer voll und ich frage mich, während ich auf meine Testanus-Impfung warte, wie er das wohl alles stemmt und jeden Tag die gleiche Energie aufwenden kann für seine Patienten. Es scheint so, als ob es ihm leicht fällt, Diagnosen zu stellen und Medikamente auszustellen. Er ist beliebt bei den Praxiskollegen und auch bei den Patienten.
Im Büro hocken – wo ist da die Erfüllung?
Wenn er in der Runde erzählt, dass er auch im nächsten Leben Arzt werden möchte und im übernächsten und überübernächsten, dann freuen sich alle und bewundern ihn. Man schaut schon fast in strahlende Gesichter, und dass ihm keiner vor Eifer und Stolz auf die Schulter klopft, ist fast schon verwunderlich. Wenn ich dann einhake und sage, dass es mir fast genauso geht, dass ich auch genau das mache, was mich glücklich macht, dann ist es, als ob ich mitten im Kinofilm während der Vorstellung das Licht anknipsen würde.
Das Strahlen ist weg, fast schon spitze Blicke bekomme ich zugeworfen. „Anna, aber das ist doch nicht das Gleiche. Das kannst du doch gar nicht miteinander vergleichen. Ansgar heilt und hilft jeden Tag Menschen und du hockst im Büro, was soll denn das für eine Erfüllung sein?“
Wenn ich dann kontere mit: „Also unser Unternehmen ist höchst innovativ und wir produzieren doch auch was“, dann merke ich, dass ich versuche, mich zu rechtfertigen, und werde still.
Gestern, auf dem Nachhauseweg, fragte ich mich selbst, wo der Wert eines Jobs liegt – das Gehalt ist es sicherlich nicht, zumindest nicht in Deutschland, wo die Menschen in Pflegeberufen einen Hungerlohn kassieren und etwa das Top-Management im Automobilbereich Millionen absahnt. Aber ist der Wert nicht der, dem man dem Ganzen selbst gibt? Ist es nicht meine Sache, zu bemessen, ob ich glücklich bin, auch wenn ich keine OP am offenen Herzen durchgeführt und damit einen Familienvater vorm Herzinfakt gerettet habe?
Macht Arbeit mit Tieren oder Menschen, bei denen man im Gesicht Freude oder Dankbarkeit sehen kann, denn automatisch glücklicher, als auf einen Monitor zu schauen, der piept, wenn etwas im Postfach ist?
Lasst es meine Sache sein, lasst mich glücklich sein, wenn ich es bin und akzeptiert, dass ihr eventuell ein Thema mit dem Glück im Job habt – nicht ich.
Vielleicht ist es eure Unzufriedenheit, weil euer Job ähnlich dem meinen ist und ihr auch diese tristen Büros tagein – tagaus ertragen müsst. Und wenn es euch nur um die Dankbarkeit geht, dann backt morgen einen Kuchen für die Kollegen und stellt ihn in die Küche mit dem Schildchen „einfach mal so“, oder überlegt euch, was wäre, wenn es euer Unternehmen nicht geben würde, was ihr eventuell mit eurem Job der Gesellschaft zugute kommen lasst.
Und hier ist es doch fast jeder, der der Gesellschaft einen Mehrwert gibt, nicht nur die Götter in Weiß. Nein, auch der Kioskbesitzer, der mir morgens ein Croissant verkauft und bei dem ich oft meine abgegebenen Pakete abhole. Er macht mich glücklich!
Kurz bevor ich zuhause angekommen bin, piept mein Handy und Anja schickt mir noch eine Nachricht: „Hallo Süße, also wegen vorhin nicht böse sein. Aber nimm deinen Job nicht zu wichtig und suche dir doch noch einen Ausgleich im Privaten. Vielleicht im Tierheim aushelfen, du magst Tiere doch so gerne. Ich kenne doch das blöde Büro auch, denkst du ich mag Montagmorgen;-)?“ Aha! Also liebe Anja, siehst du, es ist deins. Lass dein Thema deins sein und mich glücklich damit sein. Ihr schicke ich keine Antwort, sondern schreibe Ansgar. „Hey, magst du Montagmorgen und die volle Praxis nach dem Wochenende?“. Er gleich : „Hä? Nee, am tollsten ist der Mittwoch, da haben wir nur bis um zwölf Uhr auf. Gute Nacht.“
Ganz genau – gute Nacht…
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