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Warum jeder Mitarbeiter ein Innovator ist

Das Austüfteln neuer Ideen gehört nicht in kleine Zirkel. Warum Innovationskultur nur mit allen Mitarbeitern funktioniert.

 

Wer kümmert sich um neue Ideen?

Anja Förster ist Autorin von sieben Büchern und Vortragsrednerin auf internationalen Wirtschaftsveranstaltungen. Ihr neues Buch (gemeinsam mit Peter Kreuz) „Macht, was ihr liebt” ist Anfang März erschienen. Für unseren Partner Capital Online schreibt sie darüber, wie Innovationskultur in Unternehmen funktioniert:

Innovation ist wichtig, Innovation ist gut. Einverstanden. Aber dennoch werden bei diesem Thema in den meisten Unternehmen die Zeigefinger ausgefahren: Der da ist zuständig! Und die da von der Produktentwicklung. Das sind doch die Typen, die sich um neue Ideen kümmern sollen, oder? Da gibt’s doch diese merkwürdige Abteilung mit den blassen, bebrillten und fotoscheuen Käuzen. Die sollen da mal rumforschen und irgendwann das Ei des Kolumbus auf den Vorstandstisch stellen!

In Produktionsbetrieben dachte man früher auch mal, es müsse eine eigene Abteilung für Qualität geben, die für das Qualitätsmanagement sorgt. Das ist etwa so ähnlich, wie wenn ein Fußballverein einen Vorstand bestellt, der fürs Gewinnen zuständig ist. Das funktioniert genauso wenig. Denn zum Gewinnen genauso wie für die Qualität braucht man immer alle, jeden Einzelnen, die ganze Mannschaft. Im produzierenden Gewerbe dämmerte das den meisten Unternehmen irgendwann Ende der 80er, Anfang der 90er, als klar wurde, dass die Japaner auch ohne Qualitätssicherungsabteilung die bessere Qualität zu immer günstigeren Preisen liefern konnten. Wenn man Premium produzieren will, dann muss jeder Mitarbeiter Premium verinnerlicht haben. Heute ist das selbstverständlich.

Jeder Mitarbeiter ist ein Innovator

Nur offenbar nicht beim Thema Innovation! Da hat der genau gleiche Lernprozess gerade erst begonnen. Dabei liegt doch auf der Hand, dass die Ideensuche keine Situation ist, in der sich Einzelkämpfer in einem Labor einschließen sollten, um den Stein der Weisen ausgerechnet dort zu finden. Neues Wissen entsteht, wenn sich möglichst viele zusammenschließen, ihre Kenntnisse und Erfahrungen austauschen und – ganz oft aus Gegensätzen – neu zusammensetzen. Das muss fachübergreifend und jenseits von Hierarchieschranken passieren.

Mit seiner berühmten Parole „Jeder Mensch ist ein Künstler“ schockte Joseph Beuys eine bürgerliche Gesellschaft, die Kunst als eine Frage von Genie betrachtete, etwas für Auserwählte. Sein revolutionärer Ausspruch von damals lässt sich wunderbar auf heutige Unternehmen übertragen: Jeder Mitarbeiter ist ein Innovator. Beuys for Business!

Aber klar: Wenn der Chef am Nachmittag die Belegschaft abfragt: „Hey, heute schon eine Idee gehabt?“, dann können Sie das vergessen. Aus trägen Mitarbeitern im geistigen Zotteltrab und bornierten Chefs im Selbsterhaltungsmodus können Sie keine tollkühnen Ideen-Akrobaten machen. Auch eine in der Teppichetage „gelaunchte“ Innovationskampagne hilft da eher wenig. Wer glaubt, Innovation anordnen zu können, wird erleben, wie seine Leute Innovation spielen, bis der Chef ihnen wieder den Rücken zukehrt und alle wieder ausatmen können. Wer sämtliche Mitarbeiter zu Innovatoren machen will, muss diese Absicht nicht nur deutlich kommunizieren, sondern es auch vorleben.

Zeit für Innovation freischaufeln

Und dabei genügt es vollkommen, mit kleinen Schritten anzufangen. Inspirierende Beispiele, wie sich das effektiv und ohne großen Aufwand organisieren lässt, gibt es zuhauf. Im kleinen, aber feinen australischen Software-Unternehmen Atlassian legen die Mitarbeiter viermal im Jahr am Donnerstag ihre eigentliche Arbeit beiseite. Allein oder in selbstorganisierten Gruppen arbeiten sie dann an den Ideen oder Problemlösungen, die sie selbst für am besten, wichtigsten, coolsten halten. Die einzige Regel ist: Es darf sich gerade NICHT ums Tagesgeschäft handeln. Am darauf folgenden Tag, freitags um 16:00 ist Showtime: Die Ergebnisse werden reihum allen Kollegen vorgestellt. Anschließend werden die besten Ideen ausgewählt. Und dann umgesetzt.

Die Mitarbeiter sind mittlerweile so heiß darauf, dass sie meistens die ganze Nacht an ihren Projekten durcharbeiten – so wie FedEx die Pakete über Nacht zustellt. Deshalb heißen diese Tage bei Atlassian mittlerweile „FedEx-Days“. Das Ergebnis: „Einige der coolsten Dinge, die wir heute in unserer Software haben, sind an den FedEx-Tagen entstanden.“

Keine Ausreden, bitte!

Es geht aber auch noch eine weitere Nummer kleiner: In nur einer Abteilung und mit nur eine Stunde pro Nase und Woche. Beim Online- und Telefonservice der Columbia Credit Union Bank in Vancouver darf und soll jeder Mitarbeiter pro Woche in einer „genialen Stunde“ mit festem Termin an Ideen für das Unternehmen tüfteln. In dieser Zeit übernimmt die Chefin persönlich das Telefon, um ihren Leuten den Rücken freizuhalten – ein starkes Signal! Eine Stunde pro Woche klingt nicht nach viel Zeit. 

Aber rechnen Sie mal: Bei einem zehnköpfigen Team wären das rund 450 Mannstunden pro Jahr – nur für direkte Arbeit an Innovationen. Das ist deutlich mehr als nichts. Und bei der Columbia Credit Union Bank nahm die Innovationskraft nach wenigen Monaten ordentlich Fahrt auf – ohne jeden Verlust bei der Produktivität. Das Team feuerte neben dem Tagesgeschäft her eine Innovation nach der anderen raus und riss das ganze Unternehmen mit.

Ausreden lasse ich vor diesem Hintergrund nicht gelten!

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Capital – Das Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Capital mit Reportagen, Analysen, Kommentaren aus der Welt der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen.


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