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Raus aus der Flauschzone – warum mich Mamablogs nerven

Sara bekommt bald ihr erstes Baby und hat begonnen Mütter-Blogs zu lesen. Die Themen, die sie dort findet, lassen sie ratlos zurück – und vor allem genervt.

 

Wo beginnt Solidarität?

Über wenige Dinge wird unter Frauen und Mütter mehr debattiert, als über  Solidarität untereinander und das Urteilen über die Lebensentwürfe der anderen. Mir geht es hier nicht um die Rollen, für die sich Frauen (und Männer!) natürlich frei entscheiden sollten – denn Frauen, die mit ihren Kindern zuhause bleiben, haben oft einen toughen Job. Dennoch finde ich: Wir sollten über Mama-Blogs reden und über das Bild, das viele, und ganz besonders einige der „reichweitenstarken“ Blogs bzw „Influencerinnen“ transportieren. Und das ist das Bild einer perfekten und unpolitischen Mutter – die klarkommt, die keine gesellschaftliche Veränderung braucht. Denn auch diese Bilder machen Gleichberechtigung so schwer.

Die meisten Mamablogs sind so wertvoll wie Frauenzeitschriften: gar nicht. Ich bin wütend auf diese Oberflächlichkeit und Banalität, diese Frauenbilder aus den 50er-Jahren, diese Bloggerinnen, die das Vorurteil beweisen zu scheinen, dass Frauen an den Herd gehören und den ganzen Tag Kaffee trinken gehen. Und es zeigt: Nicht allein Männer sind Schuld daran, dass es mit der Gleichberechtigung noch nicht weit gekommen ist, auch 2018 nicht.

Wir brauchen Mütter, die sich politisch einmischen

Die Themen Geburt und Kinder sind hochpolitisch und aktuell. Man könnte viel schreiben über Ängste in der Schwangerschaft, Geschlechterklischees, Paragraph 219a,  Erwartungen an Mütterfehlende Hebammen, fehlende Kitas, Ehegattensplitting, Unterhaltszahlungspflicht, ungerechte Besteuerung von Alleinerziehenden, Vereinbarkeit, alternative Familienmodelle, Elternzeit-Regelungen und so weiter. Stattdessen interessieren sich die meisten Mutti-Bloggerinnen für die passenden Vorhänge im Kinderzimmer, ordnen sich in #Teamrosa oder #Teamblau ein und sorgen sich um ihren #Afterbabybody.

Die Influencerinnen mit der größten Reichweite auf Instagram haben durchaus unterschiedliche Schwerpunkte – und nicht alle sind mit diesem Blogbeitrag gemeint. Doch diese drei Gruppen von Bloggerinnen treiben mich zur Weißglut:

1) Bloggerinnen, die jahrelang Zuhause bleiben und über Biobrei,
Familienbett, ihr Wochenende in Bildern, Stillen bis ins Kleinkindalter,
Attachment-Parenting und Selbstfürsorge bloggen, während der
Mann/Freund die klassische Ernährerrolle übernimmt. Nicht meine Welt,
weil alles mit zu viel Achtsamkeit, unreflektierten Privilegien und Bilderbuch-Setting.  Das muss man mögen, ich tu es nicht, weil es einerseits an Selbstaufgabe grenzt und zum anderen die klassische Rollenverteilung als Non-Plus-Ultra kommuniziert sowie die Heteronormal-Familie der oberen Mittelschicht in Szene setzt.  Anders kann man das nicht formulieren, denn hier gibt es nur Mama-Papa-Kind(er), tolle Wohnungen, gesunde Rezepte. Oh, und Achtsamkeit bis zum Erbrechen.

Aber immerhin sind Beiträge teilweise hilfreich, weil auch Themen besprochen werden wie Wochenbett, Geburt, Stillprobleme. Deswegen sind das aus meiner Sicht auch die, die am nächsten dran sind an der Lebenswirklichkeit vieler Familien, auch wenn andere sich nicht in Eppendorf oder Prenzlauer Berg eine 150 Quadratmeter große Wohnung von einem einzigen Gehalt leisten können und sie mehr Probleme haben, als keine neue Putzfrau zu finden. Viele Mütter setzt es sicher aber unter Druck, weil sie die hohen Ansprüche der Bloggerinnen und die „Realität“, die sie nach außen zeigen, als Maßstab an sich selbst anlegen. Ich will mit meiner Kritik nicht sagen, dass diese Bloggerinnen faul sind, weil sie nicht in einem Angestelltenverhältnis arbeiten. Ein Blog ist auch Arbeit. Rentenansprüche sichert er aber in den meisten Fällen aber nicht – und die Care-Arbeit bleibt auch meist bei den Frauen hängen.

2) Dann gibt es die, bei denen es sich hauptsächlich um Interieur und Mode
dreht. Das kann man sich schon deswegen sparen, weil die Sachen, die man
gegen Provision für die Bloggerin käuflich erwerben kann, meist
allesamt aus skandinavischen Designershops stammen. Alles sieht gleich
aus: Die Wohnungen sind Altbau, mit Stuck, minimalistisch eingerichtet
und meistens sehr weiß. (Meine sieht übrigens ein bisschen ähnlich aus,
was es nicht interessanter macht.). Die Kleidung könnte auch aus dem
Schaufenster von Kauf dich glücklich stammen. Kinderkleiderschrank gesucht? Kein Problem. Kostet 1.500 Euro. Das ist nicht glaubwürdig, das ist einfach Werbung.

3) Die schlimmste Variante: Auf jedem einzelnen Post ist Mama in Size Zero
mit Baby im Arm als Accessoire (statt wie vor den Kindern mit ihrem
Chaneltäschchen). Meist trägt sie Hotpants in pastell/hellgrau,
Extensions und immer ein Duckface. Was soll das? Wer zur Hölle folgt
solchen Accounts? Der Mann/Vater spielt auch hier offenbar kaum eine
Rolle in der Erziehung. Auf Instagram kommt er höchstens zweimal vor: im
Verlobungspost und im Hochzeitspost.

Und jetzt?

Vermutlich kommt jetzt der Einwand: Dann lies es halt nicht. Oder: Es
gibt so viel Schlimmes auf der Welt, da muss es doch möglich sein, auch
mal Banales und Schönes zu posten. Ich sage nicht, dass alle Blogs
politisch sein müssen oder sich groß Gleichberechtigung auf die Fahnen
schreiben sollen. Aber ich finde, dass sich gerade die mit großer
Reichweite auch mal aus der pastellfarbenen Flauschzone bewegen müssen.
Und sei es nur, damit sich zumindest für ihre Kinder künftig was ändert.

Aber: Es gibt auch gute Blogs, keine Frage – man muss sie nur finden. Darunter sind sogar welche, die von Vätern geschrieben werden. Wer Inhalte mag, sollte zum Beispiel diesen Blogs folgen:

Habt ihr weitere Tipps?

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  1. Hallo Sara,

    ich danke dir vielmals für diesen tollen Artikel. Du sprichst mir aus der Seele!
    Anfangs fand ich diese Art von Mamabloggern interessant und vor allem ihr tollen Instagram-Fotos. Bis mir aufgefallen ist, dass es da eigentlich nur um Werbung geht, für Dinge die sich die meisten Mütter auf Dauer eigentlich nicht leisten können. Die Art wie sie sich präsentieren und ein auf heile Welt machen, vermittelt leider einen falschen Eindruck vom Leben als Mama. Bis jetzt bin ich nur auf eine Mutter auf Instagram gestoßen, die ehrlich war und offen ihr wirkliches Befinden in den ersten Wochen nach der Geburt berichtet hat. Das Muttersein ist gerade am Anfang verdammt hart, für jede Art von Persönlichkeit.
    Leider nutzen die meisten Mamablogger ihre Kinder, um zu promoten und kostenlose Kleidung,etc. zu bekommen.
    Sorry aber nicht meine Welt. Bin noch im neunten Monat zur Uni gegangen, hab im Wochenbett 2 Klausuren geschrieben und hab mir nun ein Urlaubssemester genommen, in dem ich jede freie Minute weiterhin lerne. Ich kann es kaum erwarten wieder in die Uni zu gehen und etwas für meine Zukunft als unabhängige, emanzipierte Frau zu machen. Ich kaufe die Kleidung für mein Kind zu 70% aus Flohmärkten und Second-Hand Läden. Das alles mache ich nicht, weil ich es finanziell nötig habe (Jahresgehalt meines Mannes liegt fast im sechsstelligen Bereich), sondern weil mir andere Werte viel wichtiger sind.

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