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Was Führungskräfte von Spitzensportlern lernen können

Wie mentale Stärke und Strategien aus dem Leistungssport die Karriere voranbringen.

 

Antje Heimsoeth ist Mentaltrainerin und Vortragsrednerin. Sie hat viele junge Spitzensportler gecoacht. Für unseren Partner Capital Online schreibt sie darüber, wie Führungskräfte von den mentalen Strategien von Leistungssportlern profitieren können.

Die innere Haltung zählt

Frauen sind in deutschen Chefetagen noch immer selten – auch wenn Fachkräftemangel und Frauenquote den Weg dorthin ebnen sollen. Wer im Management bestehen will, braucht ein gutes Selbstmanagement. Die mentale Stärke ist in der Wirtschaft wie im Spitzensport von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Ich erarbeite als Mental Coach mit (Spitzen-)Sportlern, Teams wie Führungskräften individuelle Strategien für den Ausbau mentaler und emotionaler Stärke.

Jeder Mensch – egal, ob Hochleistungssportler oder weibliche Führungskraft – ist einzigartig. Deshalb nimmt jeder seine Umwelt und deren Anforderungen anders wahr. Unsere innere Haltung, unsere Einstellung, unsere Glaubenssätze und Überzeugungen, tragen viel dazu bei, ob wir eine Anforderung als positive Herausforderung oder als negative Überforderung empfinden.

Die drei Säulen des Erfolgs

Erfolg fußt auf drei Säulen: dem Selbstvertrauen, der Freude an dem, was wir tun und dem Umfeld, das uns bei unserem Tun unterstützt. Mangelndes Selbstbewusstsein ist ein typisch weiblicher Stolperstein auf dem Weg an die Spitze. Während Männer unter Vorstandskollegen ihre Stärken ausspielen, richten weibliche Führungskräfte ihren Fokus auf eigene Schwächen und werten sich selbst ab. Ihre Erfolge halten sie eher dem Umfeld zugute. Selbstzweifel sind Frauen selbstverständlicher als Selbstvertrauen.

Erfolgreiche Spitzensportler indes zapfen eine mentale Kraftquelle an, auf die jeder Zugriff hat: Das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit sowie der Glaube an die eigenen Fähigkeiten. Denn Höchstleistungen sind kein Zufall. Erfolgreiche Menschen, ob Managerin oder Athlet, sind vor ihrem realen Erfolg bereits im Kopf Sieger. Sie erreichen ihre Ziele kraft ihrer Gedanken und inneren Bilder, dank ihres Mutes, ihres Fleißes, ihrer Disziplin und ihrer Entschlossenheit. Sie denken nicht, wie viele von uns, zu klein, sondern groß – Ziel: Olympiasieg.

Danièle Nouy, Chefin der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank, wäre nie an die Spitze der Währungsbehörde gekommen, wenn sie so klein wie ihr Umfeld gedacht hätte. Einst kassierte sie von einer der 130 Banken, über die sie nun wacht, eine Absage für einen Führungsposten, Begründung: Frauen nicht zugelassen! Für Nouy war diese Aussage Ansporn statt Besiegelung. Nouy hatte eine Vision, die sie beflügelte und ein Ziel, auf das sie hinarbeitete. Zielstrebigkeit ist eine Grundvoraussetzung für Erfolg.

Stärkeorientierung statt Schwächenfokussierung

Es gilt, sich bewusst zu machen, über welche Ressourcen, also Fähigkeiten, Begabungen, Talente und positive Eigenschaften wir verfügen. Je bewusster wir uns unseres Potenzials sind, desto gezielter können wir Stärken nutzen und beim Verfolgen unserer Ziele einsetzen. Ihr Einsatz sorgt auch dafür, dass wir zufriedener sind und hilft, Aufgaben erfolgreich zu meistern. Wer sich seinen Stärken zuwendet und um sie weiß, geht selbstsicher und selbstbewusst durchs Leben, steigert seinen Selbstwert, geht mental gestärkt an Herausforderungen heran.

Im Beruf müssen Frauen über die Persönlichkeit punkten. Je stärker wir uns fühlen und je mehr wir unsere Stärken einsetzen, desto stärker sind auch unsere Ausstrahlung und unsere Körpersprache. Der ehemalige Nationaltorhüter Oliver Kahn wirkte auf seine Gegner auch deshalb wie ein Titan im Tor, weil er genau um die Rolle der Ausstrahlung wusste. Kurzum: Wer von sich überzeugt ist und sein Potenzial nutzt, überzeugt auch andere.

Die Macht der inneren Bilder

Die Visualisierung als Voraussetzung für Höchstleistungen ist eine der wirksamsten mentalen Techniken, die uns zur Verfügung steht. Die bildhafte Vorstellung beeinflusst unser Unterbewusstsein, aktiviert Erlebnisnetzwerke im Gehirn und arbeitet nach dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung („self-fulfilling prophecy“). Athleten nutzen ihre geistige Vorstellungskraft nicht nur für die Optimierung ihrer Bewegungsvorstellung, sondern auch zur Psychoregulation und Motivation.

Philipp Lahm, Ex-Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, berichtete nach dem WM-Finale, dass er sich im Vorwege immer wieder an die Szene erinnert habe, als Lothar Matthäus den WM-Pokal 1990 in Rom in die Höhe reckte. Lahm sagte, er habe sich dann vorgestellt, wie er selbst den WM-Pokal 2014 in den Himmel von Rio de Janeiro stemmt.

Besondere Herausforderungen im Job wie Präsentationen oder schwierige Verhandlungen und Gespräche lassen sich gleichfalls mit Hilfe von Visualisierung vorbereiten und bewältigen. Die Imagination wirkt strukturbildend im Gehirn – je öfter wir uns etwas vorstellen, desto stärker bahnen wir die entsprechenden Verknüpfungen im Gehirn. Auf diese Weise kann ein innerer Erfolgsfilm zum realen Triumph werden. Wichtig ist, dies regelmäßig zu tun und dabei sämtliche Sinne einzubeziehen – die Vorstellung muss so lebendig und detailreich wie möglich sein.

Die Kunst der Entspannung

Geistige Ruhebilder, also die Visualisierung eines schönen Rückzugsortes, erzeugen unmittelbare Ruhe und Entspannung. Was Sportlern bei Nervosität vorm Wettkampf hilft, kann der weiblichen Führungskraft ebenso vor einer Präsentation zur Gelassenheit verhelfen. Um den Nutzen von Regeneration und Entspannung weiß jeder Spitzensportler. Bei Top-Managerinnen ist ein gutes Energiemanagement ebenso wichtig. Gerade bei Frauen wirkt sich die permanente Doppelbelastung durch Beruf und Familie psychisch wie physisch negativ aus. Stress beeinflusst unser Leistungsvermögen und wirkt sich unter anderem negativ auf das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel aus, beeinträchtigt langfristig auch die Gedächtnisleistung.

Um dauerhaft leistungsfähig zu bleiben, sind Bewegung, gesunde Ernährung, mentale Kraft, Selbstvertrauen, Freude, ein stabiles soziales Umfeld und ausreichend Schlaf essentiell. Wer sich nicht erholt, wird überholt – dann mündet das Karrierestreben plötzlich in einer körperlichen Sackgasse.

Aus dem Sport lässt sich noch etliches mehr für aufstrebende Chefinnen lernen – sei es die Kunst der Konzentration, also die absolute Fokussierung trotz Störfaktoren und negativer Einflüsse, oder das Nutzen des inneren Dialogs, den wir permanent mit uns selbst führen und der uns, richtig geführt, bestärken und unterstützen kann. Wer sich als weibliche Führungskraft solche mentalen Techniken zunutze macht, schafft auch den Weg an die Spitze – egal, ob es ein Hürdenlauf oder ein Marathon wird.

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Capital – Das Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Capital mit Reportagen, Analysen, Kommentaren aus der Welt der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen.


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