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Weil Glück manchmal einer Entscheidung bedarf.

Ich liege hier im Auto, das wir heute zum Bett umgebaut haben. Neben mir schlummern mein Mann und meine Tochter bereits seelenruhig. Vor mir kann ich aus der Kofferraumluke das Meer sehen. Und ich kann es hören. Das Rauschen, wie die Wellen am Strand aufkommen. Der Geruch von Lagerfeuer liegt in der Luft.

Ich liebe diese Momente. Diese Momente, mich komplett frei zu fühlen. Mitten in der Natur. Und mitten im Leben. Mit Eichhörnchen, Stinktieren, Wildhasen und Kolibris und dazwischen immer wieder ein paar Grüppchen an Menschen, die fröhlich lachen oder singen. So fühlt sich Leben an. Und auch wenn ich immer wieder auf der Luftmatratze nach der richten Schlafposition suche, kann ich diesen Moment unendlich genießen.

 

Das hier – mein Leben – besteht aus unendlich vielen einzelnen Momenten. Sicher ist es nicht möglich, jeden einzelnen davon zu genießen, denn zum Großteil werden diese Momente nun mal von Alltäglichem und Erledigungen ausgefüllt. Und ich gebe auch zu, dass der Moment, in dem ich mal wieder völlig überfordert von den riesigen Supermärkten hier in Amerika ewig lang die Regale nach Erdnussbutter abklapper, nicht genieße.

Doch ich kann versuchen, so viele dieser Momente wie möglich mit schönen Gefühlen und Erinnerungen zu füllen.

Ich gebe auch zu, dass wir uns manches Mal in unserem Leben auf einem Pfad, einer Abkürzung, einem Umweg oder einer Sackgasse befinden, auf welchen es uns sehr schwer fällt, diese Momente zu kreieren und auf denen wir das Gefühl haben, festzustecken.

So ging es mir in den letzten Wochen. Ich fühlte mich gefangen und einsam. Ich konnte unsere Wohnung untertags nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad verlassen, was in Amerika den Radius sehr einschränkt. Und somit verbrachte ich die Tage mit meiner Tochter entweder am Spielplatz oder im Pool.

“Klingt doch wirklich nicht schlecht!” wird sich der ein oder andere denken. Es klingt wahrscheinlich nicht schlecht, aber es hat sich schlecht angefühlt. Ich wollte den Tag ausfüllen und Menschen um mich herum haben. Wir bekamen viel Besuch aus Deutschland, das half sehr viel. Doch die Tage und Wochen dazwischen fühlte ich mich einsam.

Ich hatte das Gefühl, der Situation ausgeliefert zu sein.

Doch das war ich nicht. Ich nahm mein Glück selbst in die Hand, machte neue Pläne und mit dem Gestalten dieser Pläne überkam mich eine unglaublich große Lust auf die Zukunft. Doch diese Pläne würden erst in ein paar Monaten starten. Also entschied ich mich (so einfach kann das sein) meiner jetzigen Situation so viele schöne Momente wie möglich zu schenken. Der erste Schritt war, Dankbarkeit zu empfinden für diese einzigartige Zweisamkeit mit meiner Tochter, die ich so warscheinlich nie wieder haben werde.

Nicht jeder Moment unseres Lebens ist von Glücksempfinden ausgefüllt. Doch wir werden überrascht sein, wie viele es werden können, wenn wir es zulassen.

Als ich gestern um 9 Uhr abends bei Dunkelheit aus dem Supermarkt hinauslief, hielt ich kurz inne, sah mich um und genoss den Moment, abends in der Dunkelheit in T-Shirt auf diesem gigantischen Parkplatz zu stehen, die Palmen im Winde wiegen zu sehen und entspannte Musik über die Lautsprecher am Parkplatz zu hören.

Nun liege ich hier im Auto. Ich höre meine Liebsten atmen, kuschel mich in die Decke, schließe die Augen und begib mich auf meine Reise in die Traumwelt, die mir sicherlich noch viele weitere schöne Momente zu bieten hat, während im Hintergrund das Meer leise rauscht.

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