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Wenn die Romantik nur im Kopf stattfindet

Kennt ihr das auch? Ihr findet jemanden richtig gut und schon geht bei euch das Kopfkino los. Doch alle romantischen Erlebnisse, die ihr euch ausmalt werden in der Realität nie so stattfinden

 

Es ist mal wieder soweit. Ich habe jemanden getroffen, der mich fasziniert. Jemanden, den ich gut und schön und aufregend finde.

Das kann bei der Arbeit sein, beim Sport oder irgendeiner Party.

Vielleicht flirten wir, vielleicht küssen wir uns sogar oder wir unterhalten uns einfach nur gut.

Ich kenne diese Person eigentlich noch nicht wirklich und schon geht in meinem Kopf das Wunschdenken los.

Wenn ich nach Hause komme, stalke ich als erstes bei Facebook. Das ist verteufelt, hier kann man anhand von Bildern und Posts das Leben einer fremden Person meistens mehrere Jahre zurückverfolgen und sich ein Bild machen, wie sie sich im Internet darstellt oder von ihren Freunden dargestellt wird.

Ich kann so das “Objekt meiner Begierde” ganz bequem vom Sofa aus anschmachten, wenn ich mir Fotos von ihm oder ihr aus dem letzten Urlaub ansehe.

Hier erfahre ich auch lauter andere Details, die ich nun nicht mehr in einem persönlichen Gespräch erfragen muss: Alter, Heimatort, Uniabschluss und manchmal sogar Details über die Familie.

Und natürlich die Verflossenen, da kann ich mir gleich ein Bild machen, wer so vor mir da war.

Eine stürmische Romanze, die keine ist

Nur ist eigentlich genau das der Punkt: Ich bin ja noch gar nicht da. Die romantische Verbindung zu diesem Menschen existiert nur in meinem Kopf.

Schon als Kind habe ich mich gerne meinen Tagträumen hingegeben. Das mache ich noch heute, immer, wenn ich gerade in der U-Bahn sitze und nichts besseres zu tun habe. Oder beim Musikhören. Oder abends vor dem Einschlafen.

Und meistens drehen sich meine Fantasien um romantische Beziehungen mit Männern.

Das wechselt immer mal, wenn ich gerade niemanden in meinem Leben habe, den ich interessant finde, kann das auch ein Schauspieler oder ein Sänger sein.

Aber in letzter Zeit frage ich mich: Nehme ich da nicht etwas vorweg? Erschaffe ich in meinem Kopf nicht Erinnerung an diesen Menschen, den ich ja eigentlich gar nicht kenne, die dann bei jeder neuen Begegnung mitschwingen, aber real nun mal einfach nicht existieren?

Die Männer in meinem Tagträumen sind perfekt. In meiner Fantasie statte ich sie mit allen positiven Eigenschaften aus, die Disney und andere Liebesfilme- und Romane mir jemals vermittelt haben. Und es ist immer perfekt: Das perfekte Timing, der perfekte Ort, er sagt lauter perfekte Sachen und ihn in meiner Fantasie zu küssen fühlt sich an wie das glückliche Ende einer richtig langen Reise.

Warum mache ich das?

Das war schon immer so bei mir, auch in der Zeit bevor ich meinen ersten Freund hatte.

Warum mache ich das? Wäre es nicht spannender, das einfach mal abzustellen und zu sehen, was passiert? Der Realität und dem Menschen die Chance zu geben, eine eigene Geschichte zu schreiben, in der ich nicht selber gleichzeitig Drehbuchautorin und Regisseurin bin?

Denn was ich mir da so ausmale, kann gar nicht wahr werden. Dieser Mensch wird nicht all die guten Eigenschaften haben, die ich in meinem Wunschdenken auf ihn projiziere. 

Im Grunde gehe ich mit der unterbewussten Erwartung an die Sache heran, dass alles genauso wunderbar werden wird wie in meinem Kopf. Und damit sabotiere ich die ganze Begegnung.

Ich binde mich emotional an diese Person, bevor ich weiß, ob sie überhaupt zu mir passt. Und diese Erwartungen können eigentlich nur enttäuscht werden.

Geht euch das auch so?

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