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Wie ich mich aus der Co-Abhängigkeit von meinem Partner gelöst habe

Manchmal verheddert man sich in Beziehungen, die einfach nicht gut werden. Genau so ging es der Autorin. Hier schreibt sie auf, was ihr geholfen hat, sie hinter sich zu lassen.

 

Der lange Weg aus einer missbräuchlichen Beziehung

Seien wir ehrlich: 2016 war einfach richtig mies. Donald Trump, AfD, Marine Le Pen, Rechtsruck in Polen sowie unzähligen anderen Ländern und meine Tante hatte Krebs (es geht ihr jetzt gut, danke). Kurz gesagt: die schlechten Nachrichten nahmen einfach kein Ende.

Ich bin 2016 in eine co-abhängige und emotional missbräuchliche Beziehung geschlittert. Und wieder rausgekommen. Wie ich das gemacht habe? Nun, es war ein langer Weg. Des Schmerzes und der Wut, des Trotz’ und des Unverständnis’. Zurückblickend frage ich mich, was das eigentlich alles sollte – und nach vorne schauen freue ich mich über all das, was ich gelernt habe. Denn auch das ist ein Teil der Geschichte.

Es kostete mich viel Kraft, um aufhören zu können, mich zu fragen, was ich hätte besser machen können, wie ich die Beziehung hätte retten können. Und während dieses Prozesses habe ich angefangen das aufzuschreiben, was ich mir merken will. Hier eine unvollständige Liste der Tipps, die meinem Ich im Jahr 2016 sehr gut getan hätten:

1. Wenn es sich nicht gut anfühlt…

… dann ist es das auch nicht. Ja, manchmal gibt es Krisen und die können überstanden werden. Aber nein, Krisen sollten kein Dauerzustand sein. Denn sie geben zwar die Gelegenheit etwas umzukrempeln, aber ständiges Krempeln ist fürchterlich anstrengend und produziert perspektivisch nur noch mehr Krisen.

2. Lose-lose Situationen …

.. sind genau das, und zwar für alle Beteiligten. Es gibt keinen Weg, wie du dich verhalten kannst, ohne mehr Konflikte zu produzieren? Dann ist vermutlich gar nicht das, was du machst das Problem. Und vergiss nicht: die andere Person hat auch nichts von dieser Situation. Beende sie also. Erdulde langfristig keinen Stress ohne positiven Ausblick.

3. Es gibt keinen Ausweg mehr?

Doch. In dir drinnen. Nicht in der Beziehung, aber das ist in Ordnung. Manche Wege müssen wir alleine gehen.

4. Du hast noch Hoffnung?

Das ist schön. Sie ist wertvoll, aber betrachte sie kritisch. Ist es wahrscheinlich, dass es „wieder wird wie früher“? Ist es realistisch, dass die schönen Worte wahrer sind als die bösen? Glaubst du wirklich, dein Kopf hält die Gewalt aus, wenn er immer mal wieder einen Ausgleich bekommt – und wenn, reicht das wirklich, um an der Beziehung festzuhalten?

5. Wenn du nicht mehr darüber sprichst …

 … dann ist die Not groß. Die Menschen, die du liebst, verstehen nicht, was mit dir los ist und dir ist es unangenehm, darüber zu sprechen? Du kannst es eh nicht erklären, weil nichts so richtig Sinn ergibt? Du hast Angst, andere zu nerven? Sag ihnen genau das. Sie werden es verstehen und dir das Feedback geben, das du brauchst. Ihre Liebe nimmt nicht ab, nur weil es dir schlecht geht.

6. Suche andere Betroffene

Und sei es online. Es gibt ausreichend Artikel über co-abhängige Beziehungen und Missbrauch, ein paar davon werden auf deine Situation zutreffen. Suche dir ein Forum, in dem du dich wohl fühlst. Das kann auch offline in einer Gruppe sein – Hauptsache, du erlebst diesen Moment, in dem du erkennst, dass du nicht alleine bist. Mehr Infos zum Thema gibt es etwa hier.

7. Suche dich selbst

Aber nicht, indem du wegrennst. Du bist nämlich nicht anderswo, du bist genau hier, in dieser Situation, und darum geht es. Du weißt, was gut für dich ist. Du kennst dich ausreichend, um zu wissen, was du brauchst. Und hoffentlich liebst du dich selbst auch genug, um zu erkennen, wenn jemand aktiv gegen dein Wohlgefühl arbeitet.

8. Höre auf dich, …

… denn du hast mehr Einsicht als du glaubst. Die Lage ist unübersichtlich und alles ist Widerspruch? Du willst diese Situation loswerden, ganz gleich wie? Dann werde genau das los, was dir weh tut. Tue dir nicht selbst weh.

9. Genieße die Ruhe

Vor allem die Ruhe nach dem Sturm. Es ist vorbei, du hast es beendet, es ist geendet, wie auch immer. Schau dich um und spüre: du hast es geschafft. Niemand wird dich mehr anschreien, denn eigentlich hast du einen sehr guten Menschengeschmack und keiner deiner Lieben kommt auf den irrigen Gedanken, laut sein würde helfen.

10. Meiden, meiden, meiden

Ja, es ist schmerzhaft. Ja, die andere Person respektiert es nicht. Und ja, sie überschreitet deine Grenzen. Das ist kein Grund, wieder in Kontakt zu treten. Es ist der beste Grund, den Kontakt weiterhin zu meiden. Gib ihr nicht, was sie will, wenn es dir selbst nicht gut tut.

11. Verzeih dir selbst

Warum du all das zugelassen hast? Das wirst du noch herausfinden. Weshalb du auch die andere Person verletzt hast? Du hast dein Bestes gegeben – und sie vermutlich übrigens auch. Wieso du so lange gebraucht hast? Vielleicht hattest du noch nicht das gelernt, was du für den Weg nach draußen brauchtest. Was tun, damit das nie wieder passiert? Freundlich zu dir sein, Artikel schreiben und teilen, teilen, teilen. Co-Abhängigkeit, Missbrauch und Trauma sind nicht sagbar. Sage sie dennoch. Sage sie genau deshalb.

Das Merkwürdigste an dem gesamten Jahr war aber für mich, dass ich ganz genau wusste, wie sehr mich diese Beziehung verletzte. Ich konnte mir das alles anschauen und sagen „Das ist nicht gut. Du gehst daran kaputt“. Doch diese Erkenntnis genügte bei Weitem nicht, um mir den Weg hinaus zu zeigen. Es dauerte neun weitere Monate, bis ich die Kraft fand, alle Kontakte zu blockieren und Abschied von dem „Aber was wenn”- Gedanken zu nehmen.

2016 war das Jahr, in dem ich lernte, dass ich nicht alles über meine Ratio regeln kann. Manchmal dauert es, bis man das was man weiß, auch fühlen kann.

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