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Angela Merkel: Die Stärken einer Managerin

Angela Merkel wird heute 60 Jahre alt. Ist sie Machtpolitikerin oder „eine von uns“? Ein Kommentar zu ihrer größten Stärke.

 

Gegensatz der Glückwünsche

Angela Merkel wird heute 60 Jahre alt. Ihr Geburtstag fällt in die Sommerpause des Deutschen Bundestages, in der auch die Bundeskanzlerin sich Urlaub gönnen kann. Die Glückwünsche, die sie heute von Medien übermittelt bekommt, spalten sich in zwei Lager: Die einen versuchen das Erfolgsgeheimnis der studierten Physikerin zu entschlüsseln – die Formel zur Macht. „Eiskalt“ ist das Wort, das auch heute wieder Ludwig Greven bei Zeit Online benutzt, um ihre Entlassung des damaligen Umweltministers Norbert Röttgen zu beschreiben.

Die anderen möchten die Kanzlerin als „eine von uns“ präsentieren. Erst war sie das Mädchen, nun ist sie die Mutti. Die Brigitte – nach Bild der Frau die auflagenstärkste Frauenzeitschrift in Deutschland – listet heute 60 Dinge auf „die Sie noch nicht über Angela Merkel wussten“ und enthüllt die völlige Normalität der mächtigsten Frau der Welt: Sie spielte als Kind Blockflöte, war auf ihrer Abiturfeier sehr betrunken und wandert heute gern.

Eine echte Politikmanagerin

Angela Merkel spielt bewusst mit diesen Facetten. Nur weil sie immer wieder Details ihres Privatlebens preisgegeben hat, kann es heute zu ihrem Geburtstag auch Sträuße mit reizenden Fakten über die Kanzlerin geben. Sie hält niemals mitreißende Reden, egal ob sie gerade eine Regierungserklärung zur Ukraine-Krise verkündet oder die Wahlkämpfe ihrer Parteikollegen unterstützt. Sie ist die Frau mit den vielen bunten Blazern, perfekt für sie geschnitten, solide Qualität, nie schrill; keine der Farben verrät etwas über ihre Vorhaben an diesem Tag. Merkel stapelt tief, um nahbar zu sein.

Die Attribute, mit denen ihr Führungsstil beschrieben wird, kommentiert sie nicht. Sie macht lieber ihre Arbeit. Dass sie zum Beispiel Röttgen 2012 entließ, nachdem er das schlechteste Landtagswahlergebnis in der Geschichte der CDU in NRW erzielte, kann nicht als eiskaltes Vorgehen einer „Männermörderin” beschrieben werden. Vielmehr war es der Beweis dafür, dass Merkel eine echte Politikmanagerin ist, die nicht zögerte, die richtigen Entscheidungen für ihre Regierung und ihre Partei zu treffen. Würde Merkel als Spitzenkandidatin eine Wahl verlieren, sie bliebe wohl kaum als Fraktionsvorsitzende im Amt.

Personalentscheidungen müssen schnell getroffen werden, politische Lösungen brauchen hingegen Zeit. Letzteres zu beherzigen hat Merkel außerdem den Ruf der „Zauderin“ eingebracht. Es ist jedoch auch ein Zeichen dafür, dass Merkel sich beraten lässt und wohlüberlegte Entscheidungen trifft. Überraschende Alleingänge kennt man von der Politikerin nicht. Auch deswegen genießt sie einen hohen Rückhalt in ihrer Partei.

Merkels Stärken

Merkels besondere Stärke ist ihre Fähigkeit, sich in Minutenschnelle auf neue Situationen, Umgebungen und Menschen einzustellen. Sie schlüpft sicher in eine neue Rolle, abhängig von dem Parkett, auf dem sie sich gerade bewegt. Im kleinen Kreis gewinnt sie die Sympathien sofort mit ihrem Humor und ihrer Schlagfertigkeit. Von der spröden Rednerin am Pult des Bundestags ist dann nichts mehr übrig. Als die Nationalelf am Sonntag die Fußballweltmeisterschaft gewann und Merkel der Mannschaft bei der Ehrung gratulierte, war sie die einzige in der Reihe der mächtigen Gratulanten, die jeden Spieler so feste umarmte, als hätte ein Sohn oder ein guter Freund gerade das Turnier gewonnen. Ihre Freude war echt. Für ihre unterschiedlichen Rollen muss Merkel sich nicht verstellen, sie füllt jede von ihnen aus. Beneidenswert ist nicht ihre Macht, sondern ihre Menschenkenntnis.

Für eine Managerin, die eine Unternehmung in der Größe der Bundesrepublik führt, ist 60 ein ganz normales Alter. Deswegen ist es zu früh, heute an Merkels Abschied zu denken. Wer die Kanzlerin ernst nimmt weiß, dass sie uns vermutlich noch einige Male überraschen wird. Wer sein Publikum gut kennt, enttäuscht es nicht.

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