Foto: Hanna Witte

Anna Vollers: „Nicht nur Dandys tragen Anzüge“

Anna kommt eigentlich aus dem Marketing, hat sich aber nun mit einem Label für maßgeschneiderte Herrenanzüge selbstständig gemacht.

 

Vom Ketchup zum Herrenanzug

Wer sich bei einem Großkonzern wie der Heinz Company um das Marketing gekümmert hat, der muss sich nach den festen Strukturen einer solchen Firma ganz besonders daran gewöhnen, mit der Unsicherheit umzugehen, die die Gründung eines eigenen Unternehmens mit sich bringt.

So ging es auch Anna, die mit The Bloke ein Label für maßangefertigte Herrenanzüge gegründet hat. Doch um nicht ganz ins Ungewisse zu laufen, hat sie sich vor ihrer Kündigung ein paar Sicherheitsleinen gespannt. Wie sie die Gründung anging, was sie dann erwartete und wer bei ihr einkauft, hat sie uns erzählt.  

Anna, unter deinem Label The Bloke fertigst du Herrenanzüge – nähen kannst du aber nicht. Wie geht das zusammen?

„Ich bin keine Herrenmaßschneiderin, weiß aber, wie ein Anzug sitzen muss und wie er hergestellt wird. Für die Schneiderarbeiten habe ich Herrenmaßschneider an meiner Seite, die meine Vorstellungen und die des Kunden gut umsetzen können.“

Du kommst aus dem Marketing. Hast du dort zu viele Männer mit schlecht sitzenden Anzügen gesehen?

„So kann man das nicht sagen! Es gibt zwar viele Männer mit schlecht sitzenden Anzügen, aber viele Männer wissen auch genau, worauf sie achten müssen. Mich hat das Thema Individualisierung inspiriert. Bei immer mehr Konsumgütern haben wir die Chance, unsere individuellen Wünsche mit einzubringen. Angefangen beim Auto und dem Fahrrad bis hin zum personalisierten Turnschuh. Custom Made ist ein absoluter Megatrend und wird sich immer weiter ausweiten. In der Männermode ist das Thema bislang noch etwas unterrepräsentiert.“

Foto: Hanna Witte

Damenmode hat dich nicht gereizt?

„Die Damen haben doch schon die Chance, sich sehr individuell zu kleiden. Das Angebot an eleganter Mode für Frauen ist riesig, im Gegensatz zum Angebot für Männer. Das möchte ich ändern.“

The Bloke heißt übersetzt der Kerl. Denkt man bei Anzügen aber nicht eher an einen Dandy?

„Nein, nicht nur Dandys tragen Anzüge. Der Anzug hat ein absolutes Comeback in den letzten Saisons. Ich möchte Mode machen für echte Kerle, für Männer, die sich etwas Persönliches gönnen wollen, Wert auf Qualität legen und authentisch sind.“

Wie bist du das Thema Gründung angegangen? Hast du neben deinem alten Job begonnen oder gleich gekündigt, um dich voll darauf zu konzentrieren?

„Ich habe parallel zu einem Job die Idee entwickelt. Da ich eher sicherheitsorientiert bin, war es mir wichtig, erst einen kompletten Business Case zu entwickeln, um zu wissen, ob die Idee überhaupt umsetzbar ist und ich davon leben kann. Gute Freunde, aber auch die IHK oder die Bank standen mir mit Rat und Tat zur Seite. Auch die Finanzierung stand, bevor ich meine Kündigung eingereicht habe. Das war eine sehr intensive Zeit mit vielen Nächten, in denen ich Zahlen, Daten, Fakten gewälzt habe. Bereits drei Wochen nachdem ich aus meinem alten Job ausgestiegen bin, habe ich The Bloke eröffnet.“

Wie hast du die Finanzierung für die Gründung gestemmt?

„Für mich war klar, dass ich die Gründung nicht ohne einen Kredit bewältigen kann, auch wenn ich einen gewissen Teil Eigenkapital mit eingebracht habe. Mit meinem Konzept konnte ich die Bank und die KfW überzeugen. Ich habe dann einen Förderkredit der KfW für Neugründung bekommen.“

Als Gründerin ist man vor viele Aufgaben gestellt. Welches war für dich persönlich die größte Hürde und wie hast du sie gestemmt?

„Von Anfang an war mein Ziel, dass alle meine Produkte Unikate sein sollen, in einer sehr hohen Verarbeitungsqualität und einer modernen Passform. Es war nicht leicht, dafür die richtigen Partner zu finden, die meine Vorstellungen und Ansprüche teilen und sie auch umsetzen können. Hinzu kommt, dass ich alles alleine entschieden habe. Produktentwicklung, Ladenbau und die Finanzierung. Das war manchmal nicht so leicht. Gerade wenn man aus der Struktur eines Großkonzerns kommt.“

Foto: Hanna Witte

Wie läuft das Prozedere zum perfekten Anzug eigentlich für die Kunden?

„Zunächst wird jeder Kunde im Atelier von The Bloke eingehend vermessen. Er probiert sogenannte ‚Schlupfteile‘ an. Das sind Sakkos und Hosen in den klassischen Konfektionsgrößen. Anhand dieser abgesteckten Schlupfteile entsteht das individuelle Schnittmuster. Das geht recht schnell. Anschließend erhält man eine eingehende Beratung. Diese ist mir besonders wichtig und ich nehme mir viel Zeit, damit der Kunde am Ende sein absolutes Lieblingsstück kreiert hat. Zunächst muss er sich für einen Oberstoff entscheiden. Farbe, Struktur, Muster – ihm steht ein vielfältiges Sortiment hochwertiger Stoffe von den besten Webern Italiens und Englands zur Auswahl. Dann bestimmt er die feinen Details wie Knöpfe, das Innenfutter und die Garne. Bereits nach sechs Wochen ist das selbst kreierte Unikat fertig geschneidert und man kann zur ersten Anprobe kommen. Da schauen wir, ob noch etwas angepasst werden muss.“

Was ist denn die größte Sünde, die Männer mit einem Anzug in Sachen Styling begehen können?

„Mit einem gut sitzenden Anzug kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Man macht immer eine gute Figur, egal welche Konfektionsgröße. Ich persönlich finde es schlimm, wenn die Ärmel zu lang sind und die Hälfte der Hand nicht mehr sichtbar ist. Man sollte immer ein bis zwei Zentimeter von der Manschette des Hemdes sehen können.“

Welchen Tipp würdest du denn Frauen geben, die auch von Gründung träumen?

„Es ist ein tolles Gefühl, wenn man eine Idee hat und die Leidenschaft dafür so groß ist, dass man sie unbedingt umsetzen will. Meiner Meinung nach ist die Leidenschaft die Basis für Erfolg. Trotzdem sollte man realistisch bleiben und alle Daten und Fakten genau untersuchen. Nur wenn die Zahlen am Ende stimmen, kann das Konzept auch fliegen und man hat die Chance, viele weitere Ideen umzusetzen und das Konzept weiterzuentwickeln. Die Weiterentwicklung ist die größte Herausforderung nach der Gründung.“

– In eigener Sache –

Erfolgreich mit der eigenen Marke – So baust du dein Business im Netz auf – EDITION F-Webinar mit Lisa Jaspers 

Lisa
Jaspers hat mit FOLKDAYS ein erfolgreiches Fair-Trade-Fashion-Label
gegründet – seit 2013 ist sie ihre eigene Chefin und baut ihr
Unternehmen Stück für Stück aus. Sie begann mit Accessoires und Schmuck,
hat mittlerweile aber auch Kleidung und Einrichtungsgegenstände in
ihrem Sortiment. Die nachhaltig produzierten Produkte vertreibt Folkdays
über die eigene Website – ihr Kundenstamm wächst. 

Im
Webinar erzählt Lisa anhand ihrer Unternehmensgründung und
Branchenkenntnisse, wie man eine starke Marke aufbaut und ein
Nischen-E-Commerce vermarktet. 

Wir freuen uns auf euch! Tickets gibt es hier.

Mehr bei EDITION F

Anna Alex: „Wenn es einfach wäre, wäre es ja auch langweilig.” Weiterlesen

„Natürlich haben wir Angst zu scheitern”. Weiterlesen

Barbara: „Für einen eigenen Laden muss man ein Servicetier sein”. Weiterlesen

Anzeige