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Warum es uns scheißegal sein sollte, was andere über uns denken

Die Lektorin und Autorin Sarah Knight hat bereits mehrere Bestseller geschrieben – ihr neues Buch „Not Sorry” ist ein Ratgeber für alle Menschen, die es anderen immer recht machen wollen und sich selbst dabei vernachlässigen.

 

Sorry, not Sorry

Wer kennt es nicht: Das bedrückende Gefühl, das man bei einer wichtigen Entscheidung so oft hat – sei es, wenn es um einen neuen Job geht, eine neue Beziehung oder auch den Umzug in eine andere Stadt. Ein Gefühl, das genau dann entsteht, wenn wir uns zwar selbst schon sicher sind, das Richtige zu tun und wir uns dann doch fragen: Was werden wohl die anderen dazu sagen? Und dann sind wir verunsichert. Wieso eigentlich? Schließlich kann es uns in der Regel doch vollkommen egal sein, was andere zu unseren Lebensentscheidungen sagen. Vor allem, wenn unsere Entscheidungen niemanden, außer uns selbst betreffen. Sarah Knight erklärt in ihrem Buch „Not Sorry” warum wir uns viel mehr um uns selbst kümmern müssen und wie wir es schaffen, den Perfektionismus einfach mal über Bord zu werfen. Wir veröffentlichen einen Auszug aus ihrem Buch:

Sie müssen aufhören, sich darum zu scheren, was andere Leute denken

Stellen wir uns vor, dass die NotSorry-Methode der Schlüssel ist, der Ihnen die Tür zum Haus der lebensverändernden Magie aufschließt. Wenn man den Vergleich weiterspinnt, könnte man sagen, dass Sie ja überhaupt erst einmal aufs Grundstück gelangen müssen. Und das tun Sie, indem Sie lernen, auf die Meinung anderer Leute zu scheißen. Ansonsten paddeln Sie die ganze Zeit nur hilflos im Burggraben herum, der das Schloss der Erleuchtung umgibt, und verschwenden Ihre gesamte Energie darauf, den Kopf über Wasser zu halten und die hungrigen Krokodile abzuwehren. Auf die Meinung anderer zu scheißen ebnet Ihnen den Weg zu Schritt 1 der NotSorry-Methode (herausfinden, wozu Sie nicht länger ja sagen wollen). Erst danach können Sie Ihre Ziele auf positive, konstruktive Weise formulieren und zu Schritt 2 übergehen (wirklich auf diese Dinge zu scheißen). Und Sie können es tun, ohne jemanden zu kränken oder zu verärgern! (Es sei denn, Sie wollen jemanden kränken oder verärgern, was manchmal ja auch Spaß machen kann.) 

Aber immer der Reihe nach. Bitte glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass die Scham und Schuldgefühle, die Sie empfinden, wenn Sie versuchen, zu etwas nein zu sagen, in der Regel nichts damit zu tun haben, dass es falsch wäre, was Sie da tun. Sie haben einfach Angst, was andere Menschen über Ihre Entscheidungen denken könnten. Und wissen Sie was? Sie haben keinerlei Einfluss darauf, was andere Leute denken. Um Himmels willen, es ist doch schon schwierig genug, herauszufinden, was man selber denkt! Zu glauben, dass Sie Kontrolle darüber haben könnten, was andere denken – und Ihre Energie auf das Erlangen dieser Kontrolle zu verschwenden –, ist absolut zwecklos. Sie werden auf ganzer Linie scheitern. Wenn es um die Frage geht, inwieweit Ihr Nein-Sagen Auswirkungen auf andere Menschen hat, ist das Einzige, was Sie kontrollieren können, Ihr eigenes Verhalten in Bezug auf die Gefühle besagter Menschen, nicht aber ihre Meinungen. Dies sind zwei unterschiedliche Komponenten dessen, was andere Menschen von Ihnen halten. Ich werde sie in Kürze eingehender beschreiben; fürs Erste jedoch werden wir uns meine NotSorry-Methode in Aktion anschauen: auf Dinge scheißen, die man kontrollieren bzw. nicht kontrollieren kann. 

Als ich mich mit dem Gedanken herumtrug, meine Stelle im Verlag zu kündigen und fortan als Freischaffende zu arbeiten, machte ich mir sehr viele Gedanken über sämtliche Aspekte meiner Entscheidung – vor allem darüber, dass ich meine „Karriere” aufgeben und was dies für meinen Kontostand bedeuten würde. Doch zugleich war ich regelrecht zerfressen von der Sorge, was andere (Freunde, Familie, Chef, Kollegen) zu meiner Entscheidung sagen würden. Ist sie faul? Launenhaft? Ist sie so reich, dass sie es nicht mehr nötig hat zu arbeiten? Kümmert es sie denn gar nicht, dass wir anderen mehr Arbeit haben, wenn sie weg ist? Als inzwischen geübte NotSorry-Expertin kann ich diese Gefühle auseinanderdividieren und gesondert voneinander betrachten:

1. Ich habe gerne gearbeitet – ich wollte bloß nicht länger diese Arbeit machen. Wenn die Leute mich für faul halten, ist das verdammt noch mal ihr Problem. 
2. Ich habe lange und gründlich über meine Entscheidung nachgedacht, und selbst wenn nicht: Das geht niemanden etwas an. 
3. Und: Nein, ich habe nicht im Lotto gewonnen. (Aber Scheiße, wenn Ihnen das passieren würde, würden Sie auch kündigen, machen Sie sich nichts vor.) 
Rückblickend waren das die kleinen Sorgen. Die große Sorge war, ob ich, indem ich meine Stelle aufgab, zeitweise das Leben anderer auf den Kopf stellen würde und ob diese anderen deshalb verärgert sein und mir Vorwürfe machen würden. Hey, ich hab eine Idee! Spielen wir doch eine Runde Stadt, Land, nicht mein Problem! Ich musste erst lernen, einen Scheiß auf Dinge zu geben, die ohnehin nicht meiner Kontrolle unterlagen (beispielsweise: Wie lange würde es dauern, bis mein Arbeitgeber Ersatz für mich gefunden hatte?) und mich auf das konzentrieren, was ich kontrollieren konnte (beispielsweise: Ich musste jetzt nicht mehr um sieben Uhr aufstehen und meinem selig schlummernden Ehemann sowie dem herrlichen Parkblick den Rücken kehren, um fünfundvierzig Minuten lang in einer unterirdischen Körpergeruchs-Fabrik zu einem Arbeitsplatz zu fahren, an dem ich mich nicht wohl fühlte). 
Überhaupt rückten nun andere Dinge in den Fokus meiner Aufmerksamkeit: „Woher bekomme ich meinen nächsten Auftrag?”, oder: „Wann muss ich meine Website aktualisieren?” Aber mit diesen Dingen befasse ich mich gerne, denn als Freischaffende habe ich mehr Schlaf, mehr Zeit für meinen Mann, und mein morgendlicher Weg zum Arbeitsplatz beträgt nur noch etwa zehn Meter: von meinem Bett bis zu meiner Couch. Es ist also ein großer Unterschied, ob einem etwas wichtig ist oder ob einem wichtig ist, was andere über die Dinge, die einem wichtig sind, denken. Sobald ich das erkannt hatte, ergab sich der Rest fast von selbst.

Sarah Knight: Not Sorry: Vergeuden Sie Ihr Leben nicht mit Leuten und Dingen, auf die Sie keine Lust haben, 2016, 224 Seiten, 14,99 Euro (Ullstein Verlag)   

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