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Was bringt Gleichberechtigung ohne Freiheit?

Was brachte die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in der DDR, wenn aus Mangel an Freiheit nichts daraus entstand? Ein persönlicher Blick.

Gleichberechtigung ist in meiner DNA

Frauen und Führung. Frauen und Gründung. „Frauen und …“. Beliebte Themen. Die Quote für Aufsichtsräte ist inzwischen nur noch ein Jahr entfernt. Aber an vielen Punkten scheinen wir irgendwie nicht weiter zu kommen.

Und doch sieht es in meinem Kopf ganz anders aus: „Gleichberechtigung ist in meiner DNA.“ Dieser Satz war Teil meiner Antwort auf eine der Fragen von Kimberly Marteau Emerson, der Frau des US-Botschafters hier in Berlin, als sie mich vor zwei Wochen auf ihrem Panel vor Mitgliedern des Pacific Councils in der Factory Berlin interviewte. Die Begründung: Ich bin im Osten Deutschlands aufgewachsen. Gleichberechtigung zwischen meinen Eltern war für mich gar kein Thema. Sie arbeiteten immer beide in Vollzeit. Mit vier Monaten ging ich in die Kinderkrippe. Gefolgt von Kindergarten, Grundschule, Gymnasium. Als Familie sind wir innig miteinander. Auch oder vielleicht sogar gerade, weil meine Eltern ihre persönliche Erfüllung, ihre Herausforderungen und ihre Anerkennung auch im Job gesucht und gefunden haben.

Mit 18 dann der Umzug zum Studium nach München. Aber in meiner neuen Heimat unterm blau-weißen Himmel traf ich auf viele neue Freunde, deren Eltern nicht nur oft viel älter, sondern deren Mütter meistens mit der Geburt meiner Kommilitoninnen ihre beruflichen Chancen nicht mehr wahrgenommen und das Thema Karriere für sich weitestgehend abgehakt hatten.

Gleichberechtigung ist mehr wert in Freiheit

Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist viel wert. Aber ohne Freiheit? Nichts. Denn was nützt eine gute Position oder ein Unternehmen in einem Land, in dem der geistige Horizont am besten an der Mauer enden soll und die Möglichkeiten frei zu agieren – politisch, unternehmerisch oder schlicht geografisch – immer wieder von Grenzen bestimmt sind.

Ich bin aufgewachsen in einem Umfeld, einem Elternhaus, in dem meine Meinung und meine Perspektive immer zählte, ich gelernt habe, mich für meine Ideen und Vorstellungen stark zu machen, egal, ob diese gerade populär waren oder nicht. Gleichberechtigung fühlt sich daher fast selbstverständlich an. Freiheit aber nicht. Denn gerade heute, am 9. November wird mir einmal mehr bewusst, welches Glück die Wiedervereinigung bedeutet: Meine Lebens-, Liebes- und Arbeitsstationen in Berlin, München, Amsterdam, Kapstadt und New York, mein Drang, eigene Wege zu gehen, die Gründung von EDITION F – undenkbar.

Deshalb lassen mir die Gedanken an die Friedliche Revolution, die Bilder vor der Nikolaikirche in Leipzig oder dem Alexanderplatz in Berlin, vom Grenzübergang an der Bornholmer Straße und der Freude in den Gesichter all derer, die eben genau dort nach 40 Jahren zum ersten Mal ohne Kontrollen die Brücke hoch oben über den S-Bahn-Gleisen nach West-Berlin überqueren konnten, auch heute noch Tränen in die Augen steigen.

Gleichberechtigung: Mut, Willen und Kraft

Was es damals brauchte: Den Mut, Bestehendes zu hinterfragen, den Willen zur Veränderung und die Kraft, sich dafür stark zu machen. Wenn auch mit weniger menschenrechtlicher Brisanz, so sind Mut, Willen und Kraft doch auch die Zutaten, die es braucht, um der Gleichberechtigung heute weiter auf die Sprünge zu helfen, sie selbstverständlich zu machen.

Und wir auf Konferenzen nicht mehr nur über „Frauen und …“ sprechen, sondern Frauen gleichermaßen mit Männern auf Panels sitzen und ebenso Vorträge halten, weil sie etwas leisten, sie in verantwortungsvollen Positionen sind und sie andere inspirieren.

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