An qualifizierten Frauen herrscht kein Mangel – wohl aber an Unternehmen, die ihnen Karrierechancen bieten.
Jeder Frauenname eine Revolution?
Angela Hornberg ist Personalberaterin. Zuvor war sie unter anderem als Investmentbankerin für die Deutsche Bank und Lehman Brothers tätig. Seit 1994 ist sie Unternehmerin, zunächst im Market Research für die Finanzindustrie, seit 2002 als Personalberaterin. Für unseren Partner Capital schreibt sie über die Krux der Herrenclubs in der deutschen Wirtschaft.
Seitdem die Frauenquote in Aufsichtsrat für rund hundert börsennotierte Unternehmen beschlossen ist, wird jeder Frauenname im Machtzusammenhang wie eine Revolution gefeiert. Doch leider folgt auf fast jede „Eine mehr“-Schlagzeile in den Wirtschafts-News bald die andere „Eine weniger“-Headline. Und schon wird aus den wenigen Einzelfällen eine große (und bequeme) These geschnitzt: Frauen können es einfach nicht! Der Satz hat das Zeug zum Gassenhauer und könnte die alten Schlager von „Es gibt keine Frauen“ oder „Die Damen wollen alle nicht“ ablösen. Nun, wer die Augen aufmacht, kann erkennen: Es gibt jede Menge qualifizierte Frauen. Sie wollen. Und sie könnten, wenn …, ja, wenn!
Jede Innovation – und Frauen in Machtpositionen ist die größte soziale Innovation, die der deutschen Wirtschaft bevorsteht! – braucht gewisse Rahmenbedingungen, um erfolgreich zu sein. Pioniergeschichten sind Geschichten des Scheiterns. Me-firsts entwickeln einen neuen Markt; Follower erobern ihn. Sie können aus den Irrtümern und Fehlern der Vorgänger lernen.
Die wichtigste Lektion derzeit: Wer einen Gipfel erklimmen will, sollte sich den richtigen Berg aussuchen. Die Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, die bereits alle 14 höchsten Berge der Welt bestiegen hat, hat als ersten Achttausender auch lieber den Broad Peak bestiegen und erst als letztes den berüchtigten K2. Genauso sind auch die deutschen Konzerne sehr unterschiedlich zugänglich für Frauenaufstiege.
Ausländische Firmen sind offener für Frauen
Manche Unternehmen machen es Frauen leichter, manche schwerer. Microsoft, GFT und IBM haben schon seit Jahren selbstverständlich Damen an der Spitze ihrer deutschen Niederlassungen – und dass obwohl angeblich gerade in technischen Branchen gar keine Frauen zu finden sind. Und auch in der Finanzbranche berufen ausländische Finanzinstitutionen seit mehr als zehn Jahren immer wieder Frauen an die Spitze – sowohl in Deutschland als auch in den ausländischen Zentralen. Weder bei der Commerzbank noch bei der Deutschen Bank findet sich dagegen auch nur ein weibliches Vorstandsmitglied. Zufall? Sicher nicht.
Faustregel: Ausländische Unternehmen haben eine Unternehmenskultur, die ihren Mitarbeitern unermesslich viel mehr Karriere-Spielraum und transparente Wertschätzung der professionellen Leistung ermöglichen. Deutsche Arbeitgeber sind nach wie vor altmodische „Herrenclubs“ – in denen „informellen“ Beziehungen mehr als die Leistung zählen: Ein Vergleich? Es gibt Bergsteiger, die die 8000 Meter nur mit der künstlichen Hilfe der Sauerstoffflasche erreichen. Andere schaffen es ohne.
Lufthansa, Münchener Rück, Henkel und Allianz sind Unternehmen, die Damen von Innen heraus soweit befördert haben, dass sie heute Vorstandspositionen besetzen. Eine Frau, die Karriere im Finanzsektor machen will, sollte also nicht ausgerechnet zur Deutschen Bank oder Commerzbank gehen, denn dort gibt es immer noch keine weiblichen Vorstandsmitglieder. Als vor einigen Jahren zwei erfahrene Bergsteiger am K2 verunglückten, wurden sie hinterher von Alt-Guru Reinhold Messner als „Touristentruppe“ verhöhnt – übrigens in völliger Verkennung der Rahmenbedingungen. Karrierefrauen bei deutschen Banken seien deswegen gewarnt: Sie riskieren nicht nur den Erfolg, sondern auch ihren guten Ruf.
Frauenförderung als Feigenblatt
Wer statt Spott lieber Erfolg ernten will, muss genau hinsehen und bei Unternehmen anheuern, die schon heute eine moderne Personalpolitik betreiben, geschlechtsneutral und leistungs- statt männlichkeitsorientiert. Strikt zu meiden sind dagegen Unternehmen, die unter medialem Applaus mal eben schnell eine Vorstandsfrau engagieren, um sie binnen kurzer Zeit wieder zu feuern. Conti und die Deutsche Post etwa haben mit dem Thema Frauenförderung ganz offensichtlich Augenwischerei betrieben und sind nicht ernsthaft bereit, Vorurteile und schlechte Gewohnheiten aufzugeben.
Dringend gewarnt sei vor Ausflügen in vermeintlich familienfreundliche Unternehmen. „Familien- und Berufsvereinbarkeit“ bedeutet nur, dass Frauen dort Teilzeit-Jobs annehmen, aber noch lange nicht, dass sie dort Karriere machen können.
Auch zum Erklimmen der Karriereleiter braucht es festen Willen, Disziplin und eine gute Vorbereitung. Neben Ehrgeiz, Durchsetzungskraft und Courage sollte man auch genug Intelligenz und Demut aufbringen, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Experten zurate zu ziehen: ehrliches Coaching, loyale Medienberatung und strategische Expertise.
Wer auf halbem Weg merkt, dass das Gipfelkreuz nicht erreichbar ist, tut gut daran, die Expedition abzubrechen und sich ein anderes Terrain für das nächste Karriere-Abenteuer zu suchen, sprich: eine Firmenkultur, die keine Angst von einem Topmanagement hat, das anders aussieht als ein durchschnittlicher testosterongesteuerter Manager mit schütterem Haar und blasiertem Denken. Es gibt nur 14 Achttausender, aber weit mehr attraktive Unternehmen. Erklimmen wir die richtigen!
HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Capital – Das Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Capital mit Reportagen, Analysen, Kommentaren aus der Welt der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen.
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