Geertje Tutschka ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Die Wiedervereinigung hat für sie den Aussschlag gegeben, Juristin zu werden. Sie erzählt, wie die Einheit auch den Fokus ihres Berufs geprägt hat.
Alles änderte sich
Die Deutsche Einheit hat mein Leben in eine völlig andere Richtung gewiesen:
Als am 3. Oktober 1990 aus der DDR und der BRD wieder ein deutscher Staat wurde, waren viele von uns voller Hoffnung. Immerhin waren wir wiedervereinigt und nun sollte zusammen wachsen, was zusammen gehörte.
Endgültig vorbei die Zeit, in der jeder Bootsausflug im Sommerurlaub an der Ostsee bei plötzlichem Wetterumschwung zum politisch-riskanten Manöver wurde. Vorbei die Nächte am Rande von Berlin, in denen wir nachts wegen der Schüsse nicht schlafen konnten, über die wir am nächsten Tag nicht reden durften. Verschwunden sind die Barrieren – die bürokratischen wie die aus Beton und Stacheldraht – die die Grenzdörfer abschirmten und das ohnehin kleine Land mit dem kilometerweiten Grenzstreifen noch kleiner machten.
Das Wild – so war erst kürzlich zu lesen – meidet diesen Grenzstreifen immer noch und wechselt nur vereinzelt die Seiten. Bei den Menschen ist das wohl zum Teil ebenso – auch noch nach 25 Jahren. Auch mich hat es mit der Maueröffnung nicht wirklich fort gezogen. Doch was mich faszinierte war das vertragliche Konstrukt der Wiedervereinigung: der Vertrag, der aus zwei Staaten wieder einen machen sollte. Das wollte ich verstehen. Und so schrieb ich mich für Rechtswissenschaften in den alten Bundesländern ein, denn zu diesem Zeitpunkt waren die rechtswissenschaftlichen Fakultäten an den ostdeutschen Universitäten in Auflösung begriffen: das bisherige Studium gab es nicht mehr, Professoren waren entlassen, Bibliotheken unbrauchbar. An meiner Universität in NRW waren die Vorlesungen auf Montag bis Donnerstag begrenzt worden, damit die Professoren von Freitag bis Sonntag in den neuen Bundesländern unterrichten konnten. Eine spannende Zeit. Und viele meiner Fragen konnten mit Professoren wie Hans-Jürgen Papier beantwortet werden.
Es ist keine Kunst, dagegen zu sein
Mit dem Jurastudium entwickelte sich aus meiner Oppositionshaltung eine Konsenshaltung: Ich erkannte, dass es keine Kunst war, dagegen zu sein. Aber es war eine Kunst, Gegner an einen Tisch zu bekommen und zum Miteinander-Reden zu kriegen; aus widerstreitenden Interessen und unterschiedlichen Kräften ein einheitliches, ausgewogenes Konstrukt, eine Vereinbarung zu kreieren, das Konflikte auflöst. Das war meine „Baustelle“, meine „Battle“ und die ist es bis heute: als Anwältin für Vertragsrecht.
Wissen, was die eigene Herausforderung ist
Haben Sie schon Ihre Herausforderung gefunden? Was ist Ihre „Battle“? Was treibt Sie an? Formulieren Sie sie laut und deutlich. Und wählen Sie Ihren ganz persönlichen Weg; egal wie oft Sie dieser Weg in die Irre führt, Sie stolpern oder Umwege gehen müssen. Bis der Tag kommt, an dem dieses unerwartete, nicht geplante und unvorbereitete Ereignis eintritt und Ihr Leben für immer verändert: Sie haben Ihr Ziel erreicht.
In diesem Sinne: Choose your Battles!
Dr. Geertge Tutschka bloggt außerdem auf ihrem Blog Jurcoach.
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