Foto: Clap for Crap

Klatschen gegen rassistische und sexistische Sprüche im Alltag – kann das funktionieren?

Wie begegnet man diskriminierenden Kommentaren bei Familientreffen? Eine neue Kampagne schlägt etwas Ungewöhnliches vor: langsam klatschen. Das Gesicht der Kampagne ist die 21-jährige Enya Elstner. Ein Interview.

 

Ein Pausebutton für dumme Sprüche? 

Von fast jeder deutschen Familienfeier kennt man es: ein vermeintlich lustiger Spruch, der aber eigentlich vor allem eins ist: rassistisch, sexistisch oder anders diskriminierend. Und oft ist die Antwort darauf, selbst wenn man die diskriminierende Aussage als genau das erkannt hat und problematisch findet, entweder betretenes Schweigen oder sogar zaghaftes Mitlachen. Wie man anders reagieren kann? 

Mit dem sogenannten „Slowclap” schlagen die FDP-nahe Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit und die Berliner Agentur RCKT in einer neuen Kampagne vor. „Clap for Crap” heißt sie und soll sowohl in echten Begegnungen als auch im Internet-Dialog mit dem #ClapfoCrap Anwendung finden. Durch das Klatschen soll auf die diskriminierende Ebene der jeweiligen Aussage aufmerksam gemacht werden.

Kann ironisches Klatschen immer die richtige Antwort auf direkt oder indirekt erlebte Diskriminierung sein? Sicherlich nicht. Gerade in Situationen, in denen man nicht die direkte Konfrontation suchen kann oder will, die Situation aber auch nicht einfach weglächeln will, kann die Aktion aber hilfreich sein. Darüber hinaus stellt die Kampagne Anti-Diskriminierungs-Initiativen und Organisationen vor, bietet Informationen und zeigt konkrete Möglichkeiten zum Engagement auf. #ClapforCrap kann auch der Beginn einer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Diskriminierungsmechanismen sein.

Wir haben mit Enya Elstner, der klatschenden Protagonistin des Werbespots der Kampagne, darüber gesprochen, in welchen Situationen #ClapforCrap Anwendung finden kann, wie wichtig die Reflexion der eigenen Privilegien durch die Mehrheitsgesellschaft ist und warum ihr die Kampagne persönlich am Herzen liegt.

„Clap for Crap” – was genau ist damit eigentlich gemeint?

„Der Hashtag #ClapforCrap dient dazu, auf Rassismus, Sexismus, Diskriminierung in jeglicher Form, anders zu reagieren als mit Schweigen oder Lachen, eben mit einem langsamen Klatschen. Die Idee ist eine Handhabung für alltägliche Situationen, sowohl im echten Leben, aber auch im Internet.”

Im Werbespot geht es um eine Situation, die wohl ziemlich viele (junge) weiße deutsche Menschen von Zusammenkünften mit der eigenen Familie kennen: ein rassistischer Kommentar von einem Verwandten, der lustig gemeint sein soll. Wie kann der sogenannte „Slow Clap” in dieser konkreten Situation helfen?

„Besonders gut finde ich, dass das langsame Klatschen der Situation eine Pause gibt. Es findet ein Bruch statt. Und dadurch realisieren vielleicht nicht nur die Person, die das gerade gesagt hat und die Person, die darauf aufmerksam macht, sondern alle am Tisch, dass gerade etwas falsch gelaufen ist. Das Klatschen funktioniert in dem Fall wie ein Pause-Button.”

Du selbst fällst mit 21 Jahren ziemlich genau in die Zielgruppe der Kampagne. Wo begegnen dir persönliche Diskriminierungs-Situationen im Alltag und wie gehst du damit um?

„Ich habe das Glück, eine sehr offene und tolerante Familie zu haben. Deshalb habe ich solche Essensszenen zum Beispiel noch nicht erlebt. Aber klar bekomme ich viele Situationen von Freund*innen und Bekannten mit. Und egal ob man in der Uni ist, im Supermarkt oder im Restaurant, erlebt man ja auch überall solche Situationen, in denen man denkt: ,Boa, richtig blöder Kommentar gerade’. Ich finde es einfach extrem wichtig, dass man sich immer wieder bewusst macht, welche Privilegien man eigentlich hat, sich stetig weiterbildet und mit Menschen auseinandersetzt, die Diskriminierung erleben.”

Die Kampagne trifft trauriger Weise einen Nerv der Zeit. Werden Rassismus und Sexismus in deinem Umfeld viel diskutiert? Beschäftigen dich diese Themen auch abseits der Kampagne?

„Ja, total. Auch meine Freund*innen versuchen sich mit ihren eigenen Privilegien auseinanderzusetzen. Außerdem bekomme ich von betroffenen Freund*innen mit, wie sehr sie diesen internalisierten Rassismus manchmal abbekommen. An Nicht-Betroffenen geht das oft vorbei. Und deshalb ist der Austausch darüber so wichtig.”

Es gibt sicherlich auch Situationen, in denen man auf Diskriminierung nicht locker-lässig mit einem ironischen Klatschen reagieren kann. Wann ist „Clap for Crap” gewollt?

„In den meisten Beispielen des Werbespots geht es um Situationen, in denen Familienmitglieder vermeintliche Witze reißen. In diesen Situationen kann das langsame Klatschen gut dafür sein, mit dem Finger darauf zu zeigen, dass es eben kein harmloser Witz ist. Das ist auch nicht immer einfach, glaube ich. Und den Mut dazu muss jede*r selbst aufbringen. Aber genau um solche Alltags-Situationen geht es.”

Warum liegt dir die Kampagne persönlich am Herzen?

„Weil ich immer wieder bei Freund*innen und Bekannten mitbekomme, wie schwer solche, als Witz getarnten, Aussagen wiegen. Wie viel schwerer sie das Leben von Betroffenen machen. Deshalb ist es mir auch ein persönliches Anliegen, dass die Leute sich weiter sensibilisieren für Rassismus, Sexismus und andere Formen der Diskriminierung. Und weiter daran arbeiten, sich seiner Privilegien bewusst zu sein und sich mit Respekt zu begegnen.” 

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