Was tun, wenn Bekanntes langweilig wird?
Gestern sah ich in einer Zeitung eine Werbeanzeige, auf der verschiedene Makeup-Artikel abgebildet waren. Dabei stachen mir ein quietschgrüner Nagellack und ein moosgrüner Lidschatten ins Auge und ich dachte: Mensch, das hatten wir doch vor nicht allzu langer Zeit alles schon einmal.
Im Kopf versuchte ich zu ergründen, in welchem Jahr der Trend “Grün auf alles, was man am Körper grün schminken kann” aufkam. Leider weiß ich nicht mehr, ob es vor drei, fünf oder zehn Jahren war.
Dieses Ereignis machte mir klar, dass ich in einem Alter angekommen bin, in dem nicht mehr alles aufregend und neu und zum Hyperventilieren spannend ist, sondern, dass die Zeit des Zurückschauens angebrochen ist. Sei es Makeup, seien es Bücher oder aber relativ gleich ausgestattete Theaterstücke, deren Titel, Protagonisten, Texte und Melodien austauschbar sind und deren Kulissen und Kostüme man in dieser oder ähnlicher Form in anderen Inszenierungen schon einmal vorfand.
Bei einigen Menschen würde jetzt der Gedanke aufkommen: Mein Gott, ich werde alt!
Ich jedoch denke: Ich bin schrecklich gelangweilt.
Ich lese die ersten Seiten eines Frauenromans, schlage ihn genervt zu, da ich einen vergleichbaren – damals noch euphorisch – in meinen Jugendjahren las, stelle ihn in die Ecke und rühre ihn nie mehr an. Vielleicht noch ein einziges Mal, um ihn in die Kiste “Kann weg” zu befördern. Ich sehe in einem Laden eine Hose, deren Schnitt es genau so schon mehrmals gab. Weil ich eine ähnliche Hose bereits besessen habe und nicht “schon wieder das Gleiche” in den Kleiderschrank hängen möchte, lege ich sie leidlich enttäuscht zurück auf den Stapel.
Wir leben in einer Zeit, in der wir alles, was auch immer wir uns wünschen, binnen Minuten oder Stunden zur Verfügung haben können. Kreative Köpfe auf der ganzen Welt setzen sich täglich daran, uns neue Ideen, Technologien und andere zeitgemäße Erfindungen zu präsentieren. Aber sind diese Dinge wirklich neu? In vielen Fällen nicht. Sie haben oft nur ein anderes Gewand. Und haben sie sich weiterentwickelt? Vielleicht ja, wenn zu einer Weiterentwicklung zählt, dass zehn Jahre später anderes Stoffmaterial oder andere Farben an Kleidungsstücken bevorzugt werden oder das Alter der Frauenromanheldin von Anfang 20 auf Mitte 30 steigt, während sich beide Protagonistinnen noch immer mit den gleichen Männerproblemen herumschlagen. Vielleicht zählt auch der Fakt, dass Opernsänger zum Gesangsunterricht nun auch Schauspielunterricht bekommen, da es sehr einschläfernd wirkt, wenn der Sänger während einer Arie einfach bewegungslos mitten auf der Bühne steht- was aber noch lange nichts an der Ausstattung und der Gestaltung der Bühne ändert.
Kann es sein, dass der Erfindungsreichtum der Menschen irgendwann an seine Grenzen stößt?
Oder kommt es nur mir so vor, weil ich nie Neues ausprobiert habe? Langsam komme ich ins Grübeln, ob ich mich nicht einmal in neue Gefilde wagen sollte, wenn mich Bekanntes langweilt: Vielleicht endlich einmal in Wagners “Der Ring der Nibelungen” gehen, anstatt in eine seichte Spieloper. Eine Karte dafür hätte ich vor Jahren noch nicht einmal mit der Kneifzange angefasst, da mir von allen Seiten erzählt wurde wie schwer doch die Musik wäre. Sollte ich doch mal eine Bluse statt T-Shirt und Pullover tragen? Sieht ja gleich erwachsener aus.
Oder einfach mal eine Biografie von Schiller lesen. 500 Seiten. Oder die Bücher, die mein Kumpel mir empfahl: Klassiker der 60er und 70er Jahre… wer mich kennt, weiß, dass diese Geschichtsepoche nicht so mein Interesse weckt und ich keine Jubelsprünge machte, als er sie mir vorschlug. Allerdings klangen die Inhalte beim Anlesen der Bücher so vielversprechend, dass ich sie mir als “Preisreduziertes Mängelexemplar” kaufte.
Ich war nie die große Experimentiererin, ich mag Gewohntes. Daher blieb ich lieber in meinem gewohnten Trott und leicht genervt-unglücklich mit der Situation/den Themen, als mich zu überwinden, Altes hinter mir zu lassen. Wenn mich das Alte schon so sehr selbst langweilt, scheint es doch Zeit zu sein, sich neuen Dingen zu widmen.
Nicht nur, dass mir damit neue Inspirationen gegeben werden, sondern das Gehirn wird wieder zu neuer Denkleistung angeregt, indem es neue Sinneseindrücke aufnimmt. Beim Besuchen schwerer Opern beispielsweise, mit deren Klang das Gehör noch nicht vertraut ist. Oder der Umstieg von einem Frauenroman zu einer Biografie, die gespickt ist mit Zeitgeschichte, philosophischen Lehren, Interpretationen von Theaterstücken; Themen, über die ich mich informieren muss, um die Biografie in vollem Umfang verstehen zu
können… Wenn ich es noch krasser angehen möchte, wechsele ich komplett das Genre und lese statt Prosa einfach mal eine wissenschaftliche Abhandlung. Am besten in einem Gebiet, das mich schon immer interessierte, ich mir jedoch nie die Zeit nahm, etwas darüber in Erfahrung zu bringen. Das Gehirn bekommt dann ordentlich etwas zu tun.
Wenn mir die neuen Erfahrungen nicht gefallen, kann ich wieder zurück zu alt Hergebrachem gehen, aber ich denke, wer einmal wirklich vorwärts kam, wird kaum zurückblicken (auf langweilige Bücher zum Beispiel).