Von Umwegen und Abwegen zu den eigenen Wegen.
Vor ein paar Jahren, ich war schon über 40, wollte ich unbedingt das Longboardfahren für mich entdecken. Das Wellenreiten hatte kurz vorher in mein Leben geholt, da passte das Longboard perfekt ins Portfolio: So urban.
Dank einiger aktiver Bürger gibt es in Berlin auch genügend Platz dafür. Sie ließen einfach einen Flughafen von den Flugzeugen befreien und voilà – schon hatten sie genug Raum für ihre Freiheitsliebe auf Rollen.
In Kalifornien, Venice Beach, da wo man ja sowie alles macht und machen darf, versuchte ich mit meinen Berliner Lonfgboardfahrkünsten zu punkten.
Was ich erntete waren besorgte Blicke von süßen jungen Mädchen mit glatten Haaren, die mir rieten, ja vorsichtig zu sein, man könne sich sehr damit verletzen. Auch einige Venice-Hipster mit Bart und goldenen Fahrrädern waren auf liebevolle Weise besorgt um meine Greisenknochen. „Wow – and take care of you.” „It ’s so cool that you will try this.” „Yeah you´re never to old to learn new things.” Thanks for that.
Wenigstens konnte ich am Ende des Urlaubes unkommentiert zum Strand rollen. Mittlerweile fuhr ich wohl ganz passabel und hatte auch mein Röckchen und die Ballerinas gegen Jeans und Vans eingetauscht. Aus den Augenwinkeln, während ich unlässig den Boardwalk entlangfuhr, sah ich jedoch eine andere Spezies auf Rollen, doch war ich zu beschäftigt mit nicht-auf-die-Schnauze-fallen, um sie wirklich wahr zunehmen.
Wieder im schönen Prenzlauer Berg, verging mir bei der hiesigen Verkehrslage irgendwie die Lust am Longboarden und nachdem in einem Werbespot (ich glaube für eine Bank) ein Mann (natürlich bärtig ) an irgendeiner Glasfassade entlang rollert und jemand mit bedeutsamer Stimme raunt: „Du kannst auch noch mit 45 noch Longboard fahren“ oder so ähnlich, verging mir komplett die Lust. Kann ich- will ich aber nicht mehr. Und ich bin ja auch schon 46. Und einen Bart hab ich auch nicht.
Das Board hängt jetzt an der Wand, eine schöne Erinnerung und einfach nicht mein Ding. Nur die Sehnsucht nach Rollen unter den Füßen, die blieb. Warum mühsam Schritt für Schritt den Weg hinter sich bringen, wenn man gleiten kann? Könnte.
Dank Facebook kam die Rettung: DiscoRollerDisco im Prinz Charles. Ja — genau das waren doch die Einhörner, die ich im Strand von Venice gesehen hatte. Discoroller aus den 80ern — da komm ich ja auch her. Meine Herde. Endlich hatte ich sie wieder.
Ich machte noch kurz einen Umweg über Inlineskater, die ich nie mochte, auch schon in den 90ern nicht. Aber vielleicht hatte ich mich ja damals geirrt? Dies führte zu einer echten Grenzerfahrung mit Todesahnung. Wieso sollte man auch nicht nach einer Stunde üben die Skaternacht über 32 Kilometer quer durch Berlin mitfahren? Noch mal 1000 Dank an den netten Motorradpolizisten, an dessen Motorrad ich mich die letzten 5 km festklammern durfte und der mich ritterlich durch die Nacht ins Ziel geleitete.
Nachdem ich diese Idee überlebt hatte — wie war das noch: Alle Entscheidungen, treffen wir mit der Idee, sie würden uns glücklich machen. Erst hinterher wissen wir: Wir haben uns geirrt— kam ich endlich beim Prinz Charles und den Rollschuhen an. Kaum waren sie an meinen Füßen, bildete mein Rückenmark direkt neue Nervenbahnen zu den acht kleinen hübschen Rollen an meinen Füßen aus. Wir wurden eins.
Seit dem gehe ich zu DiscoRollerDance-Training und hole mir dort jedes mal eine fette und nährende Portion Lebensfreude ab und habe endlich zu Weihnachten mal wieder einen richtigen, echten Herzenswunsch: Rollschuhe. Richtige Rollschuhe.
Und nächstes Jahr wünsche ich mir die Rollen, die im Dunkeln leuchten. So wie Sterne und … Einhörner.