Foto: Gage Skidmore – Flickr – CC BY-SA 2.0

Der Ernstfall: Wenn ein schlechter Scherz Wirklichkeit wird

Was lange als unmöglich galt, ist nun Gewissheit – Donald Trump wird Präsident. Wie geht man mit jemandem um, der so unberechenbar ist?

Und dann passiert es tatsächlich

Donald Trump war lange nur ein schlechter Scherz. Jetzt wird er Präsident. Die Welt muss sich fürchten vor dem, was diesem unberechenbaren Mann als Nächstes einfällt. Den Wahlsieg von Trump kommentiert Carsten Luther von Zeit Online.

Ein totalitärer Blender und betrügerischer Dilettant hat es geschafft, sich ins Weiße Haus wählen zu lassen. Donald Trump ist ein epochales Desaster, das nicht nur dieses große Land und seine Demokratie auf Jahre hinaus verändern wird. Die ganze Welt wird die Auswirkungen dieses Fehlers spüren.

Viele hielten es für einen Scherz, als Trump im vorigen Jahr seine Kandidatur ankündigte: Soll er doch, solange es ihm Spaß macht – und uns. Fast eineinhalb Jahre ist das her, heute lacht niemand mehr. Jetzt steht ein sexuell übergriffiger Rassist, pathologischer Lügner und nervöser Egomane an der Spitze der Vereinigten Staaten: Indiskutabel für alle, die an Demokratie und Menschenrechte oder wenigstens an den gesunden Verstand der Menschen im Allgemeinen, der Amerikaner im Besonderen glauben. Verdammt, sie hatten nur einen Job: diesen Mann zu verhindern!

Weil er gewonnen hat, wird auch Trump zustimmen: Diese Wahl war nicht manipuliert. Es gibt keine Ausrede für die Entscheidung der Mehrheit. Und doch haben die Immunkräfte versagt, die gesunde Demokratien bislang gegen den hohlen Populismus geschützt haben. Trumps fanatische Anhänger interessierte nicht, was wahr und richtig ist. Eine Debatte über Inhalte, das nüchterne Abwägen zwischen politischen Programmen, hat in diesem beispiellos vulgären Wahlkampf nicht stattgefunden. Was können wir von ihm erwarten? Was wird dieser Mann als Präsident tun oder unterlassen? Mit der Aufmerksamkeitsspanne eines pubertierenden Rotzlöffels, den nur seine eigene Welt interessiert, hat Trump jeden Versuch zunichte gemacht, Antworten auf diese Fragen zu bekommen: „Ich bin der Beste“ – der Rest war Pöbeln unter dem Beifall Gleichgesinnter.

Sie haben ihm zugejubelt, wenn er gegen Minderheiten hetzte. Sie haben geklatscht, wen auch immer er beleidigte, erniedrigte oder lächerlich machte. Sie haben alle Lügen und inhaltlichen Leerstellen ignoriert. Der Serienbankrotteur, Rechnungspreller und Steuertrickser war für sie der erfolgreiche Geschäftsmann, der den besten Deal herausholen wird. Sein „Amerika zuerst“ verstanden sie als „Wir zuerst“: Die Chinesen stehlen unsere Arbeitsplätze, die Mexikaner vergewaltigen unsere Frauen, die Muslime wollen uns alle in die Luft sprengen – also mauern wir uns ein, schotten uns ab und unterdrücken auch im Innern alles, was anders ist.

Die vermeintlich Abgehängten fühlen sich wieder als Gewinner

Wer Trump gewählt hat, mag das als Protest gegen das Establishment verstanden haben – ist damit aber fraglos Teil eines antidemokratischen Aufruhrs geworden, dessen Antreiber nicht mehr an viel glauben, was einen modernen Staat zusammenhält. Den regulierungsfeindlichen Egoismus des konservativen Amerikas, den die Republikaner über Jahrzehnte kultiviert haben, hat Trump ins Autoritäre pervertiert. Keine Werte mehr, nur noch das Recht des Stärkeren. Trump ließ sich nicht einmal das Bekenntnis abringen, das Wahlergebnis im Falle einer Niederlage anzuerkennen. Lieber stachelte er die Wut auf das System noch an – und auf dessen Verkörperung Hillary Clinton. Wer wollte, konnte ihn so verstehen, dass plötzlich jedes Mittel gegen den politischen Feind legitim war: Einige bereiteten sich am Schießstand auf den Wahltag vor. Arm gegen reich, schwarz gegen weiß, ungebildet gegen gebildet – Trump hat seinen Aufstieg auf diesen Konflikten gebaut, er hat sie ausgeschlachtet und brutalisiert.

Mit Trump können sich die vermeintlich Abgehängten als Gewinner fühlen. Der Traum von einem Amerika, in dem jeder die gleiche Chance hat, bedeutet ihnen nichts mehr. Ihr entfesselter Hass richtet sich wahlweise gegen Schwarze, Muslime, Hispanics, Frauen, Journalisten – die Liste kann nur unvollständig sein. Im Zweifel sind es alle, die bei dieser Wahl verloren haben. Sieg oder Untergang – darauf hat Trump seine Anhänger eingeschworen. Das ist der Weg aller totalitären Bewegungen.

Deshalb ist Trump so gefährlich. Alle Szenarien sind wertlos, weil sie diesem irrationalen, affektgetriebenen, empathielosen Selbstdarsteller nicht gerecht werden können. Treibt er die USA in einen Handelskrieg mit China? Arrangiert er sich mit Russland und dessen gewaltsam vorgetragenen Hegemonialanspruch? Gibt er die Nato-Solidarität auf? Interessiert ihn Europa überhaupt? Der Nahe Osten? Und wie viel lässt er übrig von der großen Demokratie der Vereinigten Staaten, wie wir sie heute kennen?

Was wir von Trumps Plänen und Vorstellungen wissen, ist beängstigend. Viel schlimmer ist, was wir nicht wissen: Ob ihm nicht schon morgen wieder etwas anderes einfällt, das ihm den Beifall einbringt, den er braucht. Oder wozu er sich unter Druck hinreißen lässt. Er ist Oberbefehlshaber einer Atommacht. Mit Trump ist Amerika unberechenbar geworden.

Dieser Text ist zuerst auf Zeit Online erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

Titelbild: Gage Skidmore – Flickr – CC BY-SA 2.0

 

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