Sich wortwörtlich in der eigenen Haut wohlzufühlen, fällt schwer, wenn Betroffene wegen Akne oder anderer Hautirritationen, mit denen so viele Menschen zu tun haben, stigmatisiert werden. Die Londoner Fotografin Sophie Harris-Taylor will mit ihrer Bilderserie „Epidermis“ dazu beitragen, dass sich das ändert. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit gesprochen.
„Vor ein paar Jahren hätte es mich entsetzt, ein Porträt von mir ohne Makeup auf der Haut zu sehen“
Wer hat schon eine perfekte Haut? Die wenigsten von uns, doch dank Make-up und diverser Foto-Filter können wir sie dennoch vortäuschen und vermeintliche Makel unsichtbar machen. Mit der Realität hat das dann allerdings wenig zu tun und was bringt all das, wenn wir uns unwohl fühlen, sobald wir uns abends abgeschminkt oder das Smartphone weggelegt haben? Wenn ein Schamgefühl entsteht, nur weil wir uns zeigen, wie wir sind? Und wieso sollte es irgendjemandem verwehrt bleiben, sich wohl in seiner eigenen Haut zu fühlen?
Weil es die Vorstellung davon gibt, dass eine Hautbeschaffenheit uns wertvoller, schöner oder besser macht als die andere. Genau dagegen will die Londoner Fotografin Sophie Harris-Taylor, die selbst in ihrer Jugend mit Akne, aber vor allem mit sich selbst und den Blicken der anderen zu kämpfen hatte, arbeiten.
Um der Stigmatisierung von Hautproblemen entgegenzuwirken, hat sie 20 unterschiedliche Frauen vor ihre Linse gebeten, die bereit waren, sich so zu zeigen, wie sie sind. Herausgekommen ist eine starke Bilderserie, die zeigt, wie unsinnig es ist, Schönheit anhand äußerer Parameter zu bemessen. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit gesprochen und zeigen einige Bilder aus der Serie.
Wir reden immer mehr über das Thema Body-Shaming, mit der Stigmatisierung von Hautproblemen werden aber gerade junge Menschen oft alleine gelassen. Auch du hast in das in deiner Jugend erfahren – waren die Erinnerungen daran der Impuls, der Haut eine Bilderserie zu widmen?
„Ich erinnere mich daran, mich in meiner Jugend wegen meiner Haut permanent wertlos gefühlt zu haben. In dieser Zeit, in der man so verzweifelt versucht, dazuzugehören, liegt so viel Gewicht darauf, wie man aussieht. Ich habe immer angenommen, alle würden mich angeekelt anschauen, vielleicht sogar denken, dass ich dreckig bin und mich nie richtig wasche. Ich war eine Zeitlang sogar zu ängstlich, um zu einem Arzt zu gehen, weil ich nicht verurteilt werden wollte. Wenn ich heute daran zurückdenke, gab es sicher andere, die auch solche Hautprobleme hatten, aber man sieht sich selbst ja immer am kritischsten. Umgeben von Beauty-Magazinen und einer Mädchenschule gab es nur einen ,richtigen‘ Hauttyp. Selbst Sommersprossen waren verpönt!
Ich glaube, wir haben in Sachen Vielfalt allgemein schon viel erreicht, aber ich nehme wahr, dass es immer noch eine Stigmatisierung gibt, was die Hautbeschaffenheit betrifft. Wahrscheinlich liegt das daran, dass es so normal ist, vermeintliche Makel zu verdecken, dass wir nicht einmal mehr darüber nachdenken. Oder es übernimmt einfach der Filter unseres Smartphones, der nicht nur unsere Haut weichzeichnet, sondern auch gleich die Augen größer zaubert, bis wir aussehen wie eine Barbie-Puppe. Junge Menschen benutzen diese Filter permanent, und die Bilder, die daraus entstehen, sind zur Normalität geworden.
Ich verstehe schon, dass Menschen das Beste aus sich herausholen wollen, aber muss das deshalb so weit gehen, dass wir uns komplett von der Realität entfernen? Wir haben die Fantasiewelt der Hochglanzmagazine in unseren Alltag übernommen. Für mich geht es aber bei der Fotografie darum, etwas Menschliches zu zeigen, etwas Schönes und Wahres, und das ist es auch, was ich an anderen Arbeiten schätze. Ich will die Stärke in der Verletzlichkeit einfangen und mein aktuelles Projekt zeigt definitiv beides davon.“
„Wir haben die Fantasiewelt der Hochglanzmagazine in unseren Alltag übernommen.“
Wie hast du deine Models für die Serie gefunden – und wie hast du sichergestellt, dass sie sich vor der Kamera wohlfühlen? Ich stelle mir vor, dass es schwerfallen kann, diese intime, ungeschminkte Seite von sich zu zeigen.
„Das ist wirklich ein sensibles Thema, für das ich nicht einfach Menschen auf der Straße ansprechen konnte. Für mich war Instagram sehr hilfreich bei der Recherche, weil ich hier Kontakt mit denen aufnehmen konnte, die schon Posts zu ihrer Haut gemacht haben und bereit sind, darüber zu sprechen. Ich habe ganze Abende damit verbracht, nach etwa dem Hashtag #Akne zu suchen. Auch habe ich über meine Social-Media-Kanäle einen Aufruf gestartet und einfach viel mit potenziellen Models darüber gesprochen, so dass sie verstehen konnten, was mein Ansatzpunkt ist und was ich damit erreichen will.
Ich habe alle Frauen in meinem Studio zuhause, in natürlichem Licht fotografiert. Auch währenddessen haben wir viel gesprochen, uns kennengelernt und haben unsere persönliche Haut-Geschichte geteilt. Einige der Frauen haben noch nie ohne Make-up das Haus verlassen, so dass sie diese Situation zunächst einschüchterte, zusätzlich hatten die meisten von ihnen noch nie vor einer professionellen Kamera gestanden. Fotografiert zu werden, bringt die meisten Menschen in eine verwundbare Situation und mir liegt immer daran, alles dafür zu tun, dass sie sich wohlfühlen. Was manchmal als nervöses Shooting beginnt, endet deshalb oft in Befreiung und einem Gefühl von Empowerment.“
„Einige der Frauen haben noch nie ohne Make-up das Haus verlassen.“
Welche Reaktionen haben die Bilder in deinen Models ausgelöst, als sie sich das erste Mal gesehen haben?
„Ich habe die Models alle interviewt, nachdem sie die Bilder von sich gesehen haben, also lasse ich sie am besten selbst zu Wort kommen. Hier ein paar Reaktionen von ihnen:“
Tina: „Ich mag sehr, wie ruhig ich aussehe. Ich fokussiere mich nicht auf meine Haut oder meinen Körper, sondern fühle mich wohl mit mir selbst.“
Indiana: „Die Bilder bringen gemischte Gefühle in mir hoch. Einerseits Traurigkeit, weil es eine Zeit zusammenfasst, in der ich mich kraftlos fühlte, an einem Tiefpunkt war. Aber auch dieses Überglücklichsein darüber, dass genau das dieser Kraftlosigkeit ein Ende setzt. Das, was mich so schlecht hat fühlen lassen, kann von mir abfallen, weil ich es in hellem Tageslicht gezeigt habe. Die Wärme und den Respekt, den ich dafür von anderen erhalten habe, ist riesengroß.“
Annie: „Auch wenn meine Akne offensichtlich ist, ist das nicht das Erste, was meine Augen wahrnehmen, was ich sehr mag. Ich sehe erst meine anderen Eigenschaften und dann meine Haut. Das tut gut.“
Ilaria: „Aus irgendeinem Grund liebe ich es, weil es mich als Ganzes zeigt. Und ich liebe meine olivefarbene Haut!“
Joice: „Vor ein paar Jahren hätte es mich wahrscheinlich entsetzt, ein Porträt von mir ohne Makeup auf der Haut zu sehen, aber heute fühle ich anders. Ich fühle mich stärker durch dieses Abbild meiner selbst.“
Was hätte dir denn als junges Mädchen geholfen, um dich in deiner Haut wohlzufühlen – und was kannst du vielleicht jungen Menschen mitgeben?
„Rückblickend ist das immer leicht zu sagen. Aber wenn ich damals doch nur gewusst hätte, dass keine dieser physischen Eigenschaften wirklich wichtig ist! Wir reden über Schönheit immer als physisches Attribut, dabei kommt Schönheit doch eigentlich von innen – und je früher man das lernt und versteht, umso besser ist es. Sei dir sicher, mit dem, wer du bist, denn es gibt ganz ehrlich nichts Schöneres als Selbstakzeptanz. Aber auch ich übe mich noch darin.“
Alle Artikelbilder: Sophie Harris-Taylor.
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