Esther Eisenhardt ist eine unserer „25 Frauen für die digitale Zukunft“ und Gründerin von „Mompreneurs” – ein Netzwerk von und für selbstständige Mütter.
Das Klischee: Die Dawanda-Mütter
Es gibt da dieses Klischee, das Esther Eisenhardt schon immer wahnsinnig genervt hat: Das von den „Dawanda“-Müttern, deren Unternehmertum darin besteht, neben der Kinderversorgung einen kleinen Shop zu betreiben, in dem sie ihre selbst gestrickten Babymützen verticken. „Mütter sind eine der am meisten unterschätzten Ressourcen überhaupt, so viele gehen der Wirtschaft verloren“, sagt sie.
Esther selbst war zwölf Jahre lang angestellt, hat bei Ebay, Brands4friends und Rebate Networks gearbeitet. In dieser Zeit hat sie selbst zwei Kinder bekommen, blieb jeweils für ein Jahr zu Hause und kehrte dann wieder in den Job zurück, sie probierte alles durch, Vollzeit, 35 Stunden, 30 Stunden. Ihr Mann ist beruflich unter der Woche kaum da, eines ihrer Kinder reagierte sensibel auf die viele Abwesenheit der Eltern – für Esther war klar, dass es anders sein soll, so wollte sie nicht leben, nicht als Eltern, die sich Vollzeit im Angestelltenverhältnis abkämpfen.
„Es war eine einzige Hetzerei, ich war in meinen Unternehmen die einzige Mutter, in der Startup-Branche ist das Verständnis nicht unbedingt riesig.“ Sie verließ um halb sieben in der Früh das Haus, saß um sieben Uhr im Büro, um die Stunden für die Vollzeitstelle vollzukriegen. Bis sie merkte: So will sie nicht weitermachen. 2011 beschloss sie, selbst zu gründen.
Das Stichwort „Mütter” schreckt ab
Ihre erste Idee: Eine Jobbörse speziell für Mütter, damals enstand die Idee im Team mit zwei Mitgründern. „Alle Fehler, die man beim Gründen machen kann, habe ich damals schon gemacht“, sagt sie heute. Bei der Investitionsbank Berlin (IBB) stellten sie einen Förderantrag, monatelang bastelten sie an dem Antrag, das Geld hätten sie gebraucht, um einen Prototypen der geplanten Onlineplattform zu bauen, zu testen, Entwickler einzustellen – alles Voraussetzungen, um die IBB-Förderung zu erhalten. „Irgendwann haben wir die Reißleine gezogen, das war für uns nicht dier richtige Weg“, sagt sie heute. Dazu kam die entmutigende Erkenntnis: Die Idee kam nicht an. „Das Stichwort ,Mütter’ schreckt viele Arbeitgeber einfach ab – warum eine Mutter einstellen, mit all den Komplikationen? Und dann bei einer Jobbörse auch noch dafür bezahlen müssen?“, so schildert Esther die Reaktionen. Kurz kam die Idee auf, die Jobbörse auf alle Frauen auszuweiten, aber das Gefühl, die ursprüngliche Idee zu verwässern, überwog.
In dieser Zeit fiel ihr auf, dass die Gründerszene ziemlich männlich dominiert war. Wenig Frauen, noch weniger Mütter. „Dort herrscht der männliche Gedanke: Wenn du gründen willst, dann musst du 70 Stunden Minimum die Woche arbeiten, brauchst Venture Capital, alles wird in riesig gedacht.“ Esther merkte, dass ein solcher Weg auf keinen Fall ihr entsprechen würde. „Ich wollte das anders, ich wollte in Teilzeit gründen, erstmal eine One-Woman-Show, ohne Investoren, ohne Venture Capital und riesiges Team.“
Erstmal klein gestartet
Heute sind ihre Töchter sieben und neun Jahre alt, und Esther hat „Mompreneurs“ gegründet: Ein Netzwerk, das Mütter, die sich selbstständig machen oder gründen wollen, unterstützt.
Ihr erster Schritt war die Gründung einer Meetup-Gruppe für Mütter, die den Wechsel in die Selbstständigkeit planten, das war vor zwei Jahren. „Es kamen viele Frauen, die jahrelang zurückgesteckt hatten in ihrer Karriere, die jetzt keinen Hehl daraus machten, dass sie jetzt an der Reihe sein wollten, die Lust auf etwas Eigenes hatten.“ Für Esther war von Anfang an klar, dass sie klein starten wollte, sie erstmal alles selber stemmen können wollte. Die Website hat sie mit WordPress selbst geschaffen. Regelmäßig porträtiert sie „Mompreneurs“ auf der Seite, die seit Sommer 2014 online ist. Mittlerweile organisiert „Mompreneurs“ Meetups in 13 verschiedenen Städten, darunter Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf, Leipzig, Dresden Frankfurt, Zürich und Wien.
In einer von Esther kuratierten, geschlossenen Facebook-Gruppe tauschen sich mittlerweile mehr als 1.500 Mompreneurs aus, geben sich Tipps, unterstützen sich, helfen sich gegenseitig mit ihren Erfahrungen. „Fehler, die jemand gemacht hat, müssen andere ja nicht unbedingt auch machen – es kann nicht sein, dass jede Mutter, die gründen will, bei Null anfängt“, sagt Esther – Vernetzung sei unheimlich wichtig: Wie hast du das gemacht, wo liegen die Stolpersteine? Was war dein Erfolgsgeheimnis? Es gibt 100 Sachen, die man tun könnte, wenn man sich selbstständig macht –aber welche sind die wichtigsten zehn, die essenziellen drei, ohne die es nicht klappt mit dem Gründen? Das sollen die Frauen bei „Mompreneurs“ erfahren. „Das sind Frauen mit extrem viel Erfahrung und Know-How“, sagt Esther. „Viele haben die Erfahrung gemacht, dass im Job nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit oft Ende Gelände war: Runtergestuft, Meetings nach 16 Uhr, Anwesenheitskultur. Die Selbstständigkeit bringt eine Flexibilität, die so wichtig ist. Viele der Mütter haben eine unglaubliche Power, wollen endlich machen.“
„Es gibt eine riesige Bandbreite”
Die Geschäftsmodelle der Mütter sind vielfältig, Esther sagt aber: „Es geht in der Regel nicht um das klassishe, VC-finanzierte Startup, sondern die Frauen möchten finanziell unabhängig sein und natürlich davon leben.“ Und, sagt Esther, es gehe um skalierbare Businessmodelle: „Zum Beispiel bei Onlineshops gibt es schon so viele tolle Tools, es geht nicht immer darum, das Rad neu zu erfinden.“
Und wie ist das nun mit dem Dawanda-Klischee über Mütter, die zu Hause an Strickschühchen basteln und das dann eigenes Unternehmen nennen? „Es gibt eine riesige Bandbreite“, sagt Esther. Natürlich gibt es auch solche Mompreneurs, die klein starten. „Und es gibt viele, für die der wirtschaftliche Erfolg selbstverständlich im Vordergrund steht und die auch einfach darauf angewiesen sind und nicht klischeemäßig einen gut verdienenden Mann im Hintergrund haben.“ Die Bandbreite bei den Mompreneus ist so groß wie bei allen Selbstständigen: Viele, die sich im Bereich Coaching selbstständig machen, viele mit Onlineshops.
Esther möchte, dass Mompreneurs langsam, aber nachhaltig wächst. Mittlerweile lässt sie sich stundenweise von einem Community-Manager und einer Assistentin unterstützen, möchte in nächster Zeit neue digitale Formate wie Hangouts, Webinare und Mastermind-Gruppen anbieten. „Meine Erfahrung ist: Frauen sind ehrlicher. Sie haben weniger Probleme damit, zu erzählen, was nicht geklappt hat, während Männer tendenziell eher behaupten würden, alles sei super“. Mompreneurs soll der Ort sein, an dem die Mütter sich unter Gleichgesinnten austauschen können und den Mut fassen können, ihr Projekt anzugehen: „Ich möchte für Mütter etwas bewegen.“
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