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Feedback: Schlüsselmomente, die uns wachsen lassen

Menschliche Beziehungen beruhen auf Austausch und Entwicklung. Beides erfordert konstruktives Feedback. Wir haben fünf Frauen nach ihren Erfahrungen gefragt und hoffen, dass diese auch euch helfen, Feedback nicht zu persönlich zu nehmen.

Ob im Beruf, in der Familie oder unter Freund*innen – zwischenmenschliche Beziehungen brauchen gegenseitiges Feedback. Keine Verurteilungen oder Anschuldigungen, sondern konstruktive Kritik, an der wir wachsen können. Doch wie können wir diese Kritik am besten formulieren oder von anderen annehmen, ohne dass dabei Verletzungen entstehen?

Wir haben fünf erfahrene Frauen für euch gefragt, wie sie Feedback geben und bekommen wollen. Hier kommen ihre Antworten und Tipps.

Cordelia Röders-Arnold

Foto: Verena Brandt

Cordelia arbeitet beim Berliner Kondomhersteller „Einhorn“ als selbsternannte „Head of Menstruation“ und hat sogar einen TED Talk über die Periode gehalten.

Erinnerst du dich an einen Moment, in dem du besonders gutes oder besonders schlechtes Feedback bekommen hast? Wie war das?

„Vor einiger Zeit hatte ich eine kleine Rollenkrise. Ich zweifelte an meiner Leistung und dachte, ich könnte meinen Job an manchen Stellen besser ausfüllen. In dieser Zeit bekam ich von einer Kollegin ein für mich überraschend positives Feedback. Sie versicherte mir eine von ihr wahrgenommene Stärke in einem Bereich, der mir selbst besonders viel Kopfzerbrechen bereitete. Das nahm mir in dem Moment eine Last von den Schultern und machte den Selbstzweifeln, zumindest in dem Bereich, den Garaus. Das tat richtig gut.

An eine besonders schlechte Rückmeldung erinnere ich mich auch. Ich hatte einem Kollegen in einem Projekt Unterstützung zugesagt, obwohl ich eigentlich weder Kapazitäten noch Leidenschaft für sein Thema hatte. Ich versäumte im Laufe des Projekts immer wieder, ihm zu antworten, lieferte Infos zu spät und verpasste eine für ihn wichtige Deadline. Ich ließ das Thema so richtig schleifen. Eines Abends schrieb er mir, er sei enttäuscht von meiner mangelnden Unterstützung und dass er von unserer Zusammenarbeit mehr erwartet hatte. Ich fühlte mich entlarvt – es war mir wahnsinnig unangenehm. Denn erstens hatte er natürlich Recht und zweitens hatte er mich dabei erwischt, wie ich gegen eine meiner eigenen Prinzipien verstoßen hatte: zuverlässig zu sein und Verantwortung zu übernehmen, wenn ich sie zugesagt habe. Wir konnten das zum Glück sehr schnell und gut aus der Welt räumen, aber es war eine weitere Lektion darin, klarer zu kommunizieren, ob und wieviel Unterstützung ich geben kann und will.“ 

Wie gibst du gutes Feedback?

„Ob meine Art, Feedback zu geben, so gut ist, kann ich nicht wirklich beurteilen. Ich versuche, zwischen Feedback und ,konstruktiver Kritik bzw. der Kommunikation negativer Gefühle‘ zu unterscheiden. Für mich ist Feedback ein Geschenk. Etwas, das man einander schenkt, um daran zu wachsen. Ich mache immer diesen Check: Wenn das, was ich einer anderen Person sagen will, nicht ein Geschenk von Herzen ist, weil ich der Person etwas Gutes tun will – dann ist es für mich kein Feedback. Das muss nicht nur Lob, sondern kann auch konstruktiv sein – aber es muss ein Geschenk von Herzen sein, ein Geschenk für die andere Person. Sobald es mir dienen soll, ist es kein Feedback mehr.

Dieses Feedback von Herzen versuche ich meist sofort zu geben, wenn es mir in den Kopf kommt. Ich schreibe eine WhatsApp oder rufe an. Manchmal gebe ich es ungeplant im persönlichen Gespräch. Heute habe ich einer Geschäftspartnerin gesagt, wie angenehm ich die Zusammenarbeit aus mehreren Gründen mit ihr empfinde. Ich finde es grundsätzlich, aber gerade jetzt in der Home-Office-Coronazeit wichtig, sich regelmäßig gegenseitig zu sagen, was man aneinander schätzt. Das klappt natürlich nicht immer. Es gibt durchaus auch Menschen, die ich schätze, die aber nicht so viele Geschenke von Herzen von mir bekommen, obwohl sie sie verdienen. Da steht mir dann manchmal mein Ego im Weg.

Wenn ich etwas (sachlich/fachlich) kritisiere oder einen Konflikt habe, versuche ich, das ebenfalls zeitnah zu kommunizieren. Für mich besteht die Kunst darin, meine Kritik zügig nach der entsprechenden Situation, aber nicht vorschnell und mit impulsiven Emotionen aufgeladen zu geben. Mein erster Schritt ist (auch wenn’s nervt), zu versuchen, die Situation aus der Position der anderen Person durchzuspielen. Stichwort: Empathie. Das regelt mich meist schon etwas runter, weil es mir zeigt, dass das, was ich sehe, wirklich nur meine Wahrheit ist und nicht DIE EINE Wahrheit. Dann suche ich meist das persönliche Gespräch. Ich stelle ein kurzes Zoom-Meeting ein oder verabrede mich noch lieber auf einen Spaziergang. Da kann man gut miteinander sprechen, ohne sich die ganze Zeit ansehen zu müssen. Durch das Gehen bleibt auch das Gespräch im Fluss und Gesprächspausen sind weniger unangenehm. Ich versuche, die Regeln der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) einzuhalten. Was habe ich beobachtet? Was hat das in mir ausgelöst? Welche Bedürfnisse sind bei mir unerfüllt? Was ist mein Wunsch für die Zukunft? Das klappt natürlich nicht immer wie aus dem Lehrbuch, aber grundsätzlich geht es mir (und ich hoffe der anderen Person auch) danach viel besser.“

Wie muss Feedback sein, damit du es gut annehmen kannst?

„Ich mag die klare Unterscheidung zwischen Feedback und konstruktiver Kritik, weil ich mich viel besser auf Kritik oder ein Problemgespräch einlassen kann, wenn es als solches anmoderiert und formuliert wird. Ich empfinde diese Hinweise als klarer und hilfreicher, als so manches verschwurbeltes Feedback-Sandwich, in dem man pseudomäßig die Kritik zwischen zwei dicke Scheiben mehr oder weniger reelles, positives Feedback einpackt. Damit kann ich nichts anfangen. Genauso, wie ich Feedback gebe oder negative Gefühle teile, habe ich das auch gern von meinem*r Gegenüber. Beides sollte mich persönlich erreichen. Am liebsten bekomme ich eine Nachricht und wir verabreden uns persönlich, es zu besprechen. Gern gehe ich währenddessen spazieren oder telefoniere. Was ich nicht sehr schätze, ist harsche schriftliche Kritik, ohne Berücksichtigung der GfK-Regeln, am Freitagnachmittag. Und dann geht der*die Absender*in nicht mehr ans Telefon. Dann weiß man: Das war auf jeden Fall kein Geschenk von Herzen. Sowas kann ich dann nicht so gut annehmen, das kommt aber Gott sei Dank auch nicht so oft vor.“



Anastasia Umrik

Foto: Privat

Anastasia ist Coach, Speakerin und Autorin und spricht über Themen, die Menschen in ihrem Leben bewegen.

Erinnerst du dich an einen Moment, in dem du besonders gutes – oder besonders schlechtes – Feedback bekommen hast? Wie war das?

„Das erste Feedback bekam ich während meiner Ausbildung bei „Otto“. Ich habe aus Nichtwissen heraus meiner Chefin das ,Du‘ angeboten, um die Stimmung zwischen uns zu lockern. Da nahm sie mich beiseite und gab mir eine freundliche, aber sehr bestimmte Einweisung in den Berufsknigge. Heute bin ich ihr sehr dankbar dafür, denn es brauchte ihrerseits Ruhe, Geduld und Einfühlungsvermögen.“ 

Wie gibst du gutes Feedback?

„Wir geben generell leider eher bei negativen Ereignissen Feedback, damit es beim nächsten Mal besser läuft. Ich versuche die Balance zu halten und auch dann Feedback zu geben, wenn ich etwas richtig gut finde. Ansonsten habe ich gelernt, nur dann Feedback zu geben, wenn ich genug Distanz und damit ausreichend Klarheit habe. Es darf nicht zu emotional sein, aber auch nicht zu kühl.“

Wie muss Feedback sein, damit du es gut annehmen kannst?

„Es muss wertschätzend sein, und egal wie ,blöd‘ das eigene Verhalten war, darf man sich danach nicht so fühlen, als könne man es nie wieder gut machen. 
Meine Devise für ein gutes Feedback ist: Sag dem Menschen, dass er unangenehm riecht so, dass er am Ende das Gefühl hat, Blumen geschenkt bekommen zu haben.“



Bettina Rollow

Foto: Marc Beckmann

Bettina setzt sich mit Themen wie New Work und Organisations- und Teamformen auseinander. Passend dazu veröffentlichte sie das Buch „New Work needs Inner Work“.

Erinnerst du dich an einen Moment, in dem du besonders gutes – oder besonders schlechtes – Feedback bekommen hast? Wie war das?

„Ich bekomme gerne Feedback, bei dem ich fühlen kann, dass der*die Feedbackgeber*in zwischen seiner*ihrer eigenen Reaktion und einer Rückmeldung zu mir unterscheidet. Für mich ist es schwierig – meistens bin ich dann irritiert bis wütend – wenn ich eine Rückmeldung bekomme, in der mir das Erleben mit mir als eine allgemeingültige Aussage, Interpretation und Bewertung meiner Person präsentiert wird. Was mir auch noch guttut ist, wenn Feedbackgeber*innen zwischen mir und meinem Verhalten unterscheiden – und ihr Feedback auf mein Tun und nicht gleich auf meine ganze Persönlichkeit beziehen. Wenn das funktioniert, dann erlebe ich Feedback als einen spannenden und lehrreichen Teil des Lebens.“

Wie gibst du gutes Feedback?

„Für mich ist die Basis von gutem Feedback erst einmal der Kontakt mit mir selbst und meine Fähigkeit zur Selbstreflexion. Nur wenn ich weiß, wie ich auf Impulse und Erfahrungen mit meiner Umwelt reagiere – und wo Erfahrungen von früher in mein aktuelles Erleben einwirken, kann ich unterscheiden: Was an der aktuellen Interaktion mit dir ist eine Information über mich und was ist eine mögliche Rückmeldung zu dir. Für mich ist jede Interaktion eine Co-Kreation, in der beide Seiten einen bestimmten Anteil an Selbstverantwortung tragen. Gutes Feedback gibt man dann, wenn man seinen eigenen Anteil herausfiltern kann und damit dem*r anderen ein möglichst klarer Spiegel für seinen*ihren Anteil wird.“

Wie muss Feedback sein, damit du es gut annehmen kannst?

„Wertschätzend, selbstverantwortlich und neugierig – mit Raum für Austausch und gemeinsame Exploration. Ich persönlich lerne immer gerne Neues über mich und freue mich daran zu wachsen – inklusive der Wachstumsschmerzen, wenn es auch mal ungemütlich wird.“



Constanze Osei-Becker

Foto: Tobias Koch

Constanze hat Politikwissenschaft studiert und arbeitet als  Public Policy Managerin bei Facebook.

Erinnerst du dich an einen Moment, in dem du besonders gutes – oder besonders schlechtes – Feedback bekommen hast? Wie war das?

„,Passt alles, im Großen und Ganzen keine Beschwerden, wir sind sehr zufrieden oder anders herum: bisschen mehr Gas geben, da hätte ich mehr erwartet‘ – leider oft gehörte Aussagen in Feedback- oder Mitarbeiter*innengesprächen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Wenn dann selbst auf Nachfrage nach konkreten Beispielen oder Verbesserungsmöglichkeiten keine wirkliche Antwort kam, war das sehr frustrierend. Das ist nicht mal schlechtes Feedback, sondern im Grunde genommen gar keines. Feedback sollte immer nachvollziehbar sein und dich weiterbringen. Das ist zum Glück auch vielfach passiert.“

Wie gibst du gutes Feedback?

„Im Job versuche ich sehr bewusst, Feedback auf konkrete Projekte und Leistungen zu beziehen und nicht auf ,Persönlichkeit‘ oder gar andere Kategorien. Das passiert leider viel zu häufig, insbesondere Frauen, jungen Talenten oder auch Menschen mit Migrationsgeschichte. Also, Achtung vor Begriffen wie beispielsweise aggressiv, emotional, zu laut, zu ruhig etc. Ich glaube auch, dass Kontext Queen ist und man stets versuchen sollte, besondere Umstände beim Gegenüber zu berücksichtigen. Wenn zum Beispiel ein Elternteil um 16 Uhr die Kinder holen muss, würde ich ein wichtiges Feedbackgespräch nicht um 15:30 Uhr reinquetschen. Oder ein besonders kritisches Feedback muss auch nicht an dem Tag gegeben werden, an dem ein Familienmitglied schwer erkrankt ist. Klingt trivial, passiert aber leider viel zu oft.“

Wie muss Feedback sein, damit du es gut annehmen kannst?

„Es muss konkret sein, also abgeleitet aus konkreten Situationen, Projekten oder Zahlen. Und es sollte aufrichtig und ehrlich sein. Gerade wenn man sich mag, egal ob im beruflichen oder privaten Umfeld, ist es oft nicht einfach, klares und manchmal auch hartes Feedback zu geben (und anzunehmen!). Aber genau das braucht es, wenn man sich entwickeln möchte.“



Lena Marbacher

Foto: Carolin Weinkopf

Lena ist Mitgründerin des Magazins „Neue Narrative“. Sie setzt sich für eine Wirtschaft auf Augenhöhe ein, die frei von Diskriminierung ist.

Erinnerst du dich an einen Moment, in dem du besonders gutes – oder besonders schlechtes – Feedback bekommen hast? Wie war das?

„Beides. Besonders gutes Feedback macht mir ein tolles Gefühl. Es berührt mich. Besonders schlechtes Feedback ist leider oft verpackt in umständliche Worte, die mich rätselnd zurück lassen, was genau jetzt eigentlich gemeint ist. Aber dennoch habe ich schon welches bekommen. Tat bisschen weh. Nachdem sich mein Ego beruhigt hatte, fand ich die Kritik sehr hilfreich. “

Wie gibst du gutes Feedback?

„Gutes Feedback zu geben ist relativ leicht, finde ich: nicht pauschal loben, dass jemand toll ist, sondern genau benennen, welche Stärken die Person hat, wie sie auf einen selbst wirkt. Das geht gut, wenn man Menschen beobachtet, erlebt und über sie nachdenkt.“

Wie muss Feedback sein, damit du es gut annehmen kannst?

Bei kritischem Feedback: Es sollte mich nicht als Person angreifen, sondern mir aufzeigen, was ich damit bei meinem Gegenüber bewirke, welche Bedürfnisse ich damit übergehe oder einschränke. Bei positivem Feedback: Ich will nicht einfach nur hören ,gut gemacht‘, sondern was ich gut gemacht habe. Bei beiden: wenn das Feedback auf Augenhöhe ausgesprochen wird und ich beim Gegenüber keine Überhöhung wahrnehmen kann.“

Dieser Text erschien erstmals am 30. Juni 2020 bei EDITION F Plus.

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