Wer will, dass All-Male-Panels, rein männliche Führungsetagen und andere Boys-Clubs irgendwann der Vergangenheit angehören, sollte von Frauen nicht verlangen, nur nett zu sein.
Wie behauptet man sich in Männerdomänen?
Bei den phänomenalen Ladies Drinks, einem Netzwerk-Treffen organisiert von EDITION F, letzte Woche diskutierte ein All-Female-Panel über öffentliche Auftritte. Natürlich ging es schnell auch darum, dass die meisten Panels und Konferenzen immer noch überwiegend mit Männern besetzt werden. Das gilt gerade auch für die ansonsten so disruptive und hypermoderne digitale Szene.
Auf der Suche nach Ursachen für diese mittelalterlichen Zustände wurden von den Panelistinnen zwei wesentliche Faktoren genannt: Die meist selbst männlichen Organisatoren haben das Thema Diversity schlicht nicht auf dem Schirm. Mit diesem blinden Fleck konfrontiert behaupten viele, es gäbe ja nicht genügend Expertinnen, die man einladen könnte. (Was natürlich Quatsch ist, aber dazu ein andern mal.)
Als zweite Ursache wurde das unterschiedliche Verhalten von Frauen und Männern thematisiert. Während es viele Männer gibt, die sich grundsätzlich für großartig und wichtig halten und der festen Überzeugung sind, zu allem etwas zu sagen zu haben, sind Frauen eher zurückhaltender, zweifeln an sich und ihrem Wissen und wollen sich nicht vordrängeln.
Die letzte Wortmeldung aus dem Publikum gestern Abend bezog sich auf eben diesen Verhaltensunterschied:
Wenn wir doch eigentlich die Ellbogenmentalität und das Geprotze vieler Männer doof finden, sei es dann nicht falsch, als Frau sich solche Verhaltensweisen anzueignen, nur um mithalten zu können? Müssten wir nicht eigentlich einen anderen, softeren Weg finden?
Dieser Gedankengang ist nicht neu, im Gegenteil, in der Diskussion um Teilhabe und Gleichberechtigung taucht er immer wieder auf. Müssen sich Frauen dem System anpassen, um zu gleichberechtigten Teilnehmerinnen zu werden?
Kurz:
Müssen Frauen sich wie Männer verhalten?
Die Antwort lautet: Jein.
Zu einer eindeutigeren Antwort gezwungen würde ich sogar sagen: Ja. Denn der Bereich, in dem wir etwas verändern, etwas erreichen wollen, ist nun einmal nicht nur zahlenmäßig sondern vor allem auch kulturell männlich geprägt.
Der Wunsch, dass wir Frauen es doch schaffen müssten, diese Welt, das allgemeine Miteinander und Start-Up-Konferenzen im speziellen freundlicher und netter zu gestalten, ist zwar berechtigt aber leider ein bisschen naiv.
Denn er basiert auf zwei Fehleinschätzungen: Zum einen ein ungenügendes Verständnis patriarchaler Strukturen und eine falsche Vorstellung davon, welches Verhalten männlich bzw. weiblich ist.
Die patriarchale Kultur unserer Gesellschaft ist tiefer verwurzelt und zäher zu verändern, als das ein paar nette Frauen sie mal eben wegwischen könnten. Nicht umsonst wird vom Kampf um Gleichberechtigung gesprochen. Alle Rechte, die Frauen heute haben, mussten sie sich hart erkämpfen. Weder das Frauenwahlrecht noch das Recht, selbst einen Beruf zu ergreifen, wurden auf nette Nachfrage hin gewährt.
Jetzt sind die Teilnahme Start-Up-Konferenzen für die meisten Frauen nicht ganz so essentiell wie die Freiheit ein eigenes Konto zu befüllen (und zu überziehen), die Mechanismen, die letzteres lange und ersteres oft immer noch verhindern sind aber ähnliche.
Wenn wir also mehr Frauen auf Podien und bei Konferenzen haben wollen, müssen wir uns dafür mit Verve einsetzen. Und das können wir durchaus, auch und gerade auch als Frauen.
Typisch männlich, typisch weiblich?
Womit wir zur zweiten Fehleinschätzung kommen: Durchsetzungsvermögen, Ehrgeiz und Selbstbewusstsein sind kein männliches Monopol sondern universelle Eigenschaften. Jede Art von etwas aggressiverem oder produktiverem Auftreten als männlich zu labeln, heißt auch, Frauen kollektiv zu entmächtigen. Genau das passiert, wenn Frauen „bossy”, „zu tough” oder „verbissen” genannt werden. Zu sagen was man will und wo es lang gehen sollte, können Frauen genauso gut wie Männer. Diverse Studien bestätigen zwar, dass die genannten Eigenschaften als „typisch männlich“ wahrgenommen werden, das liegt aber höchstwahrscheinlich daran, dass wir alle – Männer wie Frauen – so sozialisiert werden. Auch das lässt sich wissenschaftlich belegen, rund um die Welt werden die meisten Mädchen dazu erzogen, rücksichtsvoller, zurückhaltender und bescheidener zu seinK kleine Jungs hingegen werden aufgefordert, sich die Welt zu erobern und sich im Zweifelsfall gegen andere durchzusetzen. Das an sich ist schlimm genug. Noch schlimmer ist es jedoch, erwachsenen Frauen zu suggerieren, es wäre falsch, diese Muster aufbrechen zu wollen.
Frauen, die gerne die Klappe aufmachen und für sich werben, sollten wir nicht einreden, dass das „nicht weiblich wäre.“
Frauen, die ihre Arbeit und ihre Meinung besser promoten wollen, gerade auch in einem männlich dominiertem Umfeld, sollten wir bestärken, das offensiv zu tun.
Frauen, die Großartiges machen, aber lieber leise sind, sollten wir unsere Stimmen leihen, um ihre zu verstärken und ihr Gehör zu verschaffen.
Let’s do it. Damit die All-Male-Panel irgendwann der Vergangenheit angehören.
Ein wenig mehr über Laura Dornheim erfahrt ihr in diesem Text. Ihr könnt ihr bei EDITION F außerdem hier folgen.
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