Zwei Jahre nach der Einführung der Frauenquote zieht die AllBright Stiftung Bilanz und veröffentlicht in ihrem Bericht „Führung ohne Vielfalt?“ die aktuelle Geschlechterverteilung in Aufsichtsräten und Vorständen von Börsenunternehmen. Das Ergebnis zeigt: Die Entwicklung verläuft schleppend.
Was aktuelle Zahlen verraten
AllBright, eine gemeinnützige Stiftung, die sich für mehr Diversität in den Führungsetagen von Wirtschaftunternehmen einsetzt, hat heute einen Bericht über das aktuelle Verhältnis von Männern und Frauen in den Vorständen deutscher Börsenunternehmen veröffentlicht. Unter dem Titel „Führung ohne Vielfalt?“ erläutert der Bericht die Entwicklung der Frauen- und Männeranteile in Vorständen und Aufsichtsräten. Die Ergebnisse des Berichtes machen deutlich: Es ist noch viel zu tun. Denn aktuell liegt der Männeranteil deutscher Vorstände bei 93 Prozent.
Die 160 Börsenunternehmen lassen sich der Studie zufolge grob in zwei Gruppen einteilen. „Die Progressiven“, die sich konstruktiv mit dem Thema diverse Führung auseinandersetzen und erkennen, dass ihr Unternehmen durch mehr weibliche Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nicht nur gerechter wird, sondern auch das Unternehmen selbst davon profitiert. Denn weibliche CEOs vergrößern nicht nur den Talent-Pool, sondern stehen im internationalen Wettbewerb auch für eine zukunftsorientierte, flexible Unternehmenspolitik. Vor allem große Konzerne gehören zu dieser Gruppe und trauen sich, ihre Vorstände und Aufsichtsräte diverser zu besetzen. So war in DAX-Unternehmen jedes vierte neuberufene Vorstandsmitglied weiblich. Den Progressiven gegenüber stehen „die Zögerlichen“. Diese Unternehmen halten sich noch immer krampfhaft an veralteten Strukturen fest und haben anscheinend immer noch nicht erkannt, dass es auf Dauer nicht tragbar sein kann, alle Vorstandsstellen mit weißen, 50-jährigen Männern zu besetzen. Besonders in den kleineren Unternehmen von MDAX und SDAX zeigt sich dies: Hier sind noch immer 95,5 Prozent der Vorstandsmitglieder männlich.
Gewinner und Verlierer des Rankings
Nur zwei Unternehmen schaffen es auf die „Weiße Liste“ des AllBright-Ratings. Das Biotech-Unternehmen Medigene und die Aareal Bank aus Wiesbaden können zum Stichtag, dem ersten September 2017, einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent im Vorstand vorweisen. Dem gegenüber stehen 40 Unternehmen mit mindestens einer Frau im Vorstand und 118 Unternehmen, in deren Vorständen man vergeblich nach Frauen Ausschau hält. Unternehmen, die zusätzlich zu keiner Frau im Vorstand auch noch keine einzige Frau im Aufsichtsrat haben, werden auf einer zusätzlichen, sogenannten „Doppelschwarzen Liste“ ausgewiesen, darunter unter anderem RTL und Sixt.
Wie viel bringt die Quote?
Die Ergebnisse sind ernüchternd. Während die Quote von 30 Prozent weiblicher Aufsichtsratmitglieder mit 27,5 Prozent in greifbare Nähe rückt, liegt der Frauenanteil in Vorständen noch immer unter zehn Prozent. Das gerne angebrachte Argument, eine Veränderung auf Vorstandsebene wäre aufgrund von langen Vertragslaufzeiten nicht zeitnah umsetztbar, überzeugt nicht, wurden doch im letzten Jahr 15 Prozent aller Vorstandsmitglieder ausgetauscht. Unter den 102 neugewonnenen Vorstandsmitgliedern waren allerdings nur 13 Frauen. Auswertungen von AllBright legen nahe, dass die Entscheidungsträger neue Posten eben gern mit Menschen besetzen, die ihnen ähnlich sind. Aktuell bedeutet das für MDAX und SDAX: durchschnittlich 53 Jahre alt, zu 95,5 Prozent männlich, zu 83 Prozent deutsch, zu 99 Prozent ausgebildet in Westdeutschland.
Anders als in den Aufsichtsräten, gilt in Vorständen noch kein Quotenzwang. Unternehmen können selbst festsetzen, welche Frauenquote sie anstreben. Nicht wenige Unternehmen nutzen dies, um sich die ambitionslose Quote von null Prozent zu setzen und diese – Applaus, Applaus – auch erreichen. In fast Dreiviertel der Vorständen sitzt keine einzige Frau. Gerade wenn man die Entwicklung mit dem Frauenanteil in Aufsichtsräten vergleicht, fällt auf, wie viel schneller die Entwicklung voranschreiten könnte und wie wirkungslos die selbstgewählte Quote bleibt. Würden die Veränderungen in den Vorständen in einer ähnlichen Geschwindigkeit vorangehen, wie in den Aufsichtsräten, so ließe sich dort schon 2023 ein Frauenanteil von 40 Prozent erreichen. Bleibt die Veränderung in den nächsten Jahren allerdings weiterhin so schleppend wie aktuell, würde die magische Hürde von 40 Prozent erst 2055, also 32 Jahre später erreicht. Hier zeigt sich, wie die Entwicklung durch eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote angekurbelt werden könnte. Denn offensichtlich lässt sich Gleichberechtigung nicht herbeistreicheln.
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