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Frauengesundheit: Das wird sich bei der Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs bald ändern

Ab 2020 wird das Programm zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs neu geregelt. Davon sind vor allem Frauen ab 35 Jahren betroffen – für sie fällt der jährliche Pap-Test weg. Wird ihre Gesundheit damit zur Geldfrage? Wir haben nachgefragt.

Pap-Test nur noch alle drei Jahre

Beim nächsten Besuch bei ihrer*m Gynäkolog*in werden sich vermutlich einige Frauen wundern. Denn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der entscheidet, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, hat für 2020 ein neues organisiertes Programm zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs beschlossen. Dieses sieht unter anderem vor, dass der Pap-Test (kurz für Papanicolaou-Test) für Frauen ab 35 künftig nur noch alle drei Jahre bezahlt wird. Benannt ist der Test nach seinem Erfinder, einem griechischen Arzt. Bei dem Verfahren wird ein Abstrich aus dem Gebärmutterhals entnommen und untersucht, ob sich Zellen verändert haben. So können schon Vorstufen von Krebs erkannt werden.

Bislang hatte jede Frau ab dem 20. Lebensjahr Anspruch auf die jährliche Untersuchung. In einem Informationsflyer zur Krebsfrüherkennung des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V. heißt es über den Pap-Test: „Diese Methode wird seit Jahrzehnten sehr erfolgreich in Deutschland praktiziert und hat dazu geführt, dass in keinem Land der Welt die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs so stark gesunken ist.”

Auf den ersten Blick wirkt die Neuerung nicht nachvollziehbar: Ältere Frauen erkranken öfter an Gebärmutterhalskrebs als jüngere. Zahlen des Zentrums für Krebsdaten zufolge tritt der vollständig entwickelte Krebs, von dem Metastasen ausgehen können, am häufigsten bei Frauen zwischen 35 und 60 auf. Sehr viel häufiger allerdings kommt ein lokal begrenzter Tumor vor, der noch nicht in das umliegende Gewebe eingedrungen ist. Dieser wird meistens im Rahmen der Früherkennung entdeckt – bei im Mittel um 20 Jahre jüngeren Frauen.

Um zu verstehen, warum der Pap-Test für Frauen über 35 künftig nicht mehr jedes Jahr bezahlt wird, muss man sich den Zusammenhang zwischen Gebärmutterhalskrebs und HPV anschauen. Jüngere Frauen zwischen 20 und 34 haben ein höheres Risiko als ältere, sich mit dem HPV-Virus (Humane Papillomviren) anzustecken. Das Virus wird vor allem durch sexuellen Kontakt übertragen und Frauen in dieser Altersspanne seien sexuell besonders aktiv. Das lässt sich in der Begründung der neuen Regelung nachlesen. Und bestimmte HP-Viren können Gebärmutterhalskrebs verursachen. Die HPV-Impfung, die für Mädchen und Jungen ab neun Jahren empfohlen und bezahlt wird, ersetzt laut Ständiger Impfkommission die Früherkennung übrigens nicht, da die Impfung nur vor den häufigsten Viren schütze.

Warum gibt es die neue Regelung?

Der Gemeinsame Bundesausschuss teilte EDITION F auf Anfrage mit, dass man sich beim neuen Vorsorgeprogramm an der Studienauswertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, bestehenden europäischen Leitlinien sowie zahlreichen wissenschaftlichen Stellungnahmen zum Programmentwurf orientiert habe.

Zudem antwortete eine Pressevertreterin des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen auf unsere Anfrage, dass die gesetzlichen Krankenkassen weiterhin alle notwendigen Untersuchungen zur Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs zahlen würden. Bei Frauen ab 35 werde die Abstrich-Untersuchung des Gebärmutterhalses künftig um eine zweite Untersuchung ergänzt: nämlich den HPV-Test. „Da diese Kombinationsuntersuchung ab einem Alter von 35 Jahren sicherer ist als ein Pap-Abstrich alleine, reicht es, sie alle drei Jahre durchzuführen”, erklärt die Pressevertreterin des Verbandes.

Andreas Kaufmann ist Leiter des Labors für Gynäkologische Tumorimmunologie an der Klinik für Gynäkologie der Berliner Charité und forscht seit 25 Jahren zu Gebärmutterhalskrebs und HPV. „Der Pap-Test ist über 60 Jahre alt. Heute haben wir modernere Methoden mit einer höheren Genauigkeit”, sagt er. Damit meint Kaufmann die Kombinationsuntersuchung aus Pap- und HPV-Test. Bei Frauen ab 35 Jahren wird künftig also zusätzlich getestet, ob sich bestimmte HP-Viren nachweisen lassen, die zu Gebärmutterhalskrebs führen könnten. Dieses sogenannte Ko-Testing würde in größeren Abständen ausreichen, sagt auch Kaufmann. Denn durch die Kombination können Ärzt*innen viel besser einschätzen, wie hoch das Risiko ist, dass sich in nächster Zeit Krebs entwickelt.

Bei jüngeren Frauen wiederum mache der HPV-Test keinen Sinn, weil er ohnehin bei den meisten positiv ausfallen würde. Kaufmann sagt: „Die Infektion taucht in jungen Jahren oft auf – und bei den meisten heilt sie von selbst wieder. Möglicherweise krank werden nur die Frauen, die das Virus später nicht loswerden.” Aus diesem Grund sei die Altersgrenze ab 35 Jahren eingeführt worden: Dann habe der Körper gelernt, das Virus zu kontrollieren. Nur bei acht bis zehn Prozent aller Frauen heile HPV nicht aus, erklärt Kaufmann, für sie bestehe dann das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken.

„Die Kombination beider Tests bei älteren Frauen ist wichtig, um eine Übertherapie zu vermeiden”, sagt Kaufmann. Denn mit dem HPV-Test könne man die Patientinnen finden, die zunächst einmal nur mit dem Virus infiziert sind. Und der Pap-Test schlägt bei denjenigen an, die bereits eine Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs haben. Erst bei einem positiven Pap-Test setze man mit weiteren Untersuchungen und dann gegebenenfalls mit der Therapie an. Zudem würden HPV-Infektionen acht bis 18 Monate anhalten. Das bedeutet, ein jährlicher Test könnte positiv ausfallen, obwohl die Infektion wahrscheinlich noch von selbst ausheilen würde. Kaufmann sagt: „Zu häufige Tests schaden eher, als dass sie nutzen.” Die meisten Frauen wären beunruhigt, wenn sie erfahren würden, dass sie ein krebserregendes Virus in sich tragen. Oft fragten sie dann nach weiteren Untersuchungen, sagt Kaufmann. „Sogar der Pap-Test kann positiv sein, die auffälligen Zellen können sich aber in einem Zeitraum von 18 Monaten auch wieder zurückbilden. Bei diesen Frauen würde man dann eine unnötige Therapie anwenden, sie übertherapieren.”

Neue Früherkennung bedeutet medizinischen Fortschritt

Frauen müssen also nicht mit Leistungs- oder Behandlungskürzungen durch das neue Früherkennungsprogramm für Gebärmutterhalskrebs rechnen. Kaufmann sieht das Programm sogar als medizinischen Fortschritt: „Bisher waren Frauen selbst für die Vorsorge verantwortlich. Demnächst werden sie daran erinnert und erhalten Einladungen, um einen Termin auszumachen”, sagt er. Dadurch könne man letztendlich mehr betroffene Frauen finden. Außerdem seien die Tests auch zuhause möglich. „Frauen, die nicht zum Arzt gehen wollen, keine Zeit haben oder schon älter sind, können sich vaginal Tupfer einführen und die Probe selbst ins Labor schicken”, sagt Kaufmann. Natürlich solle man sich am besten in der Praxis untersuchen lassen, aber so könnte man auch Frauen erreichen, die sonst nicht zum*zur Gynäkolog*in gehen.

Aber Kaufmann sieht beide Seiten. „Natürlich geht es bei solchen Entscheidungen auch immer darum, das Gesundheitssystem zu entlasten“, sagt er.

Gesund bleibt die, die es sich leisten kann?

Dieses Streben nach Entlastung ist schon lange in anderen Bereichen der Krebsfrüherkennung spürbar: Es gibt eine Reihe individueller Gesundheitsleistungen (IGeL), deren Kosten die Patientinnen selbst tragen müssen. Zum Beispiel müssen einige Ultraschalluntersuchungen aus eigener Tasche gezahlt werden. Auch sie sollen eine zusätzliche Sicherheit in der Krebsfrüherkennung bringen. Laut IGeL-Monitor müsste man für den Ultraschall der Brust je nach Praxis etwa 26 bis 60 Euro zahlen, beim Ultraschall der Eierstöcke wären etwa 25 bis 53 Euro fällig.

In der Realität sieht es heute oft so aus: Frauen bekommen in der Praxis eine Liste mit IGeL-Leistungen in die Hand gedrückt und sollen ohne größere Beratung spontan selbst entscheiden, ob und wie viel Geld sie in ihre Gesundheit investieren wollen. Das ist problematisch – weil Gesundheit damit zu einer Geldfrage wird; und weil Gesundheitsvorsorge keine beliebige Frage von wählbaren Optionen sein sollte. Vielmehr sollte der*die behandelnde Arzt*Ärztin entscheiden, welche Vorsorgeuntersuchungen individuell für jede einzelne Patientin sinnvoll sind, und diese Untersuchungen dann empfehlen – die Kosten sollten dann von den Krankenkassen übernommen werden.

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