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Frohes, neues Minimieren?!

Jedes Jahr sind es die gleichen Vorsätze, die Frauen in ein noch engeres Korsett zwängen – Wir sollten das ändern!

 

Meine Freundin öffnete mir Tür. Offensichtlich hatte sie sich entschieden, sich für den letzten Tag des Jahres herauszuputzen. Sie trug ein graues langes Kleid. Ohrringe und Gürtel passten zueinander. Für eine aufwendige Frisur oder gar Makeup hatte die Geduld dann nicht mehr gereicht. Das mochte ich so an ihr. Auch ohne sah sie einfach gut aus. Sie drehte sich und präsentierte mir ihr neues Kleid, um gleich danach unsicher zu fragen, ob ihr Bauch zu sehr zu sehen oder das Kleid nicht doch zu bieder und zu hochgeschlossen sei.  

Einige Stunden und Sektgläser später – der Abend war dahingeglitten und Fondue und das Mitsingen diverser Songs aus der Jugend lagen bereits hinter uns – sprachen wir über unsere Erlebnisse bei den Geburten unserer Kinder, die inzwischen zwei, sechs, acht und zehn Jahre alt, laut um uns herum lärmten. 

Ich erfuhr von Geburten, die viel zu lange dauerten, von Entkräftung, von Angst und Sorge, aber auch von unglaublicher körperlicher Stärke, innerer Kraft und furchtbaren Schmerzen, von schlechten Herztönen, tiefen Schnitten und zurückgebliebenen Narben. Wir erinnerten uns gemeinsam daran, wie es war, das eigene Kind in den Armen zu halten und daran, wie glücklich und panisch zugleich wir waren. Erst im Sprechen darüber wurde jeder von uns bewusst, was unsere Körper da geleistet hatten. 

Das Jahr verabschiedete sich wie auch all die anderen Jahre davor.
Wir standen gemeinsam draußen und sahen uns das Feuerwerk an. Bei jeder zischenden Rakete und jedem lauten Knall wurden wir aus unseren Gedanken an die Ereignisse des letzten Jahres gerissen: Wir hatten uns auf Jobs beworben, ein Fernstudium begonnen, waren mal erfolgreich und mal nicht erfolgreich gewesen. Wir hatten Angehörige verloren oder nach schweren Unfällen über Monate im Krankenhaus begleiten müssen. Wir hatten Rotznasen abgewischt und Tränen
getrocknet. 

Nachdem die Kinder erschöpft vor Aufregung eingeschlafen waren, begannen wir über unsere Vorsätze für das neue Jahr zu sprechen. Da saßen wir – junge, gebildete, starke Frauen – und alles, was ich hörte, waren Pläne, wie man sich doch noch mehr anstrengen müsste. Ja, wie man es schaffen könnte, sich zu minimieren. Keine Süßigkeiten, weniger Alkohol und natürlich definitiv
mehr Sport. Eine Jahresmitgliedschaft in einem Fitnesstempel hatte passender Weise unterm Weihnachtsbaum gelegen. 

In meinen Augen eine absolute Unverschämtheit.  

Was wir alle verdienen sind keine Pläne, wie wir uns noch kleiner machen können. Was wir verdienen ist zu erkennen, dass wir vieles geleistet und gekämpft haben. Wir verdienen Anerkennung! Zu allererst von uns selbst! Das nenne ich mal einen Vorsatz!   

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