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Ich habe mich bewusst gegen das Muttersein entschieden – und will mich dafür nicht rechtfertigen

Katrin hat sich bewusst für ihre Karriere und gegen eigene Kinder entschieden. Sie fragt sich: Warum fällt es so vielen Menschen schwer, das einfach als einen von vielen möglichen Lebensentwürfen zu akzeptieren?

 

Glücklich und erfüllt – ohne Kinder

Ich bin 49 Jahre alt und kinderlos. Dabei fehlen mir weder der passende Partner noch die Voraussetzungen, um Kinder zu bekommen. Genauso wenig habe ich den perfekten Zeitpunkt für eigene Kinder verpasst und irgendwann festgestellt, dass es für die Familienplanung jetzt zu spät ist. Stattdessen empfinde ich mein Leben einfach als glücklich und erfüllt, so wie es ist – ohne Kinder. Gegen das Muttersein habe ich mich bewusst entschieden.

„Ich will keine Kinder“ – das ist in unserer Gesellschaft noch immer ein ungewohnter Satz. Ich gehe mit meinem fehlenden Kinderwunsch offen um und sehe mich gerade deswegen mit der gesellschaftlichen Erwartungshaltung konfrontiert, dass jede Frau irgendwann auch Mutter werden muss. Und ich frage mich: Warum beurteilen unbeteiligte Fremde, ob es gut oder schlecht ist, wenn Frauen keine Kinder bekommen? Sollte jede Entscheidung für oder gegen Kinder nicht das bleiben, was sie ist – nämlich eine höchst private und persönliche Angelegenheit?

Traditionelle Rollenvorstellungen, gemäß derer hauptsächlich verheiratete Frauen und Männer Nachwuchs bekommen und der weibliche Part anschließend mit Haut und Haaren in seiner Mutterrolle aufgeht, sind längst überholt. So viel mehr ist heute möglich: Paare müssen längst nicht mehr verheiratet sein, um Kinder zu bekommen. Schwule und Lesben dürfen in Deutschland ebenso den Bund der Ehe eingehen und Eltern werden wie heterosexuelle Paare. Viele Mütter schaffen erfolgreich den Spagat zwischen Karriere und Kind – warum sollte eine Frau sich nicht auch bewusst gegen Kinder entscheiden dürfen, ohne dafür von der Gesellschaft verurteilt zu werden?

Ständiger Rechtfertigungsdruck

Ich habe den Eindruck, dass kinderlose Frauen sich ständig rechtfertigen müssen, weil sie von einem implizit für sie vorgesehenen Lebensentwurf abweichen. Weil ich selbst keine Kinder will, glauben manche Menschen, dass ich gefühlsarm und egoistisch bin. Mir wird unterstellt, dass ich meine Karriere um jeden Preis vorantreiben will oder vor lauter Ehrgeiz einfach vergessen habe, Kinder zu bekommen. Oft werde ich auch gefragt, wie ich meinem Alltag einen Sinn gebe. Ob mein Leben ohne eigene Kinder nicht furchtbar leer wäre. Dabei habe ich ein erfülltes Leben – auch ohne Kinder. Für mich hat die Qualität meines Lebens nichts damit zu tun, ob ich Kinder habe oder nicht; wichtig ist mir vielmehr, mein Leben so gestalten zu können, wie es sich für mich richtig anfühlt.

Wünschen würde ich mir aber, dass das Lebensmodell „Frau ohne Kinder“ eine selbstverständliche Option ist, das eigene Leben zu gestalten. Frauen ohne Kinderwunsch sind weder überdurchschnittlich karriereorientiert noch wollen sie sich so gnadenlos beruflich selbst verwirklichen, dass sie all ihre anderen Bedürfnisse hintenanstellen. Stattdessen haben sie sich einfach für einen Lebensentwurf entschieden, der Kinder nicht beinhaltet. Diese Entscheidung sollten sie treffen dürfen – ohne dabei den Druck gesellschaftlicher Erwartungshaltungen auf sich zu spüren oder zum Gegenstand wilder Spekulationen zu werden.

Offenheit und Toleranz für andere Lebensentwürfe

Kinderlosigkeit lässt sich nämlich nicht immer mit einem möglicherweise fehlenden Kinderwunsch erklären – auch gesundheitliche Probleme sind eine Ursache. Wer aus biologischen Gründen oder ohne passenden Partner keine Kinder bekommen kann, sieht sich ohnehin einem großen Leidensdruck ausgesetzt und sollte sich nicht auch noch ständig für seinen fehlenden Nachwuchs rechtfertigen müssen. Ich wünsche mir deshalb eine Gesellschaft, in der kinderlose Frauen, Männer oder Paare nicht automatisch weniger Wert sind als solche mit Kindern. Die Offenheit und Toleranz, die wir allen anderen Lebensentwürfen entgegenbringen, sollten wir auch Frauen entgegenbringen, die keine Kinder haben.

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