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Illegal in Deutschland: Almas Leben im Untergrund

Alma ist Kriegsflüchtling und hat viele Jahre illegal in Deutschland gelebt. Für sie wurde es ein Leben in Angst und Isolation.

 

„Ich war da, obwohl ich nicht da sein durfte

Eine Wohnung mieten, den Arzt aufsuchen oder mit der Bahn fahren. Was wie das Alltäglichste der Welt erscheint, ist es auch. Vorausgesetzt, man kann die nötigen Dokumente vorzeigen. Doch was wenn nicht? Dann, so sagt Alma*, lebt man ein Leben an dem man jeden Tag an ganz reale Grenzen stößt und die Angst dein ständiger Begleiter ist. „Mit ihr bin ich morgens aufgestanden und abends wieder ins Bett gegangen“.

„Raus kommst du immer. Nur wenn du nach Deutschland zurück willst, wird es schwierig“, beginnt Alma von ihren Erlebnissen zu erzählen. Es ist eine Lebensgeschichte, die sich nicht nur auf der Landkarte, sondern auch phonetisch nachzeichnen lässt. In ihr gutes Deutsch mit leichtem Akzent mischt sich etwas von dem Singsang, den man aus rheinischen Gefilden kennt. Die gebürtige Bosnierin kam 1992 als Flüchtling nach Deutschland. Sie und ihre sechs Geschwister erhalten den Status der Duldung und ziehen zu ihren Eltern nach Nordrhein-Westfahlen, denen als Gastarbeiter ein dauerhaftes Bleiberecht zugesprochen worden ist. „Wir dachten, wir dürften für immer bleiben“. Doch fünf Jahre später ist sie volljährig und wird ausgewiesen. Sie muss zurück in ein Land, das vom Krieg zerstört und ihr fremd geworden ist, in dem weder eine Familie noch ein Zuhause auf sie wartet. Alma kommt als Touristin wieder – und taucht unter. „Ich war da, obwohl ich nicht da sein durfte.“ Die junge Frau wird zu einer unter geschätzt einer Millionen Illegalen, die in Deutschland leben.

Ohne Netzwerk geht es nicht

Ohne ein funktionierendes Helfer-Netzwerk, das die Mindestansprüche von Wohnen, Arbeit und Gesundheit möglich macht, ist der Alltag in der Illegalität nicht zu meistern. Alma hat Glück und eignet sich an, um Antworten nicht verlegen zu sein. Zunächst kommt sie bei einer Tante im Süden Deutschlands unter, die ihr auch dabei hilft, einen Job als Haushälterin zu finden. Doch bald braucht sie eine neue Bleibe und eine ältere Dame, die sie versorgt, nimmt sie auf. Als diese stirbt und Alma abermals auf der Straße steht, bekommt sie bei der Tochter der Verstorbenen ein neues Zuhause. Schließlich findet sie auch eine Ärztin, der sie sich anvertrauen kann und die sie daraufhin privat behandelt. Doch das Leben ohne Aufenthaltsgenehmigung bedeutet ständige Unsicherheit und Isolation. „Diese Menschen kannten meine Geschichte. Aber sonst hatte ich niemanden. Ich hätte jeden belügen müssen, denn ich wusste ja nie, ob man mich verpfeift. Es war sehr einsam.“

Die Angst bleibt

Heute ist Alma verheiratet und kann legal in dem Land leben, in dem sie vor mehr als zwei Jahrzehnten eine neue Heimat gefunden hat. Das Dasein als Dunkelziffer hat sie hinter sich gelassen, die Angst davor, wieder gehen zu müssen, jedoch nicht. Ein unabhängiges Aufenthaltsrechtbekommt sie auch verheiratet erst nach drei Jahren. Davon, gejagt zu werden, träumt sie auch jetzt noch. „Ich will nicht sagen, dass ich menschenscheu bin, aber ich muss immer noch aufpassen, was ich erzähle“. Ihre Furcht ist begründet. Noch immer benötigt Alma den Schutz der Anonymität, so dass ihre Geschichte unter anderem Namen geschildert werden muss.

Das Leben in der Illegalität kostet viele Freiheiten. Rückblickend schmerzt Alma der Mangel an Schulbildung am meisten:„Ich hätte etwas aus meinem Leben machen können. Ich kann was! Aber ich hatte nicht die Chance, einen Abschluss zu machen. Das tut mir weh. Heute habe ich keine Kraft mehr dazu.“

*Name von der Redaktion geändert.

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