Foto: Fine

Judith: „Jetzt ist immer der richtige Zeitpunkt das zu machen, worauf du Lust hast“

Judith Springer ist eine unserer „25 Frauen, deren Erfindungen unsere Welt verändern” – sie hat das aluminiumfreies, sogar theoretisch essbares Deo „Fine“ entwickelt und wir haben mit ihr über die Lust am Ausprobieren gesprochen.

 

„Ich wollte es einfach machen, bevor es jemand anderes macht“

Wir alle haben viele Ideen, die wenigsten davon setzen wir um – zu wenig Zeit und zu wenig Know-how scheinen häufig gute Argumente, um die Träume nach hinten zu schieben. Ganz anders tickt da Judith Springer, die das aluminiumfreie Deodorant „Fine“ entwickelt hat. Sie sagt: „Ich lebe im Jetzt und das ist immer der richtige Zeitpunkt, das zu machen, worauf du Lust hast.“ Genau das hat sie gemacht und in der heimischen Küche begonnen das zu entwickeln, was später ein Erfolgsprodukt wurde.

Wie sie die Entwicklung eines Kosmetik-Produkts angegangen ist, ohne aus der Branche zu sein und wie sie es schafft, dass ihr Alltag trotz vieler Projekte nicht in Stress ausartet, das hat sie uns erzählt.

Du hast ein veganes, aluminiumfreies, sogar theoretisch essbares Deo entwickelt – ohne aus der Kosmetik-Branche zu kommen. Wie kam es dazu? Bist du eines morgens aufgewacht und hast gesagt: Das mach ich jetzt einfach – oder wie muss man sich das vorstellen?

„Vor gut eineinhalb Jahren traf ich mich mit meiner Freundin Jessica Prescott, die eine begnadete vegane Köchin und Bloggerin ist. Zu der Zeit arbeitete sie nebenher bei Aesop und ich sagte ihr, dass ich zwar den Duft des klassischen Aesop-Deos liebe, es leider aber gar nicht funktioniert. Worauf sie mich nur fragte, warum ich es nicht selber machen würde. Ich solle doch einfach das und das nehmen, fertig. Gesagt, getan. Schon das erste selbstgerührte Deo hat uns überzeugt, und auch meine Freunde. Fine war geboren.“

Hattest du schon immer einen gewissen „Erfindergeist“ oder was war dein Antrieb?

„Ich wollte es einfach machen, bevor es jemand anderes macht.“

Du hast Jura studiert und in der Kunst-Branche gearbeitet, bevor du das Deo entwickelt hast – was hat dich dann dazu gebracht, beruflich komplett umzusteuern?

„Als Juristin habe ich nie gearbeitet, das war für mich nur ein Grundstudium, auf das ich mein folgendes Diplom und meine Doktorarbeit aufgebaut habe. Tatsächlich habe ich gar nicht so etwas wie einen vorherigen Job, da alle meine Beschäftigungen mehr oder weniger parallel laufen, jedenfalls noch bis jetzt. Das letzte Jahrzehnt habe ich mich vor allem der Kunst gewidmet und habe als freie Kuratorin sowohl in verschiedenen Kontexten als auch in meinem eigenen Projektraum Espace Surplus an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Konzepten gearbeitet.

Daneben arbeite ich seit ein paar Jahren stets gemeinsam mit der wunderbaren Angela McRobbie in verschiedenen Forschungsprojekten mit, der Schwerpunkt hier ist in der Regel Creative Economy, Fashion Business und Creative Entrepreneurship. Und seit fast zwei Jahren bin ich auch zertifizierte Iyengar-Yoga-Lehrerin. Und schließlich bin ich nun auch Unternehmerin im Beauty-Bereich. Es hat sich einfach alles so ergeben. Ich habe nicht aus Unzufriedenheit aktiv etwas Neues gesucht.“

„Practice, practice and all will come“

Zu gründen wäre ja schon Herausforderung genug – dazu hast du deine anderen Projekte. Dabei sagtest du mal in einem Interview: „Ich will vor allem ein entspanntes Leben führen.“ Wie geht das zusammen? Und wie schafft man es, viele Dinge umzusetzen, ohne dass der Stress Überhand nimmt? Ist das vor allem eine Einstellungssache?

„Das ist nicht nur Einstellungssache, das ist viel Arbeit. Ich widme täglich möglichst zwei Stunden meiner Yoga- und Meditationspraxis. Iyengar hat mal gesagt ‚Practice, practice and all will come‘ – und ich kann nur sagen, das stimmt! Es passiert alles von ganz alleine, man muss bloß dranbleiben. Begünstigend ist, dass ich ein absolutes Organisationstalent bin.“

Wie geht man denn eigentlich konkret an die Entwicklung eines Deos zuhause heran? Also, woher wusstest du, welche Inhaltsstoffe du wie verwenden musst?

„Gelegentlich hatte ich schon mit selbstgemachter Kosmetik experimentiert, die Ergebnisse fand ich aber immer unbefriedigend. Das Internet ist voll mit Rezepten, da muss man nur loslegen.“

Das Deo besteht vor allem aus verschiedenen Ölen – wie lange hast du gebraucht, um die perfekte Mischung zu finden?

„Ich habe in meiner Küche eine zeitlang vor mich hingemischt, bis es gepasst hat. Das Ergebnis war aber doch immer noch sehr DIY. Schnell habe ich mir einen guten Produzenten gesucht, der mein Basisrezept perfektioniert hat mit Maschinen und Know-how, das ich gar nicht habe. Von der Idee bis zur Markteinführung hat es ein Jahr gebraucht.“

Das Design hat eine schöne Apothekerglas-Optik wie ich finde. Wie bist du an die Produktgestaltung rangegangen, was war dir wichtig zu transportieren?

„Das – aus der Kunst kommend – war natürlich einer der wichtigsten Punkte für mich. Das Produkt sollte absolut ästhetisch anspruchsvoll, durchdacht und liebevoll gestaltet sein. Ich hatte von Anfang an klare Vorstellungen, die ich mit Hilfe meiner kongenialen Designerin super umsetzen konnte.“

Quelle: Fine.

Wie viele Menschen stecken hinter Fine und ist das Produkt schon rentabel?

„Fine bin nur ich. Aber seit Juni habe ich eine wundervolle Assistentin, denn ich könnte die ganze Arbeit kaum mehr alleine bewältigen. Und ja, es war von Anfang an ein Erfolg.“

Was glaubst du, ist das Wichtigste, um mit einem Produkt erfolgreich zu werden?

„Authenzität, Integrität und Qualität.“

Wann war der Zeitpunkt, an dem klar war, das funktioniert, das ist tatsächlich eine Marktlücke, die ich nun gefüllt habe?

„Das war mir von Anfang an klar. Da hatte ich — im Gegensatz zu mancher Person in meinem nahen Umfeld – nie Zweifel.

Das klingt alles recht unbeschwert – hattest du auch schon einmal eine schwierige Phase nach der Gründung?

„Nein, es gibt manchmal Probleme, aber nichts, was grundlegend oder dramatisch wäre. Ich bin da immer ganz bei mir, und so hat sich immer alles
irgendwann geregelt.“

Mit ca. 40 Euro pro 50ml ist das Deo sehr teuer, das kann sich nicht jeder leisten. Wie entsteht dieser Preis?

„Qualität hat einfach seinen Preis, das vergisst man in Zeiten von ,Geiz ist geil’ oft. Ich produziere ohne Kompromisse in Sachen Qualität, Nachhaltigkeit und ethischer Verantwortung. Auch sind im Vergleich zur großen Industrie meine Stückzahlen immer noch klein. Die Produktionskosten sind einfach wahnsinnig hoch. Aber dafür hält ein Glas mit 50 g ungefähr vier Monate, das relativiert den Preis ganz entscheidend, vergleicht man das mit x Deos, die vielleicht nur fünf Euro kosten, dafür aber für die Tonne sind, da sie nicht funktionieren.“

Kleine erfolgreiche Unternehmen kommen häufig an den Punkt, dass sie der Nachfrage irgendwann nicht mehr mit ihren ursprünglich festgelegten Standards standhalten können. Wann wäre für dich Schluss – also, wann wäre der Punkt an dem du sagst: Lieber verdiene ich weniger Geld und bleibe bei dem eigentlich Plan?

„Das kann ich überhaupt nicht sagen, und ich verstehe auch nicht, warum die Qualität unter der Masse leiden soll. Das kommt doch einfach drauf an, wie man mit der Nachfrage umgeht. Ich denke, das Problem ist eher, dass das große Geld dann manche verführt, mehr und mehr Umsatz zu machen – und das hat dann natürlich irgendwann seinen Preis. Aber darum geht es mir nicht. Wie gesagt: Ich möchte ein entspanntes Leben führen.“

Was ist denn dein Tipp für jene, die eine Idee im Kopf haben, aber sich vor dem Start und den Herausforderungen scheuen?

„Du musst zu 100 Prozent von deinem Vorhaben überzeugt sein und es aus tiefstem Inneren wollen. Dann entspann dich, verkrampft kommt man nicht weit. Sei offen für alles, was dir begegnet. Wenn du klar fokussiert bist, dann wird dir alles geneigt sein.“

Viele denken, mit 40 Jahren noch einmal etwas ganz Neues anfangen, sei ein wenig spät – dabei liegen dann noch etwa 25 bis 30 Arbeitsjahre vor uns. Du hast es gemacht, was würdest du sagen: Perfekter Zeitpunkt oder tatsächlich etwas spät?

„Das Alter spielt für mich überhaupt keine Rolle, ich denke da gar nicht linear. Ich würde auch mit 80 noch was Neues anfangen. Ich habe immer alle paar Jahre was anderes gemacht, das ist für mich normal. Und wer sagt, dass vor mir noch 25 oder 30 Arbeitsjahre liegen? Dieses Denken habe ich aufgegeben, ich lebe im Jetzt. Und das ist immer der richtige Zeitpunkt das zu machen, worauf du Lust hast.“

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