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Warum der Job als Assistenz viel härter ist, als die meisten denken

Als Assistenz kocht man nur Kaffee? Ganz falsch. Assistenzen sind wie kleine Ameisen, die den ganzen Tag hin und her krabbeln und dabei noch das Hundertfache des eigenen Gewichts (er)tragen. Annelie Schober erzählt aus ihrem Alltag.

Wenn dem Chef die Macht zu Kopfe steigt

Den Tag, an dem mir ein Mann in einer der höchsten Führungspositionen, die es in einem Unternehmen gibt, fast die Unterschriftenmappe an den Kopf warf, weil ich diese auf die Schnelle nicht gefunden hatte, werde ich nie vergessen. Einer der höflichsten Menschen im Geschäftsleben rastete wegen einer Banalität vollkommen aus und ließ mich in einem Schockzustand zurück, nachdem er mir noch ausführlich mitteilen musste, wie minderwertig die Position der Assistenz sei.

Ich weinte danach bitterlich und ging nach Hause. Es war das bisher schlimmste Erlebnis in meinem Arbeitsleben. Es kam so plötzlich und unerwartet von einem Mann, der uns Vorstandsassistenzen zu Weihnachten freundliche Briefe schickte und sich für eine tolle Zusammenarbeit mit einer Schachtel hochwertiger Pralinen bedankte. Ich hätte bis zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht, dass Menschen im Arbeitsleben so aus ihrer Haut fahren können.

Assistenzen, ihre Chefs und die Rolle der Macht

Es hatte keinen Sinn, die Situation zu klären. Ich hatte es mit dem einflussreichsten Menschen dieses Unternehmens zu tun und mich mit meiner Meinung zur Wehr gesetzt. Was daraufhin folgte, waren ständige Schikanen seinerseits. Er drehte jeden Satz dreimal um und suchte nach kleinen Fehlern, die ich im Schriftverkehr machte, um diese dann mit meinem Chef, dem Vorstand, zu besprechen. Aber ich fühlte mich nicht unterlegen, ich wusste, es würde der Tag kommen, an dem auch er seinen Kopf verlieren und die Fassade bröckeln würde.

Ich habe in jeglichen Assistenzpositionen erlebt, welche Rolle Macht spielt. Es ist pervers. Es geht an erster Stelle nicht um das Wohle des Unternehmens, nein, es geht um ganz persönliche Interessen, das eigene Überleben. Es wird gelogen, betrogen, bestochen und mit psychischen Tricks gearbeitet. Ich fühlte mich stets wie ein stiller Beobachter des Ganzen, bis ich selbst zur Zielperson wurde. Ich fing an, dieses ganze Konstrukt zu hinterfragen und suchte nach Lösungen, wie ich als „minderwertige“ Assistenz Einfluss nehmen könnte.

Als Assistenz kocht man nicht nur Kaffee

Das Sekretärinnen-Dasein ist bis heute ein ewiges Rechtfertigen, dass man nicht den ganzen Tag ausschließlich Kaffee kocht und mit dem Vorgesetzten auf Geschäftsreisen fährt, um die gemeinsame Affäre zu genießen. Mir hat dieser Beruf immer Spaß gemacht, auch wenn man nur selten – wie es so schön heißt – „anspruchsvolle inhaltliche Aufgaben“ bearbeitet. Das Geschäftsleben meines Chefs zu organisieren, ließ überhaupt keine Zeit für stundenlange Konzentration auf nur ein Thema. Termine und Reisen wurden geplant, Reservierungen gemacht, Gäste begrüßt, Telefonate geführt, Meetings organisiert, Protokolle geschrieben, Events vorbereitet und und und…

Wir administrativen Assistenzen organisieren unsere Vorgesetzten, damit sie sich auf inhaltliche Themen und das Tagesgeschäft fokussieren können. Das klingt banal, aber es bedeutet, ein enorm gutes Zeitmanagement aufzustellen und ihm oder ihr den Rücken freizuhalten. Jede Assistenz weiß, wie anstrengend das sein kann.
Ich bin in dieser Rolle wirklich aufgegangen, aber dann kam der Tag, da hatte ich als junger Mensch genug vom „Kampf“ gegen machthungrige Männer, die einen von oben herab belächeln und dich unsagbar unterschätzen, weil du blond, attraktiv, jung und eine kaffeekochende Sekretärin bist.

Hinzu kam der Fakt, dass besonders große Firmen bereits sehr starre Strukturen besitzen. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Menschen mit einer anderen Arbeitsweise- und struktur sehr polarisieren. Ich habe mich oft geärgert, dass Veränderungsvorschläge nicht einmal in Betracht gezogen wurden: „Das haben wir doch schon immer so gemacht!“ Angefühlt hat es sich oft wie: „Also von einer Sekretärin lassen wir uns hier gar nichts sagen!“ Als ob man nicht genug Grips besäße, einen guten Vorschlag zu unterbreiten.

Das Dasein als „Mädchen für alles“ ist alles andere als leicht

Das Assistenz-Dasein ist nicht leicht. Du bist Mädchen für alles. Du bist die Türsteherin vor dem Büro deines Chefs und hast zugleich eine repräsentative Funktion. Du weißt, wann dein Chef zum Zahnarzt geht, wohin er in den Urlaub fährt, was er für Marken trägt, wann er sich mit wem trifft, du bist quasi ein Teil seines Lebens und erträgst die schlechten Launen, die jeden im Laufe der Zeit mal überkommen.

Aber all die Schattenseiten rücken in den Hintergrund, wenn du dir bewusst machst, dass er nur durch dich so gut funktioniert. Du hast einen unschätzbaren Wert in allem, was du tust. Im Idealfall lässt dich dein Chef das auch ab und an mal wissen.
Mein letzter Chef war so ein Idealfall. Er hat mich als Person sehr geschätzt, sich – metaphorisch gesprochen – schützend vor mich gestellt, um die Unterschriftenmappe vor meinem Kopf abzufangen, Wert auf meine Meinung gelegt und mich in den bedeutendsten Projekten des Unternehmens mitwirken lassen. Wir waren ein Team und dieses Gefühl zu erleben, machte alle Strapazen wieder gut, die man im Alltag ertragen musste.

Kein Job der Welt ist minderwertig

Kein Job der Welt ist minderwertig, wenn er dir Spaß macht und du deine Stärken darin ausleben kannst. Ich habe in meinem Assistenz-Dasein über die Jahre gelernt, jedem Menschen freundlich aber bestimmt zu begegnen. Ich fürchte mich nicht vor Führungskräften, ich sehe mich mit ihnen auf Augenhöhe, denn wir sind am Ende alle Menschen und nicht durch einen Jobtitel definiert. Ich kann nicht immer Einfluss nehmen auf Ungerechtigkeiten im Arbeitsleben, aber ich kann meine Meinung respektvoll äußern und, das ist das Wichtigste, meine Arbeit selbst wertschätzen. Früher habe ich meine Stellenbezeichnung jedes Mal ausführlich gerechtfertigt. Heute sage ich ganz stolz: Ich arbeite als Assistenz! Punkt!

Denn Assistenzen sind wie kleine Ameisen, die den ganzen Tag hin- und herkrabbeln, um das Oberhaupt zufriedenzustellen und dabei das Hundertfache des eigenen Gewichts (er)tragen. Das soll mal einer nachmachen.

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