Foto: Miriam Wohlfahrt

Ratepay-Gründerin: „Jede Führungskraft sollte sich Mitarbeiter*innen suchen, die besser sind als sie selbst“

Miriam Wohlfarth ist Gründerin des Fintechs Ratepay. Im Gespräch verrät sie, was sie in einem unglücklichen Job tun würde und wie sie mit Pannen umgeht.

„Suche dir Kolleg*innen, um deine Stärken und Schwächen optimal zu ergänzen“

Miriam Wohlfarth hat die Online-Payment-Szene mit aufgebaut. In der europäischen Startup- und Payment-Welt ist die Gründerin und Geschäftsführerin von Ratepay nicht nur als Unternehmerin, sondern auch als Referentin, Netzwerkerin und Mentorin bekannt. Der Zahlungsdienstleister ist heute ein Teil von Advent International und Bain Capital und unterstützt viele Unternehmen dabei, im Onlinehandel die gewohnten Zahlungsmethoden wie das Lastschriftverfahren anbieten zu können. Carina Kontio hat mit ihr gesprochen

Frau Wohlfarth, was sind Ihre Stärken

„Mut, Ausdauer, Gelassenheit.“

Wer ist Ihr persönliches Rolemodel und warum?

„Pieter van der Does, der CEO und Gründer des niederländischen Zahlungsdienstleisters Adyen. Ayden ist eines der wenigen europäischen Unicorns. Er war sechs Jahre lang mein Chef und hat mir gezeigt, dass man es mit extremer Begeisterung und Leidenschaft schaffen kann, aus einer tollen Idee ein erfolgreiches Unternehmen zu bauen. Als ich damals Ratepay gegründet habe, war Pieters Art, mit Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Ideen umzugehen, ein Wegweiser für mich. Ich freue mich sehr, dass er mit Adyen nun so weit gekommen ist.

Ich unterstütze meine Mitarbeiter*innen in schwierigen Situationen, indem…?

„… meine Tür für alle Mitarbeiter*innen immer offen steht. Obwohl unser Unternehmen inzwischen recht groß geworden ist. Sie wissen, dass ich ihnen zuhöre, wenn irgendwo der Schuh drückt und mit ihnen gemeinsam versuche, eine Lösung zu finden. Nicht umsonst kursiert intern gerne mal der Spitzname ,Mama Miriam‘. Um unsere Mitarbeiter*innen stark zu machen, auch für schwierige geschäftliche Situationen, übertrage ich ihnen viel Verantwortung, schenke Vertrauen und sehe unsere Zusammenarbeit als Partnerschaft. So fühlt sich niemand bevormundet und entscheidet, wenn es hart auf hart kommt, im Sinne des Unternehmens und schiebt die Verantwortung nicht von sich beziehungsweise auf die nächste Führungsebene.“

Eine Mitarbeiterin denkt oft: „Ich verdiene den Erfolg gar nicht“, „Ich bin gar nicht gut genug“, „Das schaffe ich nie“, „Andere sind um Welten besser als ich…“ – Was raten Sie ihr?

„Das ist ja leider ein Klassiker der weiblichen Selbstreflexion, dabei müssen sich Frauen natürlich überhaupt nicht verstecken. Den meisten Frauen, die ins Zweifeln geraten, sage ich: Hab Mut. Frage dich, was du tun würdest, wenn du keine Angst haben müsstest? Was könnte denn im schlimmsten Fall passieren? Trau dich, nicht perfekt zu sein, stehe dazu und suche dir Kolleg*innen beziehungsweise ein Team, um deine Stärken und Schwächen optimal zu ergänzen. Frauen haben sich immer eine unheimlich hohe Erwartungshaltung, dabei ist niemand perfekt. Und gerade bei uns in der noch relativ neuen Fintech-Branche – sowieso in allen Digital-Branchen – gibt es so viele neue Wege zu beschreiten, da können sich Frauen sehr gut entfalten, ohne dass ein Mann sagt ,Das haben wir aber schon immer so gemacht.‘“

Ein No-Go im Umgang mit Mitarbeiter*innen ist für mich…?

„… Unaufrichtigkeit, unfair sein. Ich finde es gibt nichts Schlimmeres, als etwas zu versprechen und später nicht zu seinem Wort zu stehen. Im hektischen Arbeitsalltag, aber auch einfach so zwischen zwei Menschen, muss man sich auf das Wort des anderen verlassen können.“

Feedback ist für mich…?

„… essentiell und immer gewünscht. Ich tausche mich regelmäßig mit meinen Kolleg*innen in der Geschäftsführung aus und da wird kein Blatt vor den Mund genommen. So kann ich meine eigenen Überzeugungen immer wieder kritisch überprüfen. Wenn ich Mitarbeiter*innen Feedback gebe, versuche ich sie auf Augenhöhe mitzunehmen, anstatt von oben herab Anweisungen zu erteilen.„

Über ihre Erfolge sollten Frauen …?

„… reden – denn sonst bekommt es keiner mit – und darauf stolz sein. Frauen sollten, wie Männer auch, Erfolge teilen und, ganz wichtig, auch mal feiern.„

Her mit dem Geld: Ihr Ratschlag an andere Frauen für Gehaltsverhandlungen

„Frauen sollten die branchenüblichen Gehälter kennen und diese einfordern. Das aber ohne Jammern, ohne Verweis auf den Kollegen oder auf die teure Miete, sondern indem sie aufzeigen, was sie dem Unternehmen schon an Mehrwert bringen und in Zukunft bringen werden.“

Verbündete und Mentor*innen finde ich, indem ….

„Manche Mentor*innen habe ich durch Arbeitsverhältnisse gefunden, zum Beispiel Pieter van der Does, den ich oben erwähnte. Ich gehe außerdem zu vielen Branchen- und Frauen-Netzwerken, treffe da Gleichgesinnte und supporte andere Teilnehmer*innen. Damit andere wissen, zu welchen Themen sie sich an mich wenden können, schreibe und veröffentliche ich Artikel zu Fachthemen, twittere fleißig, arbeite an Podcasts mit. Außerdem gehe ich nie alleine zum Mittagessen.”

In Konfliktsituationen bin ich …?

„…eher ruhig und höre erst mal zu. Wenn ich eine Situation aus möglichst vielen Perspektiven gesehen habe, treffe ich eine Entscheidung.“

Pannen sind…?

„…normal und passieren täglich. Unangenehm ist nur, wenn man versucht, sie zu vertuschen und damit eventuell andere in Schwierigkeiten bringt.“

Wie gehen Sie mit Stress um?

„Ich kann gut abschalten und akzeptiere, dass nicht immer alles perfekt läuft. Außerdem gönne ich mir regelmäßig Urlaub. Zuhause bringt mich auch unsere Teenager-Tochter auf ganz andere Gedanken, die nichts mit der Arbeit zu tun haben.“

Nein sagen sollten Frauen zu…?

„… zu allem, was einem echt unangenehm ist. Das ist aber nicht frauenspezifisch. Wobei natürlich Frauen eher dazu neigen, es jedem recht machen zu wollen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mir konkrete Ziele zu setzen – beruflich, privat – und zu (fast) allem nein zu sagen, was damit nichts zu tun hat.“

Sie merken, dass Sie unglücklich sind in Ihrem Job. Was tun Sie?

„Ich würde erst mal offen kommunizieren und die Punkte, die mich stören, ansprechen. Meine Wünsche äußern und sagen, was sich ändern müsste, damit ich besser und zufriedener arbeiten kann. Wenn dann nichts passiert, würde ich den Job wechseln. Meine Entscheidung für einen Job ist freiwillig und ich kann jederzeit entscheiden, dass ich das nicht mehr will.“

Anderen Chef*innen würde ich gerne sagen, …

„Jede*r Chef*in sollte sich Mitarbeiter*innen suchen, die besser sind als er*sie selbst. Es ist wichtig, sich auf sein Team verlassen zu können. Diese oft noch vorhandene Mentalität, dass ein*e Chef*in alles besser kann, ist nicht mehr zeitgemäß.“

Frau Wohlfarth, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Mehr Interviews von Carina Kontio zu Diversity, Management und Leadership findet ihr im Handelsblatt-Special „Shift“. Carina hat außerdem eine Karriere-Kolumne bei Audible, die ihr euch jeden Donnerstag anhören könnt.

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