Als Digital-Innovations-Chefin bereicherte Niddal Salah-Eldin die Chefredaktion der „Welt“. Ein Gespräch mit der Vordenkerin über Macht, Neid und Selbstfürsorge.
„Feedback ist ein Geschenk“
Mit ihr zog 2018 bei der Welt-Gruppe mehr digitale Kompetenz in die Chefetage ein: Niddal Salah-Eldin, 33, zuvor Chefin des Social-Media-Teams, baute seit Januar 2018 als „Director of Digital Innovation“ Brücken in andere Unternehmensbereiche: zum Beispiel „Produkt“, „Tech“ oder „Business“. Außerdem kümmert sie sich um die Weiterentwicklung von Paid Content, redaktionelle Daten und Tools, neue Plattformen, Partnerschaften und Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz (KI). Mittlerweile ist Niddal Salah-Eldin stellvertretende Chefredakteurin bei der deutschen Presse Argentur (dpa).
Studiert hat Salah-Eldin Publizistik, Politikwissenschaft und Journalismus in Mainz und Washington, D. C., bevor sie in der Kommunikationsberatung bei Ketchum Pleon ihrer Leidenschaft für Social Media nachging. Seit 2014 gehört sie zum Gründungsteam von Welt Social. 2015 wurde die gefragte Social-Media-Expertin und Speakerin vom „medium magazin“ in die Top 30 der unter 30-Jährigen im Journalismus gewählt, bevor sie Ende 2015 die Teamleitung Social Media bei Welt N24 übernahm. Ganz frisch wurde sie von Kress zu den Top 25 jungen Führungskräften in der Medienbranche („Die 25 Macher von morgen“) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gewählt. Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt
Frau Salah-Eldin, was sind Ihre Stärken?
„Meine Auffassungsgabe, mein Pragmatismus, das Vermögen, schnell das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen – und meine Neugierde und mein Humor. Wovon ich beruflich jeden Tag profitiere: von meiner Offenheit und der Fähigkeit, schnell mit Menschen ins Gespräch und auf eine Vertrauensebene zu kommen. Denn die Grundlage von Führung ist Vertrauen sowie fachlicher und menschlicher Respekt. Beides muss man sich erarbeiten, unabhängig vom Dienstgrad. Das Motto: Erst eine Beziehung aufbauen, dann führen. Ich bin sehr dankbar, dass ich das bislang in allen Positionen erfahren durfte – mit den besten Menschen, die man sich nur wünschen kann. Zu Stärken gehören aber auch Schwächen, über die wir alle noch viel mehr sprechen sollten. Ich kann mich wahnsinnig aufregen über inkompetente oder besserwisserische Menschen, die wenig Ahnung, vor allem aber eine Meinung haben. Was man mir auch nachsagt: Wer bei ihr mal auf der ,Verscherzt-Liste´ gelandet ist, kommt da so einfach nicht mehr runter. Da landet man zwar nicht schnell, aber wenn man drauf ist, ist das eher langfristig angelegt. Ich gebe zu: Das stimmt!“
Wer ist Ihr persönliches Rolemodel und warum?
„Ich habe ein Herz für Underdogs, für jene, denen nicht alles in die Wiege gelegt wurde, die kämpfen mussten für das, was sie heute haben. Rolemodels sind meine Eltern, die mir gezeigt haben, dass man mit harter Arbeit, Selbst- und Urvertrauen ins Leben weit kommen kann – auch wenn man anders ist und anders ausschaut als (fast) alle anderen. Auch meine Großeltern (Gott hab’ sie selig), die im Sudan lebten und weder lesen noch schreiben konnten – und es dennoch irgendwie geschafft haben, ihre Kinder zu resilienten, mutigen und erfolgreichen Menschen zu machen. Und Oprah Winfrey, weil sie so viele Hürden im Leben überwunden und sich ihren Platz erkämpft hat. Was mir imponiert: dass sie keinerlei Anstalten macht, sich für ihren Ehrgeiz, ihr Aussehen oder ihre Art zu entschuldigen. Von Oprah habe ich gelernt: Du musst dich nicht anpassen. Be unapologetic about who you are.“
Bitte ergänzen: Ich unterstütze meine Mitarbeiter*innen in schwierigen Situationen, indem…
„… ich nahbar und ansprechbar bin, im Guten wie im Schlechten. Außerdem bemühe ich mich sehr, so konkret wie möglich meine Hilfe anzubieten. Empowerment und Selbstwirksamkeit finde ich wichtig, da sie nachhaltig stärken. Ich sage dann: ‚Du bist stark, du schaffst das, und ich glaube an dich, auch wenn du es gerade nicht tust.‘ Ab und zu bekomme ich Feedback von jungen Menschen mit Migrationshintergrund, dass mein Weg sie ermutigt und bestärkt. Das berührt und motiviert mich immer sehr. Ich mache das nicht nur für mich. Representation matters!“
Angenommen, eine Freundin oder Kollegin denkt oft: „Ich verdiene den Erfolg gar nicht“, „Ich bin gar nicht gut genug“, „Das schaffe ich nie“, „Andere sind um Welten besser als ich“ – was raten Sie?
„Je nach Verfassung meines Gegenübers helfen unterschiedliche Methoden. Vom beherzten: ‚Jetzt straff’ dich mal, mach’ dich breit, sprich mit lauter, fester Stimme‘ zum freundlichen Erinnerungsappell im Sinne von ‚Weißt du noch, wie du damals xyz gerockt hast? Schafft man das, wenn man gar keine Ahnung hat und nicht gut ist?‘ Was ich neulich ein paar Mal probiert habe: ‚Hast du das jemals von einem Mann gehört?‘ Dann nimmt das Gespräch plötzlich eine heitere Wendung.“
Ein No-Go im Umgang mit Mitarbeiter*innen ist für mich…
„… nach oben buckeln und anbiedern, nach unten respektlos sein und treten. Uncool, unsouverän und ein Zeichen von Schwäche.“
Feedback ist für mich…
„… sehr wertvoll. Ich frage auch proaktiv nach Feedback – und zwar nicht nur meine Chef*innen, sondern auch meine Mentees, die ich betreue, oder Redakteur*innen, mit denen ich zusammenarbeite. Die Außenperspektive ist so wertvoll. Nur mit Feedback kann man sich verbessern. Feedback ist wie ein Prozess in der agilen Produktentwicklung. Eine iterative Reflexion mit unterschiedlichen Impulsen und Signalen, die das Produkt – in dem Fall die Führungskraft – einfach immer besser machen. Kurz: ein Geschenk.“
Über ihre Erfolge sollten Frauen…
„… viel selbstbewusster sprechen und sie nicht als Zufallserfolg deklarieren. Wir sollten unsere Erfolge nutzen, um andere zu stärken, statt sie mit Ellenbogen wegzuschubsen. Macht ist ja kein Selbstzweck. Wirklich bedeutsam wird die eigene Position nur, wenn man damit andere stark machen kann. Wirklich erfolgreiche Leader scheuen sich nicht, andere strahlen zu lassen. Mit einer Kerze kann man schließlich auch sehr viele andere Kerzen anzünden.“
Her mit dem Geld: Ihr Ratschlag an andere Frauen für Gehaltsverhandlungen?
„Ruhig und sachlich sein, die eigene Leistung, die Erfolge und ihren Mehrwert fürs Unternehmen strukturiert und überzeugend kommunizieren. Gerader Rücken, klare und feste Stimme, ein Gemeinschaftsgefühl herstellen und konstruktiv sein. Auf keinen Fall das Gehalt von Dritten oder die eigene Lebenssituation ins Spiel bringen. Das kommt so gut wie immer relativ unprofessionell und verzweifelt rüber. Besser: Die eigene Leistung, den eigenen ganz konkreten Beitrag zum Unternehmenserfolg in den Vordergrund stellen. Mir hat das bislang immer geholfen, das zu bekommen, was ich verdiene – im doppelten Sinne.“
Verbündete und Mentor*innen finde ich, indem…
„… ich meiner Intuition vertraue. Das täuscht mich in der Einschätzung von Menschen selten. Ich spüre schnell, ob ich mit jemandem noch viel mehr zu besprechen habe. It just clicks.“
In Konfliktsituationen bin ich…
„… hart in der Sache, kämpferisch und konstruktiv. Mein Gegenüber merkt das meistens, dass ich mich nicht abwimmeln lasse. Ich habe schon früh gelernt, dass ich für mich und meine Positionen kämpfen muss und mich selten von anderen umtackeln oder umwalzen lasse. Bring it! Möge das beste Argument gewinnen.“
Pannen sind…
„… Teil des Gesamtkunstwerks. Mund abwischen, weitermachen. Und falls das nicht hilft: sich selbst mal die Frage stellen, ob das eine Panne ist, die einen noch beschäftigt, wenn man als glückliche*r Greis*in auf der Parkbank lümmelt und das Leben Revue passieren lässt.“
Wie gehen Sie mit Stress um?
„Ich verausgabe mich beruflich immer sehr. Hart arbeiten und Verantwortung übernehmen macht mir Spaß. Mein Potenzial abzurufen, jeden Tag dazuzulernen, das erfüllt mich und gehört zu meinem Selbstverständnis. Ich kann gut für andere sorgen, weniger gut für mich selbst. Daran arbeite ich. Was mir sehr hilft: häufiger nein sagen zu Dingen und Aktivitäten, die weder das Herz berühren noch den Geist beflügeln. Zeit ist für mich so kostbar, daher überlege ich mir genau, womit und mit wem ich sie verbringe. Radikale Fokussierung auf das, was mir wirklich wichtig ist: mein Mann, meine Familie, mein Freund*innenkreis. Beruflich: wachsen, lernen, etwas schaffen.“
Nein sagen sollten Frauen zu…
„… inkompetenten oder unfähigen Menschen (Männern und Frauen), die einem was vormachen wollen, und Neider*innen, die sich lieber mit ihnen beschäftigen, anstatt an ihren eigenen Unzulänglichkeiten zu arbeiten und besser zu werden.“
Sie merken, dass Sie unglücklich sind in Ihrem Job. Was tun Sie?
„Da bin ich sehr analytisch. Eine Bestandsaufnahme ist dafür wichtig: Wo bin ich? Was will ich jetzt? Wo will ich hin? Darüber sollte man dann mit Vertrauten sprechen. Im Anschluss würde ich darüber nachdenken, ob es etwas ist, dass man ändern kann oder überhaupt möchte oder ob man sich einer neuen Herausforderung stellen will. Manchmal ist es auch einfach an der Zeit, sich selbst zu disruptieren. Es kann auch alles super sein, und dann kommt eine tolle Chance ums Eck, die man gerne ergreifen möchte. Auch das ist total o.k.!“
Anderen Chef*innen würde ich gerne sagen, …
„… Ich bin immer wieder erstaunt, dass auch zuweilen diejenigen, leider auch Frauen, die sich nach außen für ihre vermeintliche Fortschrittlichkeit feiern (lassen), nach innen unkollegial und sogar tyrannisch auftreten und ihren Kollegen und Kolleginnen das Leben zur Hölle machen. Ich verstehe das nicht und finde das auch unaufrichtig. Ich glaube fest an authentische und empathische Führung. Keep it real!“
Vielen Dank für das Interview, Frau Salah-Eldin.
Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt. Mehr Interviews zu Diversity, Management und Leadership findet ihr im Handelsblatt-Special „Shift“. Carina hat außerdem eine Karriere-Kolumne bei Audible, die ihr euch jeden Donnerstag anhören könnt.
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