Foto: Watson

News ohne Blabla? So will Watson die „Generation Mobile“ erreichen

Seit März 2018 gibt es das Newsportal Watson auch in Deutschland. Die Chefredakteurinnen Gesa Mayr und Anne-Kathrin Gerstlauer verraten im Interview, wie sie Langeweile vermeiden wollen und warum sie hoffen, dass ihre Experimentierphase nie endet.

 

Wir sind News, Unterhaltung und Debatte

Seit dem 22. März ist Watson, die deutsche Lizenzausgabe des Schweizer Newsportals für die „Generation Mobile“, online. Das insgesamt 25-köpfige Redaktionsteam um die Chefredakteurin Gesa Mayr und Vize Anne-Kathrin Gerstlauer verfolgt dabei das Konzept: News ohne Blabla. Mit einer Kombination aus News, Unterhaltung und Debatte wollen sie ihre junge Zielgruppe erreichen. Die Inhalte werden über eine App beziehungsweise einen mobilen Browser ausgespielt und sind frei abrufbar.

Wie sich Watson dabei von anderen jungen Medienformaten abgrenzen will, erklären Gesa und Anne-Kathrin im Interview. Gemeinsam sprechen sie über Video-Formate, Click-Zahlen und Windowsrechner. Mit Blick auf die Zukunft verraten uns die beiden außerdem, welche Punkte ganz oben auf der To-Do-Liste von Watson stehen.


Links: Gesa Mayr, rechts: Anne-Kathrin Gerstlauer. Bilder: Hella Wittenberg

Eine Redaktion von null an aufzubauen ist mit Sicherheit nicht einfach. Welche Schritte habt ihr durchlaufen, von der Idee bis zum Launch?

Anne-Kathrin: „Was es einfacher gemacht hat: Die Idee war ja nicht komplett neu, sondern wir orientieren uns am Schweizer Original. Wir sind dorthin gefahren, haben uns inspirieren lassen, das einfachste CMS der Welt kennengelernt, und dann haben wir mit unseren eigenen Ideen und Formaten einfach losgelegt. Wir wollten gar nicht monatelang etwas planen, was wir in der Theorie gut finden, aber dann total weit weg von unseren Leser*innen ist. Und wir wollen das als Redaktion zusammen gestalten.“

Wie lange dauerte diese Phase?

Gesa: „Wir haben am 1. März in Berlin angefangen und hatten also bis zum Launch ungefähr drei Wochen. Wir glauben aber nicht und hoffen auch, dass diese Phase jemals abgeschlossen ist. Dafür diskutieren wir zu gerne, dafür genießen wir zu sehr, dass wir völlig frei drehen können.“

Welchen Herausforderungen seid ihr dabei begegnet? Wie seid ihr damit umgegangen?

Anne-Kathrin: „Es gab eigentlich nur eine: Windowsrechner. 

„Unser Motto ist gerade so: Macht Fehler, macht sie schnell, macht sie einmal. Und dann macht weiter.“


Was hat euch persönlich dazu bewegt, euer gewohntes Arbeitsumfeld zu verlassen und mit Watson etwas ganz Neues anzugehen?

Gesa: „Wir freuen uns, einfach auszuprobieren, wenn etwas nicht funktioniert, es anders zu machen und dabei absolute Freiheit zu genießen. Und das zusammen mit einem Team, das nonstop neue Ideen hat. Unser Motto ist gerade so: Macht Fehler, macht sie schnell, macht sie einmal. Und dann macht weiter.

Es gibt hier in der Redaktion so ein total popeliges DIN-A-Papier, auf dem steht: ,Groß denken, klein wird’s von allein‘. Das klingt sehr banal, aber das meinen wir schon ernst.“

Der Markt junger Medienformate ist stark umkämpft. Wie wollt ihr euch von den Angeboten der Konkurrenz abgrenzen?

Anne-Kathrin: „Wir sind ein Newsportal und kein Magazin, damit grenzen wir uns von allen anderen Angeboten ab. Unsere Schwerpunkte sind: News, Debatte und Unterhaltung. In diesen Bereichen wollen wir schnell sein, witzig sein und vor allem: nicht so vorhersehbar.“

Wir überlegen jeden Tag, wie wir politische Themen auch mal anders darstellen können.“

Was steckt hinter eurem Konzept „News ohne Blabla”?

Gesa: „Wir sind thematisch nah dran an unseren Leser*innen. Wir reden mit und nicht über Menschen, die wirklich von Armut betroffen sind. Wir überlegen jeden Tag, wie wir politische Themen auch mal anders darstellen können. Das ist uns zuletzt ganz gut gelungen, als wir gefragt haben: Wie lange hältst du es aus, über die Toten von Syrien zu scrollen? Dahinter war eine Art hintergründige Grafik, in der wir Infos zur Situation in Syrien gegeben haben und die User über 511.000 Emojis scrollen ließen. Klar hat das ein paar Leute gestört. Aber das ist die Art von Provokation, die wir brauchen und wollen. Wir haben damit nichts anderes als die Abgestumpftheit der Leute dokumentiert. Wir wollen auch mal an die Themen ran, an die sich sonst niemand traut, die unsere Leser*innen aber interessieren.“

„Wir verstehen Debatte nicht als klassischen Kommentar, in dem wir den Leuten sagen, was sie zu tun und zu denken haben.“ 

Ist das auch ein klares Bekenntnis: News statt Unterhaltung?

Anne-Kathrin: „Nein, überhaupt nicht. Wir sind News UND Unterhaltung UND Debatte. Das Schöne daran ist: Unterhaltung – damit ist in Deutschland oft Boulevard gemeint. Also „Der Bachelor” und Promis. Irgendwie jedenfalls etwas Schlechtes. Das sehen wir anders. Wir wollen Menschen erreichen, die auch mal über ein Meme zum Tuchel-Wechsel lachen. Oder über ,Diese Bilder zeigen, wie schmutzig dein Gehirn funktioniert‘. Und gleichzeitig ist uns der Dialog mit den Lesern sehr wichtig. Wir verstehen Debatte nicht als klassischen Kommentar, in dem wir den Leuten sagen, was sie zu tun und zu denken haben. Wir verstehen uns als Plattform, die Debatten anstößt.“

Wie gelingt es euch, Clicks zu generieren, aber gleichzeitig qualitative Inhalte zu spielen?

Gesa: „Warum muss da ein Widerspruch liegen? Gerade am Anfang sind wir darauf angewiesen, dass die User unsere Geschichten mit Freund*innen und Familie teilen, das gelingt natürlich nur mit exklusiven und tollen Geschichten. Und auch der Facebook-Algorithmus belohnt ja nur noch Inhalte, die ein sogenanntes ,meaningful engagement‘ auslösen, also die Nutzer wirklich zu Diskussionen anregen. Klicks und Reichweiten sind auch ein Signal für uns: Ein Thema bewegt unsere User*innen.“

„Wir bauen keine Bleiwüsten mit 20.000 Zeichen Text und zwischendurch drei nichtssagenden Zwischenüberschriften.“

Mit welcher Strategie wollt ihr eure Zielgruppe, die Millenials, erreichen?

Anne-Kathrin: „Wir richten uns komplett nach unseren User*innen, das fängt dabei an, dass wir genau wissen, zu welchen Uhrzeiten sie welche Art von Geschichten lesen wollen. Und die bereiten wir dann gezielt fürs Smartphone auf, unser CMS ist darauf ausgelegt, Geschichten mobil und nicht für den Desktop zu erzählen. Wir bauen keine Bleiwüsten mit 20.000 Zeichen Text und zwischendurch drei nichtssagenden Zwischenüberschriften. Sondern wir führen unsere User an Quotes, Videos, Tweets, Videos, Instagram-Postings und klar strukturierten Abschnitten durch die Geschichte durch. Immer mit einer Ansage: Watson-Storys dürfen alles sein, aber nie langweilig.“ 

Welche Themen beschäftigen die Millenials eurer Meinung nach am meisten?

Gesa: „Was unsere Zielgruppe beschäftigt, entdecken und analysieren wir eigentlich täglich neu. Was uns wichtig ist: Dass wir uns nicht verstellen. Ganz ehrlich, Freitagnachmittag wollen die Leute nicht noch irgendeine Analyse zum Wirtschaftsforum lesen. Da sind’s dann manchmal auch die ,13 Kanye-Weisheiten, die dich durchs Wochenende bringen‘.

Was sind eure Pläne für die nächsten Monate?

Anne-Kathrin: „Wir wollen noch mehr Feedback von unseren Leser*innen sammeln. Deshalb betreuen alle unsere Autor*innen ihre Geschichten selbst und schalten sich bestenfalls persönlich im Kommentarbereich ein, sei es auf Facebook, Instagram oder auf der Seite. So langsam ist auch unser Video-Team vollständig. Das bauen wir weiter aus und produzieren unsere eigenen Formate. Wir verstehen Video als Teil unseres Teams, nicht als extra Ressort. Es fühlt sich gut an, dass Video bei uns eine Selbstverständlichkeit ist. Wenn wir das alles runterbrechen wollen: Wir genießen es, dass wir uns nicht dafür entschuldigen müssen, dass wir mal was ausprobieren und anders machen.“


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