Netzwerken klingt irgendwie anstrengend, hat einen faden, strategischen Klang, nach unnatürlicher Anstrengung, nach Businessbibelgelaber. Wieso es aber vor allem Spaß macht, das Leben verändern kann und wie dein Netzwerk in Corona-Zeiten sogar wieder belastbarer wird, darüber schreibt Nora in unserer Introkolumne.
Nach außen wirke ich wohl oft so, als gäbe es für mich nichts Schöneres als Netzwerken. Meine Mitgründerin Suse sagt mir oft, dass das ja wohl genau mein Ding sei: „Da willst du doch bestimmt hin”, heißt es meistens, wenn eine Konferenz ansteht oder wir die Einladung zu einem wichtigen Event bekommen. Teilweise richtig, teilweise falsch.
In der Vor-Corona-Zeit war ich regelmäßig auf Events, Konferenzen, traf mich zum Lunch und Dinner. Vor allem in den ersten EDITION F-Jahren habe ich unglaublich viel gemacht, um unser Netzwerk auszubauen und meine Fühler auszustrecken, dabei habe ich verdammt viele Kontakte geknüpft, die ich bis heute schätze. Viele Netzwerkmomente liegen mir, weil ich so viele Menschen treffe, die meine eigenen Perspektiven verschieben, mich beeindrucken, mit denen ich immer wieder gemeinsam denken kann. Denen ich helfe, die mir helfen. Trotzdem bleibt Netzwerken irgendwie ein Mysterium für mich und sicher auch vielen von euch. Mich erreichten in Vorbereitung auf die Kolumne so viele Fragen, und eine, die mich zum Nachdenken brachte, war diese: „Für andere scheint Netzwerken so natürlich und leicht zu sein. Bei mir läuft es irgendwie nicht?“
Die Antwort darauf ist vielschichtig, auch bei mir läuft das nicht immer. Niemand ist mit diesen Vorbehalten und Zweifeln also alleine. Introvertierten Menschen fällt das Netzwerken vielleicht noch zehnmal schwerer. Und ich kenne auch viele extrovertierte Personen, die Netzwerken anstrengend finden, zumindest an manchen Tagen. Also: ganz normal.
Netzwerken: zwischen Horror und echten Erhellungen
Ich erinnere mich noch genau an einen Abend vor einigen Jahren in Hamburg. Ich war von einem Frauennetzwerk dazu eingeladen worden, in einer Kochschule an einem Dinner teilzunehmen, mit Gründer*innen und Investor*innen. Auch wenn mein Startup-Netzwerk ziemlich groß ist, fühlte ich mich nicht hundertprozentig wohl auf dem Weg zum Event, es war ohnehin nicht wirklich mein Tag. Ich wusste nicht, ob jemand da sein würde, den*die ich gut kannte, hatte also keinen wirklichen Anker. Und ich fühle mich immer sicherer, wenn ich weiß, dass Menschen vor Ort sind, die mir vertraut sind.
Angekommen, stellte ich mich zu einer Gruppe, nahm mir ein Glas Wein, und unterhielt mich. 80 Prozent der Gäste, wie so oft im Start-up-Universum: Männer. Kurze Zeit später stieß zu unserer Runde, die aus sechs Männern und mir bestand, ein weiterer Mann hinzu. Er gab jedem die Hand oder einen Klopfer auf die Schulter, ging wohl davon aus, dass man ihn kennt. Ich war die einzige Person, der er nicht die Hand gab. Ich spürte, wie die Wut in mir aufstieg. Ich fühlte mich unsichtbar. Unsicher. Es war mir unangenehm, obwohl es ja eigentlich andersherum hätte sein müssen. Statt nichts zu sagen, entschied ich mich, ihn vor der versammelten Runde zu fragen, wieso ich offensichtlich die einzige in der Runde war, die er nicht begrüßt hatte. Stille. Die Stille fühlte sich für mich ewig an.
Keiner der anderen Männer pflichtete mir bei. Die Person, ein namhafter Investor, kam ins Stottern. Dann fing er sich und sagte: „Du hast Recht.“ Er konnte glaubhaft selbst nicht fassen, was er da gemacht hatte, und ging mit mir in die Analyse. Auch er sei unsicher gewesen, es war ihm sichtlich unangenehm, natürlich nehme ich ihm das nur halb ab. Aber er spürte an dem Abend, dass er sich selbst ein Bein gestellt hatte.
Solche oder so ähnliche Momente gibt es oft, wenn man sich aktiv vornimmt zu netzwerken. Auf einem Event spricht man eine Person an, mit der man in den Austausch gehen will, und wird abgebügelt. Oder man steht von Anfang an blöd rum, weiß nicht, wie man in den Austausch gehen soll, und der letzte Ausweg ist der Blick aufs Handy. Oder: Wie oft habe ich schon aufwendige Mails geschrieben und dann nie eine Rückmeldung bekommen? Alles schon passiert. Und doch lohnt es sich natürlich. Ohne mein und unser Netzwerk wäre vieles nicht möglich gewesen. Angefangen bei der Investor*innensuche, über erste Kund*innen und auch bei der Frage, wie wir Leser*innen erreichen.
Ich bin fest überzeugt, dass wir den Klang des Netzwerkens ändern müssen, unsere Haltung dazu. Und zwar so:
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Wann will ich netzwerken, wann nicht
Ich gehe inzwischen nur noch zu den Events, die mich wirklich interessieren. Inhaltlich, oder weil Menschen da sind, die ich sehen will, oder weil Menschen da sind, die ich kennenlernen will. Ich gehe aber nicht mehr hin, weil ich das Gefühl habe, sonst etwas zu verpassen, denn das stimmt eigentlich nie. Früher bin ich auch oft zu Events oder Lunchterminen gegangen, weil ich mich verpflichtet fühlte. Meine Regel seit einigen Jahren: Bin ich nicht in Stimmung, akzeptiere ich das. Und zwinge mich nicht, denn gute Kontakte können meist auch nur mit der richtigen Stimmung entstehen.
Welches Netzwerk ist das richtige für mich?
Es gibt überall schon bestehende Netzwerke, in denen sich Menschen mit den Fragen beschäftigen, die du dir vielleicht auch stellst. Branchennetzwerke, gemischte Netzwerke, Frauennetzwerke. Und alles könnte sinnvoll sein. Hör dich also mal um, was anderen besonders geholfen hat.
Geben und Nehmen und konkret Interesse wecken
Als ich selbst immer mehr Anfragen in meinem Posteingang hatte, für Kaffeetrinken, nur mal schnell über ein Deck schauen oder über jemanden etwas schreiben, wurde mir klar, dass es natürlich allen Leuten so geht, die regelmäßig in der Öffentlichkeit stehen: Sie bekommen unzählige Anfragen, und die meisten davon sind nicht konkret und führen bei mir dazu, dass ich keine Lust habe, in meinem vollen Leben einen Kaffee mit jemandem zu trinken, die*der mir wenig bemüht schreibt und bei dem*der ich nicht einmal weiß, worum es genau geht. Zum Netzwerken gehören Synergien, niemand kann 100 Mentees haben, oder seinen gesamten Tag mit Terminen füllen, von denen sie*er nicht weiß, was dabei rauskommen könnte. Was ist also wichtig?
- Geben, bevor man selbst etwas bekommen hat, aber auch respektieren, wenn das Gegenüber keine Zeit hat. Auf kostenlosen Support gibt es keinen Anspruch.
- Lose Mails mit der Nachfrage um eine Kaffeeverabredung bringen nichts. Worum geht es dir genau? Was kannst du anbieten? Wer bist du? Denke genau darüber nach, was du willst und wieso das auch spannend für dein Gegenüber sein könnte. Schreib aber auch keinen Roman, sondern komme schnell auf den Punkt.
- Sei dankbar für Hilfe. Danke sagen ist das eine, noch schöner ist, sich etwas mehr auszudenken. Wenn jemand echt etwas Großes für dich gemacht hat: vielleicht einen Brief senden, Blumen schicken, oder was auch immer. Die Person wird das nie vergessen.
Netzwerken in Zeiten von Corona
Keine andere Frage erreichte mich im Vorfeld zu dieser Kolumne so oft wie diese: Wie soll das mit dem Netzwerken in Zeiten von Corona funktionieren? Wir alle erinnern uns noch allzu gut an den Lockdown im Frühling, wo sich unser Kontakt zu außerhalb der eigenen vier Wände auf einmal auf Google-Hangouts, Zoom-Calls und wenige Abstandswalks beschränkte. Jetzt kommt der Herbst und niemand weiß, was in den kommenden Monaten passieren wird.
Einfach mal positives Feedback geben. Machen wir viel zu selten, wenn du also über einen klugen Text, einen guten Gedanken oder was auch immer stolperst, sag der Person, dass sie dir positiv aufgefallen ist.
Als Suse und ich kürzlich über dieses Intro sprachen, hatte sie einen spannenden Gedanken: „Vielleicht ist gerade die Coronazeit die Zeit, in der wir wieder mehr in die Nähe und den direkten Austausch gehen können. Also weg von großen Gruppen und Events, hin zum Individuellen.“ Dazu gibt es unzählige Möglichkeiten.
- Vielleicht habt ihr schon lange mit einem Kontakt nicht mehr kommuniziert, würdet aber gerne wieder in den Austausch gehen. Es lohnt sich, einfach mal eine Mail mit einem Update zu senden, zu fragen, wie es der Person geht, etwas aufzugreifen, was du von der Person mitbekommen hast, einen Anknüpfungspunkt zu nennen und vorzuschlagen einen Kaffee auf Distanz zu trinken, einen Herbstspaziergang zu machen oder zu telefonieren. Übrigens: Einfach spontan anrufen ist auch möglich. Habe ich einige Male in den vergangenen Monaten gemacht, und am anderen Ende der Leitung gab es immer Freude.
- Auch in Coronazeiten habe ich einige neue Kontakte geknüpft, die meisten davon habe ich noch nie live gesehen. Ich bin jedoch über einige Gemeinsamkeiten gestolpert, und habe dann einfach geschrieben. Finde ich einfach eine nette Geste.
- Einfach mal positives Feedback geben. Machen wir viel zu selten, wenn du also über einen klugen Text, einen guten Gedanken oder was auch immer stolperst, sag der Person, dass sie dir positiv aufgefallen ist.
Schaffe dir deinen Vertrauenskreis
Der Austausch mit immer wieder unterschiedlichen Personen, ein*e Mentor*in, alles sinnvoll. Ein kleiner Vertrauenskreis, mit dem man regelmäßig immer wieder zusammenkommt, kann jedoch Wunder bewirken. Es gibt in den jeweiligen Branchen natürlich schon fertige Netzwerke, die solche Gruppen anbieten, sollte dich aber nicht davon abhalten, wenn du nicht Teil eines bestehenden Netzwerkes bist, trotzdem so einen Vertrauenskreis aufzubauen.
- Denke darüber nach, mit welchen drei bis zehn Personen du dich gerne regelmäßig in der Gruppe in einem Vertrauenskreis austauschen würdest.
- Überlegt euch, wie regelmäßig und intensiv ihr euch austauschen wollt. Sicher ist es sinnvoll, mindestens einmal pro Quartal, wenn nicht einmal im Monat mehrere Stunden Zeit zu haben, ein- bis zweimal im Jahr vielleicht auch einen ganzen Tag.
- Macht euch einen kleinen Regelkatalog, der die Verpflichtungen deutlich macht. Wie wichtig ist die regelmäßige Teilnahme? Ist jeder*jedem klar, dass Besprochenes in keinem Fall nach außen getragen werden darf? Was ist euch noch wichtig?
- Besprecht, wie ihr miteinander kommuniziert, eure Erfolge feiert und im Zweifel für die anderen da sein könnt, wenn schlechte Zeiten anstehen.
Setze auf Freund*innen und Familie
Ich brauche dazu nicht viel sagen, Freund*innen und Familie zählen weit mehr, als es jeder Businesskontakt könnte. Manchmal werden aus Kontakten natürlich auch Freund*innen. Trotzdem und gerade, weil ich es für mich nicht immer gut gelöst habe: Nehmt euch ausreichend Zeit für Freund*innen und Familie und für euch selbst. Zählt mehr als jedes Event und jeder Zoom-Call.
Es darf um Business gehen
Immer mal wieder habe ich vor allem Frauen eher zögerlich erlebt, wenn es darum ging, Business zu machen. Wir sollten aktiv Business machen. Gerade Frauen fällt das untereinander oft schwerer. Aber dafür ist ein Netzwerk da. Zum Netzwerken gehört es zu sagen: „Das biete ich, wir passen zusammen, lasst uns ein Geschäft draus machen.”
Wir freuen uns immer über Input von euch zu unserer Kolumne oder zu Achterbahn, unserem Podcast. Kommentiert. Schreibt uns an plus@editionf.com. Und lasst uns an euren Geschichten teilhaben.
Ich und meine Crew. Wie du dir ein starkes Netzwerk aufbaust.
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