Foto: Xavier Busch

Isabell de Hillerin: „Mode mit Geschichte“

Aufwendige Handarbeitstechniken treffen bei Isabell de Hillerins Label auf feminine Eleganz. Ein Gespräch über Traditionen und High-End-Fashion.

 

Um als Jungdesignerin auf sich aufmerksam zu machen, ist eine eigene Handschrift unerlässlich. Isabell de Hillerin hat diese längst gefunden, und zwar in der Heimat ihrer Eltern. Nach ihrem Modestudium in Barcelona reiste sie nach Rumänien und suchte dort nach Weberinnen und Stickerinnen, um mit diesen zusammenzuarbeiten. Ihr Idee: Das jahrhundertealte Handwerk zu bewahren und die traditionelle Handarbeit mit innovativem Design zu verknüpfen. Folkloristisch muten die Kollektionen, die sich auf diese Weise ergeben, jedoch keineswegs an, vielmehr setzt Hillerin auf feminin-minimalistischen Chic. Heute Nachmittag zeigt sie ihre neuesten Entwürfe auf der Fashion Week in Berlin. Wie sie ihr Label gründete, entwickelte und wo sie damit noch hin will, erzählt sie EDITION F.

Du bist jetzt seit Januar 2013 bei der Berliner Fashion Week dabei, ist das schon Routine für dich?

„Klar, Routine ist mit dabei. Wenn man es ein paar Mal schon gemacht hat, ein Team hat, auf das man sich verlassen kann und weiß, was funktioniert, dann ist man beruhigter und kann das Ganze mehr genießen. Die Aufregung kommt dann aber ganz kurz vor der Show. Das kann man nicht abstellen und ist auch gut so. Wenn die nicht da wäre, wäre irgendwas falsch.“

Was wirst du zeigen? Welche Ideen hast du für den Sommer 2015?

„Es sind sehr viele frische Farben dabei, was für mein Label ein bisschen ungewöhnlich ist. Ich habe eine sehr farbenfrohe Kollektion entworfen, zumindest für meine Verhältnisse. Es wird ein knalliges Blau geben, ein Königsblau und viele Rosatöne. Alles wird sehr sommerlich, sehr frisch werden und feminin.“

Hattest du eine spezielle Inspiration für die Kollektion?

„Ich fange meistens nicht mit einer konkreten Idee an, sondern das hängt von den Stoffen ab, von den Designs. Alles fließt mit ein und definiert im Endeffekt die Idee oder die Inspiration. Die Kollektion heißt „Beyond“ und es geht um die Vielfalt der Dinge. Darum, dass man im Alltag viele Dinge an einem vorbeihuschen, die man gar nicht mehr wahrnimmt. Diesen verborgenen, versteckten Dingen, die man sonst herausfiltert, will ich wieder Aufmerksamkeit schenken.“

Das klingt nach aufwendigen Details, die man von deinen Kollektionen schon kennt …

„Genau. Ich arbeite wieder mit Frauen in Moldawien zusammen. In jeder Kollektion verwende ich Teile mit traditionellen Mustern oder traditionellen Techniken. In der neuen Kollektion gibt es auch wieder Stickereien von dort.“

Diese Handarbeitselemente sind so etwas wie das Markenzeichen deines Labels. Wie kamst du darauf, damit zu arbeiten?

„Das ist auch eine persönliche Geschichte. Ein großer Teil meiner Familie kommt aus Rumänien. Ich bin da selbst nicht aufgewachsen, aber ich habe in meiner Kindheit bei Besuchen immer mitbekommen, dass es dort diese wahnsinnig schönen folkloristischen Stoffe gibt. Bei meiner Abschlusskollektion in Barcelona wollte ich diese Stoffe einbringen und verwenden. Ich bin nach Bukarest zu meiner Familie gefahren und habe angefangen zu suchen. Ich dachte, das würde gar kein Problem werden. Es hat sich dann aber als sehr schwierig herausgestellt, weil dieses Handwerk kaum noch ausgeübt wird. Das ist sehr schade. So fing das alles an. Ich habe angefangen zu recherchieren und gesehen, dass dieses Handwerk komplett zurückgeht. Junge Leute haben kein Interesse mehr, es zu lernen. Es wird nicht mehr wertgeschätzt, weil es aus der Schnelllebigkeit der Mode herausfällt: Es dauert viel zu lange um diese Stickereien oder diese handgewebten Stoffe anzufertigen. Viele kleine Handwerksbetriebe machen nacheinander zu. Das wollte ich verhindern und habe mir überlegt, was ich machen kann, damit es nicht zu altbacken wirkt. Seitdem habe ich angefangen in Rumänien und in Moldawien diese verschiedenen Techniken in neues Licht zu bringen, sie nicht bunt und folkloristisch zu übernehmen, sondern neu zu übersetzen, ein bisschen minimaler, Ton in Ton, modern, als Detail.“

Kann man dein Label in diesem Sinne als ein soziales Unternehmen bezeichnen?

„Das ist sicher ein Aspekt. Über die Jahre unterstützt man einige Familien und es kann natürlich alles viel größer wachsen. Tatsächlich ist es so: Dieses Handwerk beherrschen sehr viele und es wäre großartig, wenn man in diesen verschiedenen Dörfern in Moldawien ein Netzwerk aufbauen könnte, um das richtig zu fördern. Das Handwerk geht nicht verloren und die Frauen bekommen Arbeit. Das sind alles Aspekte, die mir sehr wichtig sind, auch die Produktion in Deutschland, dass die Materialien, die ich verwende in Europa hergestellt werden oder unter guten Konditionen. Ich würde es nicht als Aushängeschild benutzen, dass ich ein grünes Label bin, aber es gibt viele Dinge, die mir wichtig sind und auf die ich achte.“

Apropos grünes Label. Inwieweit ist dein Label unter ökologischen Gesichtspunkten nachhaltig?

„Bei mir ist es nicht zu 100 Prozent. Ich verwende nicht nur Biobaumwolle oder -Seide, sondern es ist eine Mischung. Ich gucke, was für mich machbar ist und was auch in mein Konzept passt. Es soll ja immer noch ein Highend-Fashion-Label sein. Es kommt darauf an, wie man ein Unternehmen ausrichtet. Will man den Fokus darauf legen, dass man nachhaltig arbeitet oder macht man eher elegante Mode, die dann einen Mehrgewinn dadurch hat, dass sie handgemacht ist und in Deutschland produziert wurde. Ich glaube, jeder Schritt in die Richtung ist gut.“

Wie wichtig ist die Fashion Week für dein Label?

„Das kommt darauf an. Ich präsentiere meine Kollektionen immer in Berlin und Paris. Diese Kombination ist mir sehr wichtig. Ich bin ein Berliner Label, deswegen ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, meine Kollektion auch in Berlin zu zeigen, auf einer Messe, im Showroom oder in einer Show. Das ist eine Imagesache. Ich glaube, ganze viele Leute aus der Modebranche schauen schon sehr genau auf Berlin und welche Trends dort zu entdecken sind. Paris ist immer die letzte Modemesse der Saison. Da ist wirklich das richtige Modebusiness. Alle internationalen Einkäufer kommen, die internationale Presse und es werden größere Bestellungen gemacht. Für mich würde Berlin ohne Paris nicht funktionieren. Berlin ist eine der ersten Modemessen und Fashion Weeks und es ist klar, dass sich viele Einkäufer erst mal alles angucken wollen, was angeboten wird in den verschiedenen Modestädten und dann erst für den Laden bestellen.“

Heißt das, nach Berlin kommen gar nicht so viele Einkäufer?

„Es kommen schon Einkäufer, aber die warten immer erst ab bis Paris, bis sie alles andere gesehen haben und dann kommen die Bestellungen. Erst nach Paris, Ende September werden Nägel mit Köpfen gemacht. Die Einkäufer suchen sich über die ganzen Modemessen hinweg die Labels und Kollektionen aus, die ihnen gefallen, machen sich ein Bild von den Trends und dann wird erst bestellt. Natürlich gibt es Ausnahmen, Shops, die direkt in Berlin etwas bestellen, aber generell ist es für mich in Paris effektiver. Berlin ist hingegen wichtig für das Image, für die Presse, um nach Außen Präsenz zu zeigen.“

Du zeigst deine Kollektionen in Berlin seit ein paar Jahren auf der Stage, der kleineren Bühne im Zelt. Warum hat sich das für dich bewährt?

„Die letzten zwei Mal hatte eine Kombination aus einer kleinen Show, die dann in eine Installation übergeht. Das finde ich schön, weil die Stage eine super Plattform bietet für Leute, die sich die Sachen in Ruhe anschauen wollen. Das kann man mit dieser Präsentation sehr gut machen. Bei einer normalen Show ist nach zehn Minuten alles vorbei und man sieht alles nur ganz kurz. Wenn es nur eine Präsentation ohne Laufsteg wäre, fände ich es schade, weil es bei einem schönen Sommerseidenkleid auch schön ist, es in Bewegung zu sehen. Ich will das erst mal dabei belassen. Größer denken kann man immer. Momentan bin ich aber eigentlich sehr glücklich damit.“

Der Runway ist ja auch um einiges teurer als die Stage…

„Klar. Es ist einerseits teurer und man muss auch viel mehr Outfits präsentieren. Das sind Kosten. Ich bin sehr glücklich, weil ich tolle Sponsoren habe, wie seit ein paar Jahren Lebensbaum. Die sponsern die Show.“

Als Modedesignerin mit eigenem Label bist du auch Unternehmerin. Wie gehst du damit um?

„Ich bin Designerin, mein Gebiet sind Schnitte, Stoffe, Kollektionen, Designs. Klar, bin ich auch Geschäftsführerin und Unternehmerin. Da muss man erst mal lernen. Viele Leute haben das im Blut. Ich musste da erst mal hineinwachsen. Es gehört viel mehr zu einem Modelabel dazu, als nur zu designen: die ganze Organisation, Strukturen planen, Kooperationen machen und so weiter. Das alles muss man irgendwie gestemmt bekommen.“

Hast du das in deinem Studium gelernt?

„Das, was man im Studium lernt, ist eine Basis. Man schneidet ganz oberflächlich ein paar Themen an. Tatsächlich war es bei mir Learning by Doing. In jeder Saison musste ich meine Erfahrungen sammeln und gucken, was funktioniert und was nicht.“

Du hast vor einem Jahr eine Crowdfunding-Kampagne für deine Präsentation auf der Stage gestartet, wie war das?

„Ich fand es spannend, das einmal auszuprobieren. Es gibt so viele Leute, die sehr modeinteressiert sind, aber nichts konkret damit zu tun haben. Beim Crowdfunding gibt man die Möglichkeit, etwas zu spenden und dafür darf man dann Backstage zur Show, das Atelier besuchen oder was auch immer. Das Feedback war tatsächlich sehr gut, leider hatten wir es ein wenig zu kurzfristig geplant. Normalerweise macht man das über ein paar Monate, bei uns waren es nur ein paar Wochen. Im Ausland wird Crowdfunding eher im Modebereich genutzt als in Deutschland. Ich finde es gut, dass wir es gemacht haben und es war dann ja auch tatsächlich eine finanzielle Unterstützung. Ob ich das aber noch mal angehen würde, weiß ich nicht. Es gab viel positive, aber auch negative Kritik.“

Du hast sehr schnell nach deinem Abschluss dein Label gegründet. Was kam es zu dieser Entscheidung?

„Ich habe sie gar nicht wirklich bewusst so gefällt. Um ehrlich zu sein, bin ich da ein bisschen hineingerutscht. Ich glaube, das geht sehr vielen so. Nach dem Abschluss in Barcelona bin ich nach Berlin gekommen, hatte dann die Möglichkeit, meine Abschlusskollektion auf einer grünen Modemesse zu präsentieren. Dann gab es ein wenig Presse und auch einige Leute, die angefragt haben, wo man die Sachen kaufen kann. Ich war ganz naiv und habe gedacht: Super, wenn die Leute so gut auf die Sachen reagieren, dann mache ich doch einfach weiter. Mir war aber nicht klar, worauf ich mich da einlasse. Hätte ich zu dem Zeitpunkt gewusst, was es heißt, ein eigenes Modelabel zu haben,  hätte ich es vielleicht nie gemacht. Von daher bin ich ganz froh, da einfach naiv herangegangen zu sein. Man hätte es natürlich besser planen können, ich hätte mir von Anfang an ein größeres Team zur Seite stellen können, Businesspläne schreiben können. Das war alles nicht der Fall. So ist es ganz langsam, Schritt für Schritt, aber auch natürlich gewachsen.“

Was glaubst du, warum konntest du dich als Designerin zu behaupten?

„In meinem Fall hat es tatsächlich eine gute Rolle gespielt, dass es nicht nur Mode ist, sondern auch eine Geschichte dahintersteckt, die Zusammenarbeit mit Moldawien und Rumänien. Das war in meinem Fall ein Punkt, der alles sehr weit gebracht hat und der dem Ganzen noch mal einen anderen Wert gegeben hat. Aber sonst, was gehört dazu? Man braucht ein gutes Team, Leute, auf die man sich verlassen kann, denen man Arbeitsbereiche abgeben kann.“

Wie lange dauert es denn, bis man als Modedesignerin von der Mode leben kann?

„Ich glaube, das ist bei jedem ein bisschen unterschiedlich. Generell sagt man fünf bis sechs Jahre. Dann fängt es an, sich finanziell zu rechnen. Das kann viel schneller gehen, es kann aber auch länger dauern. Jedes Unternehmen muss sich erst mal etablieren, einen Namen bekommen, bei Kunden Vertrauen erwecken, damit sie jede Saison bei einem einkaufen und zufrieden sind mit der Qualität. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Man muss sich viel Geduld mitbringen.“

Wie war oder ist das bei dir?

„Sagen wir es einmal so: Das Unternehmen wächst stetig, was super ist. Klar, ist es so, dass man mehr Ausgaben hat, sobald etwas wächst. Damit sich das wieder deckt, muss man noch mehr Gewinn machen. Wenn man ein Unternehmen aufbaut, ohne große Investoren hinter sich zu haben, ist es natürlich schwieriger. Hätte man die, wäre es eine andere Nummer. So muss man länger durchhalten. Es rechnet sich auf jeden Fall mittlerweile ganz gut. Man sieht die schwarzen Zahlen und dann weiß man, man ist auf dem richtigen Weg. Man braucht viel Geduld und einen langen Atem.“

Welche Ziele hast du für dein Label?

„Es gibt natürlich total viele Pläne: einerseits sich anders aufzustellen, ein größeres Team, um viele Sachen abgeben zu können und auch größer zu denken. Für mich wäre es zum Beispiel spannend, die Accessoire-Linie stärker aufzubauen. Irgendwann hätte ich auch mal Lust auf Männermode. Das sind aber alles so Spinnereien. Der größte Wunsch ist es, zu wachsen und es gibt verschiedenste Richtungen, in die man dabei gehen kann. Da bin ich schon dabei. Ich bin selbst gespannt, was in ein paar Jahren alles anders sein wird.“

Wie machst du das? Immer noch intuitiv oder gehst du strategisch vor?

„Mittlerweile muss ich das zum Glück nicht selbst machen, sondern habe jemanden im Sales- und Marketingbereich. Da setzen wir uns immer wieder zusammen und machen Pläne für die Zukunft.“

Wie ist dein Verhältnis zu anderen Designern aus Berlin? Sieht man sich als Konkurrenz oder ist es eher kollegial?

„Ich finde es total entspannt. Klar, gibt es Designer, mit denen man nicht so viel zu tun hat, aber bei den meisten ist es wirklich ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Man tauscht sich aus und überlegt gemeinsam. Das ist sehr angenehm. Ich denke, das ist in vielen Städten überhaupt nicht der Fall. Dort ist dieses ganze Konkurrenzverhalten meistens sehr stark ausgeprägt. In Berlin unterstützt man sich gegenseitig und arbeitet zusammen daran, die Berliner Fashion Week und Berliner Modeszene voranzubringen.“

Bild: Mercedes Benz Fashion Week Berlin Januar 2014

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