„Entschuldige bitte, …“ Ist dieser Satzbeginn etwas, das gerade wir Frauen deutlich zu oft sagen? Lena Dunham sagt Ja und hat einen spannenden Text dazu veröffentlicht, warum wir uns endlich von diesem Impuls befreien sollten.
„Sorry, not sorry“: Von dem Gefühl, sich ständig entschuldigen zu müssen
Sich für Dinge entschuldigen, für die man eigentlich gar nicht verantwortlich ist? Klingt schwachsinnig – macht man aber häufiger als man denkt. Auch mir fallen gefühlt tausend Situationen ein, in denen ich mich reflexhaft entschuldige, ohne dass das wirklich gefragt wäre. Ich habe jemanden sich unwohl fühlen lassen, weil ich ehrlich war? Oh, entschuldige bitte! Jemand rempelt mich an, weil er in die eine Richtung geschaut und in die andere gelaufen ist – und da stand nun mal ich. Entschuldige bitte! Ich habe keine 20 Cent-Münze und in der Bäckerei muss man mir etwas komplizierter rausgeben? Oh, entschuldige bitte! All das passiert quasi täglich. Wenn ich es mir recht überlege, scheine ich ein Entschuldigungsmonster zu sein. Ein fragwürdiger Titel. Aber ist das wirklich schlimm? Und ist das etwas, das besonders wir Frauen machen?
Lena Dunham sieht das zumindest so und hat zu dem Impuls einen sehr spannenden Text mit ihren persönlichen Erfahrungen veröffentlicht. In diesem beschreibt sie, wie sie schon in der Grundschule anfing sich für andere Kinder zu entschuldigen, die eigentlich ihr wehgetan hatten, weil sie die unangenehme Situation auflösen wollte. Heute, so Dunham, macht sie das immer noch – ganz besonders, seitdem sie Chefin ist und damit klarkommen muss, dass ihre Entscheidungen nicht allen gefallen. Und noch viel mehr: auch mal falsch sein können, ohne dass das gleich ein Desaster ist.
„It’s hard for many of us to own our power, but as a 24-year-old woman (girl, gal, whatever I was) I felt an acute and dangerous mix of total confidence and the worst imposter syndrome imaginable. I had men more than twice my age for whom I was the final word on the set of “Girls,” and I had to express my needs and desires clearly to a slew of lawyers, agents and writers. And while my commitment to my work overrode almost any performance anxiety I had, it didn’t override my hardwired instinct to apologize. If I changed my mind, if someone disagreed with me, even if someone else misheard me or made a mistake… I was so, so sorry. “If you say sorry again, I’m going to lovingly murder you,” Jenni texted during a meeting. “I’m sorry,” I texted back.“
Was wäre, wenn du dich einfach mal nicht mehr entschuldigen würdest?
Irgendwann, so schreibt sie, wurde es ihrem Vater, bei dem sie ihren Entschuldigungsreflex ebenfalls auslebte, zu bunt. Er stellte ihr eine Aufgabe: „Was wäre, wenn du dich einfach mal eine Woche nicht entschuldigen würdest?“ Dunham leuchtete die Idee ein, aber wie sollte sie die gewohnte Handlung ersetzen? Nun, sie begann statt mit leeren Entschuldigungen um sich zu schmeißen, einfach ihre Bedürfnisse klar zu formulieren – ohne sie mit einem „Sorry“ gleich wieder zu relativieren. Und, was soll man sagen, das zahlte sich sofort aus: Ihre Mitarbeiter wussten nun genau, was sie von ihnen erwartete, die Kommunikation wurde offener und sie selbst fühlte sich auch nicht mehr so unwohl. Aber auch im Privatleben hat ihr das Experiment ganz deutlich vor Augen geführt, dass Entschuldigungen an der falschen Stelle alles eher komplizierter machen, als dass sie eine Lösung sind.
„Think about it: if your friend is apologizing to you all day for a slight that you didn’t even register, then you start to wonder what she did! You start to wonder what you did! Everyone is confused! Let’s just trust that when our friends have something they need an apology for, they’ll be honest and clear, and when we really need to offer one, we’ll know it.“
Sind Entschuldigungen jetzt also per se schlecht? Natürlich nicht. Doch es lohnt sich, die Beweggründe für seine Entschuldigungen mal genauer anzuschauen, wenn sie einem zu oft über die Lippen kommen. Denn meist handelt es sich hier um Ängste: Etwa nicht gemocht zu werden, zu hart zu sein oder jemanden vor den Kopf zu stoßen. Ist das denn immer schlimm? Nein, ist es nicht! Man muss nicht in jeder Situation Everybody’s Darling sein und wir sind auch nicht per se für das Wohlgefühl unserer Mitmenschen verantwortlich. Und wir sind auch nicht dafür zuständig, unangenehme Situationen in Wohlgefallen aufzulösen, indem wir uns als Sündenbock zur Verfügung stellen: „Entschuldige bitte, das lag sicher an mir …“
Am Ende geht hierbei nämlich nicht um eine objektive Reflexion, sondern um unsere Unsicherheiten. Schauen wir auf uns und unser Handeln, dann heißt es nämlich viel zu oft: Im Zweifel gegen die Angeklagte. Und das ist beileibe kein netter Wesenszug, das ist Selbstsabotage.
Natürlich gilt es sich zu entschuldigen, wo es angebracht ist. Aber niemand von uns, egal welches Geschlecht, sollte sich selbst dauernd in Frage stellen. Und für alle, denen das auch nach diesem Text noch schwer fällt, hier ein heißer Tipp von Dunhams Vater: „Get it the fuck together!“
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