Foto: Irene Osei-Poku

Lucy Larbi: „AiDiA gibt der Schwarzen Gründungsszene eine Bühne, die es in diesem Umfang noch nie gegeben hat“

Lucy Larbi ist Initiatorin und Co-Gründerin des AiDiA-Pitch-Events, das am 7. September unter dem Motto „From Startups to Shooting-Stars: Afronauts Launching Visions, Landing Success“ in Hamburg in die dritte Runde geht.

Das AiDiA-Pitch-Event ist das größte Business- und Kulturevent in Deutschland, das gezielt Schwarze Unternehmer*innen in den Fokus rückt. „Mit AiDiA verfolgen wir das Ziel, Schwarze Unternehmer*innen zu vernetzen und zu stärken. Wir bieten ihnen Ressourcen und Unterstützung, ihre innovativen Ideen zum Leben zu erwecken und zu skalieren. Der AiDiA Pitch ist der erste Wettbewerb, der die Ideen oder ,AiDiAs’ Schwarzer Gründer*innen in den Mittelpunkt stellt“, erzählt uns Lucy Larbi, Initiatorin und Co-Gründerin des Events, im Gespräch.

Schon in der AiDiA-Vorwoche zieht dieses Ereignis rund 1000 internationale Besucher*innen an, es besteht die Chance auf Preisgelder in Höhe von 53.000 Euro und wertvolle ideelle Preise. Die Besonderheit: Mindestens ein Gründungsmitglied muss einen Afrodeutschen Hintergrund haben.

Obwohl Lucy aktuell ziemlich viel zu tun hat, hat sie sich kurz vor dem großen Tag noch Zeit genommen für die Beantwortung unserer Fragen.

Liebe Lucy, erzähle uns bitte von deiner eigenen beruflichen Reise und wie diese dann auch zur Gründung des AiDiA-Pitch-Events geführt hat?

„Ich bin studierte Staatswissenschaftlerin und habe meine berufliche Laufbahn bei der GIZ und UNO begonnen. Hier habe ich im Bildungssektor in Äthiopien, Algerien und Ghana gearbeitet. Nach kurzer Zeit empfand ich meine Arbeit als unwirksam, ich wechselte in die Unternehmensberatung. Meine Tätigkeit in der internationalen Zusammenarbeit hat aber das Fundament für meine heutige Arbeit gelegt.

Ich habe mir immer die Frage gestellt, was wirklich passieren muss, damit afrikanische Länder unabhängig werden. Daran angelehnt, gründete ich 2015 den Verein BOLDY.eV mit dem Ziel, Schwarze Menschen dort sichtbar zu machen, wo sie nicht sichtbar sind. Gemeinsam mit meinen Gründungskolleg*innen Philip Harms & Elina Fechtner haben wir einen wichtigen Player für die Weiterentwicklung Schwarzer Menschen geschaffen.

„Um versteckten Talenten eine Bühne zu geben und sie mit wichtigen Ressourcen wie Finanzierung, Wissen und Netzwerk auszustatten, wurde AiDiA geboren.“

2017 haben Daniel Tiemor, Louisa Liebschwager und ich monatliche Business Afterwork Events für Afrodeutsche Angestellte und Unternehmer*innen angeboten. Schnell wurde klar, die Community ist voller innovativer Ideen und unternehmerischem Tatendrang. Um diesen versteckten Talenten eine Bühne zu geben und sie mit wichtigen Ressourcen wie Finanzierung, Wissen und Netzwerk auszustatten, wurde AiDiA geboren – also ein Startup Pitch Event, das zeigt, wie die deutsche Innovationskraft mit den Ideen der Afrodiaspora vorangetrieben wird.

Zeitgleich habe ich 2017 meine Karriere in der Unternehmensberatung begonnen. Hier habe ich sieben Jahre in meiner Tätigkeit als agile Beraterin zahlreiche Change-Prozesse für mittelständische und deutsche Großunternehmen begleitet und Organisationen zukunftsfähig gemacht. In dieser Zeit habe ich das Werkzeug erlernt, Systeme zu verändern und sie nachhaltig zu transformieren.

Das Wissen meiner verschiedenen Berufe habe ich nun in AiDiA kombiniert und möchte gemeinsam mit meinem Team für eine Transformation im Gründer*innentum sorgen – und zwar so, dass versteckte Talente die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichern.“

Was unterscheidet das AiDiA-Pitch-Event von anderen Gründer*innen- oder Start-up-Events in Deutschland?

„Während viele Gründer*innen-Events stark auf den Business-Aspekt fokussiert sind, verbindet AiDiA Business und Culture. Wir schaffen eine einzigartige Atmosphäre, in der es neben innovativen Geschäftsideen auch jede Menge gute Vibes gibt: Musik, Entertainment und Food.
Das sorgt dafür, dass unser Publikum neue Impulse mitnimmt, die weit über den wirtschaftlichen Austausch hinausgehen.

Bei AiDiA steht außerdem die Förderung Schwarzer und Afrodeutscher Unternehmer*innen im Zentrum. Mindestens ein Mitglied des Gründungsteams muss Afrodeutsch oder Schwarz sein. Wir bieten diesen Gründer*innen nicht nur eine Plattform für ihre Ideen, sondern auch Sichtbarkeit und Vernetzung in einer Szene, in der sie oft unterrepräsentiert sind. AiDiA gibt der Schwarzen Gründungsszene in Deutschland eine Bühne, die es in diesem Umfang noch nie gegeben hat.

„Die Kombination aus finanzieller und ideeller Förderung ermöglicht es den Startups, ihre Ideen zu verwirklichen und nachhaltig zu wachsen.“

Mit einem ausgeschütteten Preisgeld von 53.000 Euro gehört AiDiA zu den Events mit den höchsten finanziellen Auszeichnungen in Deutschland. Darüber hinaus bieten wir ideelle Preise im Wert von 150.000 Euro, die den Gründer*innen auf ihrem weiteren Weg immense Unterstützung bieten. Diese Kombination aus finanzieller und ideeller Förderung ermöglicht es den Startups, ihre Ideen zu verwirklichen und nachhaltig zu wachsen.

AiDiA ist mehr als ein typisches Start-up-Event – es ist ein ganzheitliches Erlebnis. Von der wohlwollenden Atmosphäre über die inspirierenden Gespräche bis hin zu kulturellen Highlights wie einer Afroband, afrofusion Küche und Unterhaltung. Dieses Event inspiriert nicht nur die Gründer*innen, sondern auch Investor*innen und Besucher*innen, die Teil dieser besonderen Community sind.“

Welche Art von Startups oder Ideen haben dich bei euren bisherigen Events ganz besonders beeindruckt?

„Wir haben den Pitch in zwei Kategorien (,Ideenwettbewerb und Gründerwettbewerb’) eingeteilt, die die unterschiedlichen Phasen von Gründungen im Frühstadium abdecken.

Besonders beeindruckend war für mich das Gewinnerinnenteam von 2022, Ohemaa Green Housing. Sie haben eine innovative Lösung entwickelt, um Plastikmüll in Baumaterialien umzuwandeln und so bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Mit dem Hauptpreis von 30.000 Euro in der Kategorie ,Gründerpitch’ konnten sie ihren ersten Prototypen in Ghana bauen und den Vorverkauf der ersten Einheiten starten.“

Wie wählt ihr die Startups aus, die bei eurem Event pitchen dürfen?

„Es bewerben sich jährlich rund 60 Startups bei AiDiA. Diese werden von unserem Pitchkoordinator Daniel Tiemor und seinem Team gesichtet und es wird eine Shortlist erstellt. Diese Shortlist wird dem AiDiA Advisoryboard vorgestellt, das daraus acht Finalist*innen für den Pitch wählt.

„Wir verfolgen auch in unserem Prozess das Ziel, Chancenungleichheit zu minimieren.“

Aber: Wir verfolgen auch in unserem Prozess das Ziel, Chancenungleichheit zu minimieren. Wir haben pro Kategorie ein Golden-Ticket-Verfahren, bei dem ein Startup-Team per Community-Voting ins Finale gestimmt werden kann. So können auch solche Startups die Chance erhalten zu pitchen, deren Bewerbungsunterlagen auf den ersten Blick noch Verbesserungspotential aufzeigte. Denn am Ende sind es nur Daten und wir schließen nicht aus, dass sich ein Startup innerhalb der Vorbereitungszeit massiv weiterentwickeln kann.“

Welche Herausforderungen siehst du aktuell in der Start-up-Welt, und was kann getan werden, um diese Hürden abzubauen?

„2016 wurde Deutschland noch zum besten Land für Gründungen gewählt. Diese Zeiten sind aber längst vorbei und Deutschland tut sich schwer, die Innovationskraft aufrechtzuerhalten. Die Zahl der Startup-Neugründungen ist ein wichtiger Gradmesser für die Stimmung im Innovationsökosystem und diese ist seit 2021 um 21 Prozent gesunken.

Dieser Negativtrend der Gründungen in Deutschland ist eine ernsthafte Gefahr für die deutsche Wirtschaft. Denn hier geht großes unternehmerisches und wirtschaftliches Potenzial verloren.

„Wir bieten mit AiDiA eine Plattform, die ganz schnell zum Sprungbrett werden kann.“

Herausforderungen sind neben dem demografischen Wandel und dem verlorenen Mut, innovative Ideen auszuprobieren, sicher auch die vielen schweren bürokratischen Prozesse, die die Menschen in Deutschland daran hindern, niedrigschwellig ein Unternehmen aufzubauen. Zudem ist der Markt derzeit sehr schwer einschätzbar. Die Rahmenbedingungen, geprägt durch die politische Stimmung, steigende Kosten und Mangel an Personal, machen das Gründen nicht einfacher.

Abbauen kann man diese Hürden, indem man es belohnt, risikofreudig zu sein und Anreize schafft, die Innovationsfreudigkeit zu fördern. Und genau das tun wir mit AiDiA. Wir bieten eine Plattform, die ganz schnell zum Sprungbrett werden kann. Hier gibt es Finanzierung, Wissen und ein Netzwerk für die, die unterrepräsentiert sind und den Mut haben, etwas zu bewegen.“

Welche Rolle spielen Vielfalt und Inklusion in der deutschen Start-up-Szene und was muss sich deiner Meinung nach ändern?

„Diversität ist keine Option mehr. Vielfalt und Inklusion spielen in der deutschen Startup-Szene eine zunehmend wichtigere Rolle, sind aber noch längst nicht so stark verankert, wie sie sein sollten.

Über 25 Prozent der deutschen Arbeitsbevölkerung haben einen Migrationshintergrund, 25 Prozent der Selbstständigen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund, und über 20 Prozent der Startup Gründer*innen haben einen Migrationshintergrund (Quelle: Migrant Founder Monitor 2021).

Laut dem „Global Entrepreneurship Monitor“ (GEM), den das RKW Kompetenzzentrum zusammen mit der Leibniz Universität Hannover herausgibt, zeigt ein deutschlandweiter Trend, dass etwa jeder fünfte Mensch mit Migrationsgeschichte in den letzten drei Jahren ein eigenes Unternehmen gegründet oder Schritte dorthin unternommen hat.

„Die ,nothing to loose’ mentality ist wahrscheinlich ein großer Antrieb für viele migrantische Gründer*innen.“

In meiner Beobachtung sind Migrant Founder mutiger, wenn es ums Gründen geht, weil sie in vielen Fällen bereits in ihrem Leben außergewöhnliche Hürden überwinden mussten, die ihnen Resilienz, Anpassungsfähigkeit und Entschlossenheit verliehen haben. Diese Superkraft erzeugt eine Bereitschaft, Risiken einzugehen, neue Wege zu beschreiten und Herausforderungen zu meistern, die andere möglicherweise abschrecken würden.

Zudem und leider haben sie auch oft keine andere Wahl, um wirtschaftlich erfolgreich zu werden oder Anerkennung für ihre Fähigkeiten zu erhalten. Die ,nothing to loose’ mentality ist wahrscheinlich ein großer Antrieb für viele migrantische Gründer*innen.

Es kann gut sein, dass in einigen Jahren die Innovationskraft Deutschlands auf den Schultern von jenen getragen wird, die sich trauen. Und das sind zunehmend Menschen mit Migrationshintergrund.

Leider stehen ihnen aber noch immer zu viele unsichtbare Barrieren im Weg. Ich glaube fest daran, dass wir diese Zielgruppe explizit fördern sollten, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern.“

Wie siehst du die Zukunft des AiDiA-Pitch-Events? Habt ihr Pläne, das Event zu erweitern, zum Beispiel auch in anderen Städten zu etablieren?

„Ja, AiDiA wird sich in den nächsten Jahren zum bedeutendsten Business&Culture Event Europas entwickeln und der Hubspot für Entrepreneure, Selbstständige und (Young)Professionals werden. AiDiA ist allerdings mehr als das Event. Es ist eine Plattform, die ein Inkubator und Acceleratorprogramm beinhaltet, ein Venture Capital Netzwerk, eine Unternehmensberatung für Unternehmen, die zukunftsfähig werden oder bleiben wollen und eine Communityplattform, die Professionals mit kulturellem Weitblick vernetzt.“

Was inspiriert dich außerhalb deiner Arbeit? Hast du Vorbilder, die deinen Weg geprägt haben?

„Tolle Frage. Außerhalb meiner Arbeit inspirieren mich kleine Details überall. Ich habe zum Beispiel vor vier Jahren das Thaiboxen für mich entdeckt und finde viele Weisheiten in diesem Sport. Die Disziplin, das Mindset – ,its a long run, not a sprint‘ – oder auch das Mindset, das die ,Gewinner*innen‘ da weitermachen, wo die anderen aufhören.

Jetzt im Alter inspiriert mich meine Mutter sehr. Ich frage mich häufig, wie sie als Schwarze Frau, zumal als Putzfrau, die erste Schwarze Busfahrerin in Hamburg wurde. Den Mut und die Resilienz, die sie aufgebracht hat, um für sich und ihre Kinder einen neuen Standard zu setzen, ist sehr inspirierend.

Und: Ich bin ein großer Fan von Pascal Feyh, sein Content hat mir viel beigebracht.“

Was ist das Wichtigste, das du durch die Arbeit mit Start-ups und Gründer*innen gelernt hast?

„Worte haben Macht! Durch das positive Umfeld und die vielen ermutigenden Worte fühlen sich unsere Startups oft gehört und beflügelt. Nach dem AiDiA Pitch kann man bei jedem Startup einen neuen Elan sehen, der sich positiv auf ihren Unternehmer*innengeist auswirkt. Also, das Wichtigste ist, Menschen das aufrichtige Gefühl zu geben, dass an sie und ihre Ideen geglaubt wird.“

„Ein Nein ist nur ein Nein. Mehr nicht! Du kannst daraus ein Ja machen.“

Dein Rat für angehende Gründer*innen?

„Ein Nein ist nur ein Nein. Mehr nicht! Du kannst daraus ein Ja machen.“

Und: Worauf freust du dich mit Blick auf den 7. September ganz besonders?

„Ich freue mich auf die Aftershowparty mit Afrohaus. Da haben wir hoffentlich ein Event mit richtig tollen Erinnerungen für alle geschaffen und können das gemeinsam feiern.“

Mehr über das AiDiA-Pitch Event

Wenn du mehr Infos haben möchtest für das AiDiA-Pitch-Event, findest du sie hier.

Fotos: Irene Osei-Poku

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