Foto: Alexander.kurz – CC BY-SA 3.0

Zehn Jahre Merkel – und unsere zehn Wünsche an sie

Seit zehn Jahren ist Angela Merkel nun im Amt der Bundeskanzlerin. Doch hat sie ihren Einfluss sinnvoll genutzt? Unsere zehn Wünsche an die Bundeskanzlerin.

 

Zehn Wünsche an Merkel

„Mir ist es wichtig, dass alle Menschen in unserem Land für sich und ihre Familien sorgen können.“ „Sicher leben heißt, jeden Tag ohne Angst aus dem Haus zu gehen“. „Kinder sind die Zukunft unseres Landes“. So verkündet Angela Merkel ihre politischen Ansätze auf ihrer Homepage. Unterlegt mit farbenfrohen Bildern von der Kanzlerin bei ihrem Amtseid, bei einem Ausflug ins Grüne, in Jubelfreude bei einem Fußballspiel. Wer hätte gedacht, dass vor allem der Wunsch der Sicherheit unser gegenwärtigstes Problem werden würde? Dass in unserem Nachbarland der Terror den Alltag bestimmt, und uns gar nicht zum Jubeln ist? Dass die Zuwanderung so stark zunimmt, dass Asylsuchende in der Kälte auf ihre Erstregistrierung warten und die „gleichen Chancen für alle“ in weiteste Ferne rückt?

Merkel wahrscheinlich genau so wenig wie wir. Zehn Jahre ist es nun her, seitdem Angela Merkel am 22. November 2005 ihren Eid ablegte und an die Spitze Deutschlands trat. 

Zum ihrem zehnten Jubiläum haben wir für euch zusammengefasst, in welchen Angelegenheiten wir uns wünschten, dass unsere Kanzlerin ihre Hände nicht in die Raute legt, sondern dort anpackt, wo es noch viel zu tun gibt. 

Meinungsstärke, statt nichts sagen und abwarten

Lange Jahre hat Angela Merkel vor allem viel diplomatisches Geschick bewiesen, dafür aber wenig Meinung gezeigt. Oft wusste man nicht, wie ihre Position ist, was sie wirklich denkt. Das hat sich mit der Flüchtlingsthematik geändert. Die Bundeskanzlerin beweist Rückgrat. Auch wenn es in der eigenen Partei oder der Bevölkerung ungemütlich wird, andere Meinungen ausgesprochen werden, steht sie weiter zu ihren Worten. So würden wir sie gerne noch öfter sehen. 

– Nora Wohlert –

Deutlich positionieren

Auch künftig sollte sich Angela Merkel zu Themen so deutlich positionieren, wie sie es (bislang) in der Flüchtlingsdebatte gemacht hat. Abgesehen davon, dass sie den nach gefährlich rechts abdriftenden Mitgliedern der Schwesterpartei CSU in dieser Angelegenheit wesentlich mehr entgegensetzen sollte. Aber das nicht zu tun, hat ja Tradition – man bedenke die Zubilligung der „Ausländermaut“. 

– Silvia Follmann –

Mehr Profil wagen

Meist steht sie auf den großen Bühnen. Sitzt mit den großen, meist
männlichen Mächten dieser Welt an einem Tisch. Und dafür wird sie
gefeiert. Weil sie es geschafft hat, auf Augenhöhe akzeptiert zu
werden. Aber eines vermisst man: die Worte, an denen man sich reiben
kann, die Klarheit ihrer Aussagen, die Position innerhalb der großen
Koalition. Sie ist die Diplomatin – die sich jetzt in der
Flüchtlingskrise zum ersten Mal gezeigt hat und die mit ihrer Aussage „Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt anfangen, uns noch
entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein
freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“-Position
bezieht. Was ich mir wünsche: mehr davon. Starke Gedanken und
Meinungen braucht es, um Diskussionen überhaupt führen zu können, um
neue Antworten zu finden und um Bürgern zu helfen, komplexe Themen für
sich zu verstehen. Mund auf, Frau Merkel, das steht Ihnen gut. 

– Susann Hoffmann –

Startups sind Innovationsmotoren, deshalb sollte man es ihnen leichter machen

Die Politik liebt Startups. Regelmäßig kommen Politikerinnen und Politiker zu Besuch, sprechen ein paar Minuten mit den Gründerinnen und Gründern und machen ein schönes Foto für Facebook. Das reicht aber nicht. Dem Zuhören müssen auch Taten folgen. So wie jetzt, als Angela Merkel endlich das umstrittene Anti-Angel-Gesetz kippte. Wir wünschen uns mehr Gründermut in Deutschland, und da kann die Bundeskanzlerin einiges für tun. In dem sie Werbung macht fürs Gründen, es attraktiv macht in Startups zu investieren und in Institutionen und Ämtern dafür sorgt, dass diese innovative Unternehmen verstehen. 

– Nora Wohlert – 

Mehr Geld für Bildung

Eine gute Ausbildung legt die Basis. Ziel der Bildungspolitik muss es sein, dass alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft die gleichen Chancen haben, entsprechend ihrer Potentiale optimal, individuell gefördert zu werden und die Schule erfolgreich zu beenden. Wir sind fest davon überzeugt, das jeder Euro, den wir mehr in Bildung investieren, am Ende mehrfach zurück kommt. Wir brauchen mehr Kita-Plätze und Ganztagsversorgung, mehr individuelle Förderung von Kindern, Unterstützung von Alleinerziehenden und sozial schwächeren Familien und Weiterbildungsanreize für Lehrer.

– Nora Wohlert –

Ein vielfältiges Kabinett

Im aktuellen Kabinett von Angela Merkel sind fünf weitere Frauen und
zehn Männer – wir finden: da geht noch einiges mehr in Sachen
Gleichberechtigung, schließlich haben wir 2015. Zudem repräsentiert
das Kabinett doch ein Deutschland, das wenig mit der vielfältigen
Gesellschaft zu tun hat, in der wir leben. Keine Minister mit
Migrationsgeschichte? Vielleicht wäre so eine Person geradezu perfekt
für das Innenministerium, um eine bessere Einwanderungspolitik zu
machen.

– Teresa Bücker –

Ein Twitter-Account

Die Kanzlerin hat wirklich Humor – das wissen die, die sie schon mal abseits von Regierungserklärungen und Parteitagsreden erlebt haben. Daher wäre Twitter für sie genau das richtige Medium, um zu kommunizieren: kurz und prägnant und gern mal mit Pointe. Die meisten „World Leader“ sind schon lange bei Twitter und das Thema Digital Diplomacy wird immer wichtiger. In sozialen Medien wirklich präsent zu sein, hilft auch dabei, die jüngeren Menschen zu verstehen – und von den Jungen ist die aktuelle Politik viel zu weit weg, zum Beispiel dann, wenn Kindern in Schulen erklärt werden muss, warum Mitschüler abgeschoben werden.

– Teresa Bücker – 

Mehr Rechte für gleichgeschlechtliche Paare 

Den Familienbegriff sollte Angela Merkel wirklich nochmals überdenken und sich endlich dazu hinreißen lassen, die Ehe nicht mehr nur in „Vater-Mutter-Kind“-Strukturen zu denken, sondern auch gleichgeschlechtlichen Paaren diese Option einräumt. Daran anknüpfend natürlich auch die Adoptionsrechte für gleichgeschlechtliche Paare, die Kinder ein Zuhause bieten können und wollen.

– Silvia Follmann –

Eine klare Haltung gegenüber der CSU

Kurzum: Weniger Horst Seehofer. Merkel braucht eine klare Haltung gegenüber der CSU und ihrer Macht in der Union. Und natürlich muss die Frage erlaubt sein, ob dieser Koalitionspartner als feste Größe überhaupt noch tragbar ist: Denn Grenzzäune in Bayern oder die „Herdprämie“ für die bayrische Familienidylle, bei der die Mutter am besten möglichst lange zu Hause bleiben soll, sind wohl keine Option, um gesellschaftlich voranzukommen.

– Susann Hoffmann – 

Ihrem Prinzip „Wir schaffen das“ treu bleiben 

Als ich zum ersten Mal fast so etwas wie Euphorie für das Handeln von
Angela Merkel empfand, war das auch genau der Moment, in dem sie ihre
Unantastbarkeit verlor und ihre eigene Partei langsam, aber sicher
begann, ihr die Gefolgschaft zu verweigern (woraus ich schlussfolgern
kann, dass es richtig war, sie nie gewählt zu haben). Jedenfalls: Bei der Frage, wie wir mit Menschen
umgehen, die aus ihrer Heimat nach Europa fliehen, sollte Angela Merkel weiterhin ihrem „Wir schaffen
das“ im Prinzip treu bleibt. Egal, wie naiv und falsch das Teile der
Union finden, die von Gestalten wie Horst Seehofer und Markus Söder
angeführt werden, und die glauben oder zumindest behaupten, man könnte
die wachsenden Flüchtlingsströme durch Grenzzäune aufhalten. Merkel
hat mit ihrer Haltung in den vergangenen Monaten ein Zeichen gesetzt
für Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft – daran möge sie unbedingt
festhalten. Und gemeinsam mit allen dafür notwendigen Akteuren dafür
sorgen, dass die Aufnahme und Integration der Geflüchteten so bald wie
möglich in einigermaßen geordnete Bahnen gelenkt wird.

– Lisa Seelig –

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