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Mistress America – Warum dieser Film (immer noch) unsere Aufmerksamkeit verdient

Es gibt immer noch zu viele Filme, die Frauen in die immer gleichen Stereotype zwängen, in denen sie immer nur ein “Entweder…Oder” sein können: Entweder “die Schöne” oder “die graue Maus”, “die Nette” oder “die Zicke”, “die Gewinnerin” oder “die Verliererin”. Diese Eigenschaften gehen selten miteinander einher. Der Film Mistress America (USA 2015), den es nun auch bei Netflix gibt, zeigt, dass es auch anders geht.

 

Ihre Schönheit war von der seltenen Art, die einen dazu bringt, mehr wie man selbst aussehen zu wollen und nicht wie sie. 

Es ist vielleicht dieses Zitat aus Mistress America (USA 2015), das zeigt, warum der Film immer noch oder immer wieder unsere Aufmerksamkeit verdient. Die Protagonistinnen bestärken uns darin, wie wir selbst sein zu wollen, anstatt irgendwelchen filmischen Idealen nachzueifern, die nichts mit der Realität zu tun haben. 

Der Film von Regisseur Noah Baumbach macht damit richtig, was so viele “Frauenfilme” leider immer noch außer Acht lassen – nämlich, dass die filmische Darstellung von Frauen sich nicht auf einige wenige Stereotype reduzieren lässt und lassen darf. Greta Gerwig, die auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, beweist immer wieder (zuletzt mit Lady Bird, USA 201 8), dass die Kategorie “Frauenfilm” neu gedacht werden muss. Zu viele Filme mit weiblichen Hauptrollen stellen ihre Protagonistinnen immer noch so dar, als würden Frauen einzig und allein nach Schönheit, Romantik oder Aufmerksamkeit von Männern streben. Doch, big suprise, es gibt noch viel mehr zu erzählen.

Unsicherheit und Egoismus erlaubt

Mistress America bricht mit diesen Stereotypen und zeichnet ein sehr liebevolles Bild von zwei Frauen, die nicht recht in die Schablone passen wollen, die Hollywood sonst für weibliche Rollen vorgibt. Eine der beiden ist Tracy (Lola Kirke), die gerade ihr College Studium in New York aufgenommen hat. Kaum hat das Semester begonnen, muss sie feststellen, dass College und Großstadtleben nicht so glamourös sind wie erwartet und sie nur eine von vielen angehenden Möchtegern-SchriftstellerInnen, -PoetInnen und -DenkerInnen ist. Einsamkeit und Selbstzweifel sind vorprogrammiert. Das ändert sich, als sie ihre Stiefschwester in spe, Brooke (Greta Gerwig), kennenlernt. Brooke hat eine Wohnung am Times Square, kennt hundert “wichtige” Leute, arbeitet als Alles und Nichts und beschreibt sich selbst als Autodidaktin. Sie verkörpert damit nicht nur ein New Yorker Klischee sondern auf den ersten Blick auch das einer selbstbewussten mittdreißiger Großstädterin des 21. Jahrhunderts. Aber eben nur auf den ersten Blick – denn eigentlich ist Brooke auch einsam, versteckt dies aber indem sie vorgibt eine erfogreiche, kosmopolitische selfmade Frau zu sein.

Das ist es auch, was Tracy sieht, als sie die 12 Jahre ältere Brooke zum ersten Mal trifft. Sie bewundert die ältere Stiefschwester und Brooke will bewundert werden. Tracy sieht sie so, wie sie gesehen werden will und daher nimmt Brooke sie unter ihre Fittiche und verbringt mit ihr eine unvergessliche Nacht in New York. Auch wenn die beiden Frauen auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben, teilen sie ihre Unsicherheit und eine gute Portion Egoismus. Der Film zeigt auf liebevolle und lustige Art, wie die beiden sich dessen bewusst werden.

Sei wie Brooke – sei du selbst

Mistress America ist ein gutes Beispiel für weibliche Vielfältigkeit in Filmen, weil er über die klassischen Darstellungsweisen von Frauen hinausgeht. Die Hauptfiguren haben kein bestimmtes Ziel, wie Liebe, Heirat oder Schwangerschaft zu erreichen. Im Gegenteil, der Zuschauer kann Tracy und Brooke dabei zuschauen, wie sie regelmäßig scheitern und sich selbst überschätzen. Besonders Brooke kann in einem Moment sehr liebenswert sein und nervig im nächsten. Es gibt keine klassische Rollenverteilung in “die Schöne”, “das nette Mädchen von Nebenan” oder “die Zicke”. Diese Unterteilungen funktionieren im wahren Leben nicht und auch Filme sollten es sich dort nicht so einfach machen. Besonders an Brooke wird deutlich, dass eine mäßig erfolgreiche Dramaqueen trotzdem zur Heldin und Sympathieträgerin eines Filmes werden kann. 

Mistress America ist dennoch nicht frei von Klischees, doch Baumbach und Gerwig spielen geschickt mit ihnen. Auf humorvolle Art halten sie der aktuellen Generation von jungen Großstädtern, bei denen Job und Social Life oft mehr Schein alls Sein sind, den Spiegel vor. Der Film ist ein Appell an die Selbsterkenntnis aber vor allem auch an die Selbstakzeptanz. Die Charakterzüge von Brooke und Tracy lassen sie nicht außschließlich sympathisch wirken, aber es ist gerade diese Darstellung, die eine Identifikation mit ihnen bestärkt. Brooke mag exzentrisch, ichbezogen und überdramatisch sein aber sie folgt ihren Träumen und Ideen mit solch tiefer und naiver Hingabe, dass man sich als ZuschauerIn wünscht, sie würden wahr, auch wenn sie zum Scheitern verurteilt sind. Mistress America ist kein Film über weibliche Perfektion. Das gibt den ZuschauerInnen ein positives Gefühl und bewirkt, um auf das eingängliche Zitat zurückzukommen, dass man mehr wie man selbst werden möchte, statt einem Ideal nachzueifern.

Mistress America

USA 2015

Genre: Comedy, Drama

Regie: Noah Baumbach

Drehbuch: Noah Baumbach, Greta Gerwig

Cast: Greta Gerwig, Lola Kirke, Matthew Shear, Heather Lind, Micheal Chernus, Cindy Cheung

Länge: 84 Min

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