Sich seine Zukunftsängste einzugestehen, ist nicht leicht. Deshalb eines gleich vorweg: Zukunftsängste sind wahrhaft nichts, womit du alleine bist. Sie ereilen jeden. Auch mich! Als ich in die Selbstständigkeit ging, spukte in meinem Kopf das Horrorszenario: Ich werde unter der Brücke landen. Gepaart mit der festen Überzeugung, meine schönsten Schuhe und meine Glitzerhandtasche nehme ich aber mit!
Doch was tun, wenn dich Zukunftsängste plagen?
Ich finde es immer sehr hilfreich, meine Ängste ernst zu nehmen, sie nicht wegzudrängen, mich mit meinen Ängsten zu verbinden und zurückzuziehen. Wie dieses Jahr auf meiner Indienreise. Sie war für mich kein purer Urlaub, sondern ließ mir vor allem auch viel Raum für inneren Rückzug. Eine solche bewusst erlebte Zeit kannst du nutzen, um dir wichtige Fragen zu stellen – das funktioniert übrigens auch ganz wunderbar in der Badewanne oder auf dem Balkon, es muss nicht gleich Indien sein. Hauptsache, du schaust aufmerksam in dich hinein und beantwortest dir eine Frage: Wie viel Freude bereitet dir das, was du tust?
Scherz beiseite …
Die ehrliche Antwort kann dein Leben ordentlich durcheinanderwirbeln. Denn sie zeigt dir vor allem eines: In allen Facetten, die dir aktuell keine Freude bereiten, stecken unglaublich viele Möglichkeiten, dein Leben zu verändern. Diese Veränderungen erfordern mutige Entscheidungen – sonst kommen sie nicht in Bewegung – und genau das macht schnell Angst. Zukunftsängste entstehen, weil du nicht weißt, wohin deine Entscheidungen dich führen werden. Weil du nicht absehen kannst, wie sich dein Leben aus dieser Entscheidung heraus entwickelt. Weil niemand von uns eine Glaskugel hat und das bedeutet: Ich gehe in unsicheres Terrain und das kann Angst machen!
Und doch darfst du dankbar sein für deine Wahlfreiheit. Jeden Tag. Diese Freiheit, die dir und mir vergönnt ist, wurde mir eindrücklich bewusst, als ich in Indien übers Land fuhr. Dort hat jeder seinen Job, um sich über Wasser zu halten. Die einen putzen Schuhe, andere verkaufen Orangen oder hüten Kühe, nur um sich ihre Existenz zu sichern. Und mittendrin stand ich, deren Existenz nicht gefährdet ist und die deshalb frei wählen kann, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte. Keine leichte Aufgabe – aber welch ein Luxus! Deshalb bin ich dankbar für meine Freiheit – und die Zukunftsängste, die mit ihr einhergehen.
Ein gern gesehener Gast
Denn diese Zukunftsängste bedeuten gleichermaßen, dass mir niemand vorschreibt, was ich zu tun habe. Sie erinnern mich daran, dass ich mutig sein darf und selbstverantwortlich über mein Leben entscheide. Und das, obwohl es oft einfacher wäre, in der Sicherheit der Gewohnheit zu verharren oder jemandem zu folgen, der sagt: „Tu dies, mach jenes.“ Da gehe ich doch lieber mit meiner Angst um. Und dir empfehle ich dasselbe: Heiße deine Zukunftsängste herzlich willkommen!
Sie sind sowieso ständiger Gast in deinem Leben – von der kleinen Befürchtung bis hin zu großen Panikattacken. In welcher Form sich deine Zukunftsängste auch immer zeigen mögen – ob ein ungutes Grummeln in der Magengegend oder ein großflächiger Schweißausbruch –, nimm sie ernst. Schließlich haben Zukunftsängste einen guten Grund: Sie schützen uns Menschen vor unbedachtem Handeln.
Die Ratgeberin in der Not
Die Angst ist die Ratgeberin, die dich davon abhält, als frisch gebackener Familienvater einen sicheren Job aufzugeben oder als junger Übermütiger ohne Bungeeseil von einer Klippe zu hüpfen. Verdränge deine Zukunftsängste deshalb bitte nicht. Gehe dem Gefühl besser auf den Grund und visualisiere, was dir Angst macht. In meinem Büro steht beispielsweise bis heute eine selbstgebastelte Brücke. Sie erinnert mich an meine Angst, eines Tages unter ihr wohnen zu müssen. Ich musste sehr schmunzeln, als ich von einem mir sehr geschätzten Kollegen hörte, auch er hat eine auf seinem Schreibtisch.
Erst wenn du deine Zukunftsängste mit unverstelltem Blick siehst, kannst du sie mit deinem Herzen verbinden. Lass die Ängste einen Moment außen vor und frage dich, was du wirklich willst.
Wofür gibst du deine Lebenszeit?
In Indien habe ich eine Tempelanlage besucht, die ein hinduistischer Mönch vor 500 Jahren erbaut hat, weil er diese Vision im Traum sah. Nun habe ich nachts keine Visionen, aber der Antrieb ist der gleiche: Was muss ich für mich in diesem Leben noch erledigen, damit ich das Gefühl habe, es ist und war gut? Ich wollte schon sehr früh stets mit Menschen zusammenarbeiten und Entwicklung und Entfaltung ermöglichen. Mit dieser Erkenntnis konnte ich abwägen: Was wiegt schwerer – meine berechtigten Zukunftsängste oder mein Lebenswunsch?
Dass ich heute am Schreibtisch sitze und diesen Beitrag schreibe, dürfte beantworten, für welche Option ich mich entschieden habe. Auch für deine Zukunft wünsche ich dir viel Mut und Erfolg.