Foto: McKinsey & Company

Dr. Stephanie Eckermann: „Wer Frauen in zentralen Positionen sehen will, muss sie zum einen fördern und zum anderen durch Rollenvorbilder inspirieren“

Sie ist dreifache Mutter, eine von 15 weiblichen Partnern bei der Unternehmensberatung McKinsey und unterstützt Frauen, ihren eigenen Weg zu finden.

 

„Frauenförderung erfordert echtes Engagement“

„Wer Frauen in zentralen Positionen sehen will, muss sie zum einen fördern und zum anderen durch Rollenvorbilder inspirieren“, sagt Stephanie Eckermann. Doch die Umsetzung sei zentral, da Frauen keine Lippenbekenntnisse brauchen, sondern echte Angebote, um voranzukommen, sich selbst und ihre Stärken kennenzulernen, um dann auf die eigenen Talente und Fähigkeiten vertrauen zu können. „Karriere machen bedeutet eben, einen Weg zu beschreiten, nicht unmittelbar anzukommen”, sagt Eckermann im Gespräch mit EDITION F.

Ihr eigener Weg klingt dabei wie aus dem Bilderbuch: Studium an der renommierten European Business School, Auslandssemester an der Universität in Pittsburgh, Einstieg in der Beratung, von da an ging es immer weiter nach oben. Inzwischen ist sie eine von 15 weiblichen Partnerinnen bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company. Und dort eine der stärksten Stimmen, wenn es darum geht, Frauen zu helfen, mutiger zu werden und vor allem daran zu glauben, dass alles möglich ist.

Bauchgefühl vor Trend

„Als ich von der Uni in die Beratung gegangen bin, war das nicht unbedingt Trend und bei den Frauen schon gar nicht. Meine Mitkommilitonen sind eher Investment Banker geworden und die Frauen hat es zu den großen Konsumgüterherstellern gezogen. Trends bringen einen aber selten dorthin, wo man hingehört, oder wo die größten Chancen liegen. Denn dort sind ja bereits alle“, sagt sie. Und das Schwimmen gegen den Strom bedeutet, Mut zu haben. Ohne den, so glaubt sie, wird es schwer – gerade in beruflichen Umfeldern, die männlich geprägt sind. Um Frauen dabei zu unterstützen, mutiger zu werden, hat sie das Female Leadership Program ins Leben gerufen, ein Mentoring-Programm, das mit Coachings, Workshops, Netzwerkveranstaltungen und individuellen Mentoren Frauen hilft, eine klare Idee von ihrem Karriereweg zu bekommen und von Anfang an gute Entscheidungen zu treffen.

Unterschiede sind in Ordnung, sie zu schätzen ist der Schlüssel

„Die Frage ‚Bin ich dafür geeignet?‘ ist eine, die ich in den letzten Jahren immer wieder gehört habe. Allerdings nur von Frauen“, so Eckermann. Über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen ist schon viel gesagt worden: Männer hätten ein größeres Selbstbewusstsein, sie würden mutiger verhandeln, sich mehr zutrauen und viel bewusster auf ihr Ziel hinarbeiten. „Wer allerdings schon am Anfang nur daran denkt, Partner zu werden, liegt nicht unbedingt richtig. Die Welt dreht sich immer schneller und Männer wie Frauen tun gut daran, immer wieder ihre Ziele zu evaluieren, Chancen zu ergreifen und vor allem die Begeisterung für das Inhaltliche zu behalten.”

Stephanie Eckermann hat sowohl von Frauen als auch von Männern auf ihrem Weg viel gelernt: „Mein persönlicher Mentor bei McKinsey, den ich bereits beim Praktikum kennengelernt habe, ist ein Mann. Durch ihn habe ich viel über den Beziehungsaufbau zu Klienten und dem eigenen Team gelernt, über Führung und über das Netzwerken. Und gerade das ist entscheidend: Für mich ist es selbstverständlich geworden, auch mal mit dem Klienten essen zu gehen oder an der Bar in Herrenrunde Geschäftliches zu besprechen. Hier haben auch viele starke Frauen oft Befindlichkeiten und mein männlicher Mentor hat mir persönlich geholfen, mich von den gängigen Klischees freizumachen.” 

Aber ich hatte auch weibliche Mentorinnen, mit denen ich mich regelmäßig über anstehende Entscheidungen oder auch das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgetauscht habe. Leider betrifft gerade dieses Thema immer noch hauptsächlich die Frauen. Aber ich sehe viele, die Familie und Job extrem gut vereinen – deren Talent beispielsweise im Loslassen und Abgeben liegt. Gerade wenn es darum geht, zu delegieren und um die Haltung‚ Hauptsache erledigt, es muss nicht perfekt sein’, merke ich, dass ich selbst noch besser werden könnte.“

„Remote Leadership ist meine Antwort auf Karriere und Kinder“

„Aktuell empfinde ich meinen Job als Luxus, denn er erlaubt es mir, flexibel zu sein“, sagt Stephanie Eckermann, die vor kurzem ihr drittes Kind bekommen hat. „Meine Teams wissen, dass ich immer an ihrer Seite bin, aber es gibt eben auch die Stunden am Abend, in denen ich nicht erreichbar bin. Da lese ich meinen Kindern vor oder wir sitzen als Familie zusammen und verbringen ganz bewusst Zeit miteinander.“ Die Flexibilität, so sagt Stephanie Eckermann, ist für sie die Chance, dem Anspruch ihrer Rolle als Mutter und als Partnerin bei McKinsey gerecht zu werden. „Remote Leadership“, also das ortsunabhängige Arbeiten und Steuern von Teams,  ist letztlich ihre Antwort darauf, Karriere und Kinder unter einen Hut zu bekommen. Und die Möglichkeit, nur 80 Prozent zu arbeiten.

Wir müssen Männern helfen, Frauen zu verstehen

Ambitioniert. So kann man die Gleichstellungsziele von McKinsey bezeichnen, aber nicht aussichtslos: Derzeit gibt es 15 weibliche Partnerinnen bei der Unternehmensberatung. Das sind knapp zehn Prozent. „Die Frauen, die bei uns erfolgreich sind, bekommen natürlich irgendwann auch attraktive Angebote aus der Wirtschaft“. Insgesamt liegt der Frauenanteil bei McKinsey bei etwa 20 Prozent. „Ich persönlich würde mir 50 Prozent wünschen. Aber um die Gleichstellung in allen Bereichen zu schaffen, müssen wir uns aufeinander zu bewegen. Für Männer muss es eine realistische Option werden, in Teilzeit zu arbeiten. Männer und Frauen müssen die Unterschiede in den Führungs- und Kommunikationsstilen verinnerlichen und als Chance begreifen. Ich glaube, dass wir noch einige Jahre brauchen, um wirklich dort anzukommen.” Aber Stephanie Eckermann tut etwas dafür – mit dem Female Leadership Program hat sie ein Programm aufgebaut, dass sich an Studentinnen und Doktorandinnen richtet, die von der Erfahrung von Top-Managerinnen profitieren und die ihre Karriere vorantreiben möchten.

„Das Programm ist mir so wichtig, weil es wirklich eine individuelle Förderung ist: Es geht um den intensiven persönlichen Austausch mit der Mentorin, man lernt sich im Laufe der Zeit gut kennen und bespricht anstehende Entscheidungen und persönliche Fragen. Talent und Ehrgeiz zu haben ist wichtig in der Beratung, aber ich glaube, dass sich diese beiden Dinge erst mit der richtigen Unterstützung voll entfalten und einen persönlich weiterbringen. Mentoring ist in anderen Ländern extrem erfolgreich, weil individuelle Entwicklung und der Aufbau eines starken Business-Netzwerks Hand in Hand gehen. Die Chancen sollten wir auch in Deutschland bieten und nutzen“, sagt Stephanie Eckermann.

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