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„Nachhaltige Veränderungen erreichen wir nur gemeinsam“

Ob in Wirtschaft oder Musik – von Gleichberechtigung sind beide Bereiche weit entfernt. Wie wir die Gleichberechtigung vorantreiben und Frauen konkret unterstützen können, diskutierten zwei Musikerinnen und eine Betriebswirtin im Rahmen des Enjoy Jazz Festivals.

 

Vor 100 Jahren wurde mit dem Frauenwahlrecht in Deutschland ein wichtiger Grundstein für die gesetzliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern gelegt. Aufgrund aktueller politischer und gesellschaftlicher Debatten ein wichtiges Jubiläum. Um das zu würdigen, diskutierten die Pianistin Anke Helfrich, die Altsaxofonistin Angelika Niescier und die Betriebswirtin Dr. Martina Nieswandt im Rahmen des Enjoy Jazz Festivals darüber, wie es um die Gleichberechtigung von Männer und Frauen in der Wirtschaft und im Jazz bestellt ist.

Dabei zeigt der Blick zurück, wie schwierig es Frauen in der Musik haben: Erst 1997 brachen die Wiener Philharmoniker mit ihrer Tradition, als reines Männerorchester aufzutreten – ausgelöst durch weltweite Proteste. Bei den Berliner Philharmonikern zeigt sich ein ähnliches Bild: 1982 nahmen sie mit Madeleine Caruzzo das erste Mal eine Frau im Orchester auf. Und heute? Sieht es nicht wirklich besser aus, wie die Studie des Deutschen Kulturrats von 2016 zeigt: Auf gut 500 Seiten legt die Untersuchung dar, dass von einer Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich noch nicht gesprochen werden kann. Die Konsequenz? Der Deutsche Kulturrat richtete im Juli 2017 das Projektbüro „Frauen in Kultur & Medien“ ein, um den Diskurs und die Umsetzung konkreter Maßnahmen zu unterstützen. Auch das Enjoy Jazz Festival unterstützt die Geschlechtergerechtigkeit und hat festgelegt, dass bis 2020 50 Prozent der auftretenden Gruppen aus weiblichen und männlichen Musikern bestehen müssen.

Es fängt bereits bei der Sprache an“

Dr. Martina Nieswandt, die als Beraterin und Managementtrainerin viele Unternehmen von innen kennt, bemängelt seit Jahren, dass Frauen auf allen Leistungsebenen deutlich unterrepräsentiert sind. „Dabei spielen unterschiedliche Perspektiven sowohl in der Wirtschaft als auch in der Musik eine wichtige Rolle“, so die Betriebswirtin. Und wie steht es um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Jazz? Ist die Jazz-Branche ein Spiegel der Gesellschaft?

Leider ja, so Helfrich und Niescier einhellig. Als herausragende Musikerinnen und Komponistinnen kennen beide die Jazz-Szene sehr gut und bestätigen, dass es die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen im Jazz nicht gibt. „Unter den Sängern sind über 80 Prozent weiblich, bei den Musikern beträgt der Frauenanteil gerade mal 12 Prozent. Da ist noch mächtig Luft nach oben“, so Helfrich, der bereits früh der Unterschied deutlich wurde. So bekam die Pianistin schon während ihrer Ausbildung häufig zu hören, das es erstaunlich ist, wie gut sie als Frau ihr Instrument beherrscht. „Ja, es fängt bereits bei der Sprache an“, bestätigt auch Niescier, über die ein Journalist nach einem Auftritt 2017 schrieb: „Vielleicht sind wir wirklich einen Schritt weiter, wenn man sagen kann: Angelika Niescier machte die männlichste Musik des Festivals.“ Und auch Helfrich bekommt oft als „Kompliment“ zu hören: „Sie spielen immer mehr wie ein Mann!“

Wie können wir die Gleichberechtigung vorantreiben?

Die Lösung ist jedoch nicht, dass Frauen sich männliche Verhaltensmuster antrainieren. „Je heterogener der Jazz ist, desto besser für uns alle – auch für die männlichen Kollegen“, ist die Altsaxofonistin Niescier überzeugt. Und natürlich ist es nicht leicht, Positionen abzugeben. Das Klammern an alten Strukturen blockiert die Entwicklung aber enorm. Die wenigen Frauen, die beispielsweise in den großen deutschen Big Bands spielen, sind sehr allein unter den vielen männlichen Musikern – und geben daher schnell wieder auf, weiß Helfrich aus der Praxis zu berichten.

Auch haben Frauen noch immer gegen die Haltung anzukämpfen, dass sie wegen ihres Geschlechts und nicht aufgrund ihrer Leistung vorankommen. Hier wäre es hilfreich, wenn sich nicht nur weibliche, sondern auch männliche Musiker für die Gleichberechtigung aussprechen und einsetzen. „Eine enorme Unterstützung sind hier Role-Models. Sie inspirieren mit ihrem positiven Einfluss sowohl Frauen als auch Männer“, so Niescier.

Wie kann die Unterstützung von Frauen konkret aussehen?

Nils Landgren beispielsweise unterstützt mit seiner ‘JazzBaltica All Star Band’ ausschließlich europäische Jazz-Musikerinnen. Er stellt die Plattform zur Verfügung, das Netzwerk knüpfen müssen wir Frauen selbst. Und es funktioniert, der Kontakt und die Unterstützung untereinander sind da“, weiß Helfrich aus eigener Erfahrung.

Wir werden bei diesem emotionsgeladenen Thema Veränderungen allerdings nur nachhaltig anstoßen können, wenn wir die Diskussion versachlichen. „Dabei sollten wir aber nicht von Frauenförderung sprechen. Denn das impliziert, dass Frauen ein Defizit haben und deshalb gefördert werden müssen. Die Unterstützung darf aber auch nicht zu neuen Ungerechtigkeiten unter umgedrehten Vorzeichen führen. Vielmehr ist wichtig, dass Unternehmen zu einem besseren Ort für alle werden. Nachhaltige Veränderungen erreichen wir nur gemeinsam“, so Nieswandt.

Der Beitrag wurde auf dem Blog die Chefin – der Blog für Führungsfrauen veröffentlicht.

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